Die Strafe folgt auf dem Fuß?
In dieser Stunde kamen Leute zu ihm, die ihm von Männern und Frauen aus Galiläa berichteten, deren Blut Pilatus mit ihren Opfergaben vermischt hatte. Jesus antwortete: „Meint ihr, dass diese sündiger gewesen seien als alle in Galiläa, weil sie so etwas erleiden mussten? Nein, sage ich euch. Wenn ihr nicht umkehrt, werdet ihr alle auch so zugrunde gehen. Oder jene 18, auf die der Turm von Schiloach stürzte und sie tötete – meint ihr, dass sie schuldiger gewesen seien als alle Menschen, die in Jerusalem wohnen? Nein! Ich sage euch: Wenn ihr nicht umkehrt, werdet ihr genauso zugrunde gehen.“
Und er erzählte ihnen ein Gleichnis: „Es hatte jemand einen Feigenbaum, der in seinem Weinberg gepflanzt war; und er kam immer wieder, um an ihm nach Frucht zu suchen. Er fand aber keine. Da sprach er zum Winzer: ´Es sind schon drei Jahre, dass ich komme, um nach Früchten an diesem Feigenbaum zu suchen, und nichts finde. So hau ihn um! Wozu nimmt er der Erde Kraft?` Er erhielt als Antwort: ´Herr, lass ihn noch dieses Jahr, bis ich den Boden ringsum gegraben und Dünger gegeben habe, dann könnte er künftig doch noch Frucht tragen. Wenn aber nicht, lass ihn umhauen.`“
Lk 13,1-9 Bibel in gerechter Sprache
Die Strafe folgt auf dem Fuß?
„Das war die Strafe Gottes! Sie haben nicht gebetet.“ sagte eine Frau nach der Flut im Ahrtal, der über 130 Menschen zum Opfer fielen. Die Nachrichten sind voll von furchtbaren Ereignissen, und immer drängt sich die Frage nach dem Warum auf. Ist es Gott, der zornig über die Sündhaftigkeit der Menschen Unglücke schickt?
Die Kirche hat mit der Drohbotschaft eines strafenden Gottes Menschen in Angst versetzt und sie gefügig gemacht. Absolut unverständlich, denn die Botschaft nicht nur dieses Evangeliums lautet klar und deutlich: Gott ist kein strafender Gott. Die Lesung berichtet, dass er sich Mose als der „Ich-bin-da“-Gott offenbart hat, als er liebevoll in dessen Alltag trat. Er ist bei den Menschen und geht mit. Der Name Jesus bedeutet: Jahwe rettet.
Mit dem im Judentum allgemein verbreiteten Glauben an den göttlichen Bestrafer kommen „Leute“ zu Jesus und erzählen von zwei Unglücken. Überheblich sind sie, denn sie kommen sich besser vor als diese umgekommenen Galiläer. (Nathanael: „Was kann von Nazareth in Galiläa Gutes kommen?“) Jesus bestätigt ihre Sicht nicht, sondern er bezieht sie in das Geschehen ein: „Fasst euch an die eigene Nase.“ Er lenkt ihren Blick weg vom körperlichen Tod hin zum seelischen, geistlichen, der die ereilt, die nicht zu einem guten Leben umkehren wollen. Durch einen schlechten Lebenswandel verspielen sie ihr Leben selbst und gehen schon zu Lebzeiten seelisch zugrunde. Aber sie haben es in der Hand: Eine Kehrtwendung zu einem Leben in der Nachfolge Jesu schenkt Leben, sogar über den Tod hinaus, wie Jesus an anderer Stelle sagt.
Zur Erklärung erzählt er ihnen ein Gleichnis aus einem ihnen bekannten Bereich: An den unfruchtbaren Feigenbaum, ein Bild für einen besonders sündigen Menschen, wird nicht „zur Strafe“ die Axt angelegt, sondern der Winzer, er steht für Jesus, will noch einmal bewährte Hilfsmittel anwenden zur Rettung des Baumes, des Menschen. Er bekommt eine neue Chance, wenn er umkehrt, und Jesus selbst steht hilfreich zur Seite und gibt alles, was wir brauchen, um wieder ins Leben zu kommen und je nach Möglichkeiten, Frucht zu bringen. Stellvertretend für ihn können das heute Freunde und Freundinnen, Seelsorger:innen, Autoren, Ärzte sein, …, die sich kümmern und behilflich sind beim ins-Leben-Finden. Auch Gebet, Meditation, Nachdenken, um Rat bitten usw. wirken wie Dünger; vieles steht uns zur Verfügung.
Und nun zurück zur Ausgangsfrage. Nein, nicht der strafende Gott schickt Unglücke usw., sondern Menschen sind dafür verantwortlich. Pilatus ist kein Handlanger Gottes, sondern er entschied zu morden. Kriege werden von Menschen geführt, die Ahrflut und andere Überschwemmungen sind auf die von Menschen gemachte Klimaerwärmung zurückzuführen, fehlerhafte Gebäude stürzen ein, verantwortungslose Autofahrer töten andere, Ignoranz, ungerechte Strukturen und Verhältnisse, Macht- und Besitzgier ... führen zum Tod vieler Menschen. „Diese Wirtschaft tötet!“ sagt Papst Franziskus. Prof. Paul Zulehner spricht von einer zunehmenden Gottvergessenheit.
Denken wir immer daran: Wir Christen haben doch eine Frohe Botschaft: Unser Gott ist ein liebender Vater, der nichts anderes als das Leben will. Sein Sohn Jesus kam in die Welt und korrigierte mit Worten und Zeichen das durch Jahrhunderte tradierte falsche Gottesbild des 1. Testamentes, bei dem Vernichtung und Kriege missbräuchlich als Gottes Wille interpretiert wurden. Jesus scheiterte jedoch an den verblendeten, machtgierigen Religionsführern und wurde, wie sie meinten, im Namen Gottes mit dem Tod bestraft. Aber sie werden widerlegt: Jesus überwand den Tod und wurde von Gott zu neuem Leben auferweckt, was auch für uns bereitet ist.
Nicht nur jetzt in der Fastenzeit können wir uns durch Umgraben öffnen, düngen lassen und Gutes erzeugen und wachsen lassen. Wundervolles kann dann geschehen. „Du musst mit allem rechnen. Auch mit dem Schönsten.“ sagte Landesbischof Ralf Meister bei der Eröffnung der evangelischen Fastenaktion. Und wir sind aufgefordert, denen zur Seite zu stehen, die Schicksalsschläge erlitten haben und wenn nötig, versuchen, sie von irrigen Vorstellungen über Gott zu befreien.
Genießen wir diese Theologie der Befreiung, nutzen wir „unverschämt“ alle Hilfsangebote und sind wir gespannt auf die Früchte, die wir bringen, wenn wir uns von Gottes Liebe düngen und von Jesus Kraft geben lassen. Der Erfolg folgt auf dem Fuß!
Brigitte Karpstein