KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche - Sonntagsbriefe

Sonntagsbrief zum 26. Sonntag im Jahreskreis, 1.Oktober 2023

Jetzt ist die Zeit

Ihr aber sagt: Das Verhalten des Herrn ist nicht richtig. Hört doch, ihr vom Haus Israel: Mein Verhalten soll nicht richtig sein? Nein, euer Verhalten ist nicht richtig.

Wenn der Gerechte sein rechtschaffenes Leben aufgibt und Unrecht tut, muss er dafür sterben. Wegen des Unrechts, das er getan hat, wird er sterben.

Wenn sich der Schuldige von dem Unrecht abwendet, das er begangen hat, und nach Recht und Gerechtigkeit handelt, wird er sein Leben bewahren.

Wenn er alle Vergehen, deren er sich schuldig gemacht hat, einsieht und umkehrt, wird er bestimmt am Leben bleiben. Er wird nicht sterben.

Ez 18,25-28 Einheitsübersetzung

 

Jetzt ist die Zeit

  

Der Religionsphilosoph Jacob Taubes (1923-1987) erkannte in diesem Text aus dem Buch Ezechiel die Geburtsstunde des menschlichen Individualismus, des unverwechselbaren und unersetzlichen, verantwortlichen Einzelnen.

 

Das Buch Ezechiel entstand im 6. Jahrhundert vor Christus im babylonischen Exil. In der Verbannung kamen die israelitischen Frauen und Männer zu dem Schluss, Verfehlungen ihrer Vorfahren hätten die geschichtliche Katastrophe ausgelöst, deren Konsequenzen sie nun zu tragen hätten. GOTT, der Herr der Geschichte, straft sie für das Unrecht, das die vorherigen Generationen getan hatten. Der Einzelne in der Gegenwart ist der Strafe einfach ausgeliefert. Er ist machtlos und hilflos. Was kann man schon tun, wenn man ohnehin die Verfehlungen anderer ausbaden muss? Da kann man nur noch resignieren und verbittern!

 

Ezechiel stellt klar: Jede/r Einzelne trägt Verantwortung, und wie sie oder er sie trägt entscheidet über Überleben oder Tod. GOTT selbst ist Garant dafür!

 

Ich fürchte, dass zukünftige Generationen das Lebensgefühl der damaligen Frauen und Männer bald bedrückend am eigenen Leib erfahren werden. Sie werden unsere Verfehlungen ausbaden müssen! Doch wird nicht GOTT der Strafende sein, sondern wir Menschen von Heute bestrafen die zukünftigen Generationen, weil wir heute nicht tun was wir heute tun könnten. Morgen werden die Handlungsoptionen nicht mehr da sein! Wie ein Tsunamie schlagen die Katastrophen unweigerlich zu und die Individuen von Morgen werden zu hilflosen Spielbällen einer Welt im Tohuwabohu, in einem heillosen Durcheinander!

 

Der Ökonom Patrick Kaszmarczyk hat gerade ein Buch veröffentlicht unter dem Titel „Raus aus dem EGO-Kapitalismus“. Das Wort EGO-Kapitalismus trifft den Nagel auf den Kopf. In meinem poetischen Werk „Am Anfang war die Einheit!“ (gratis auf meiner Homepage www.johannesbrinkmann.de) beschreibe ich dasselbe mit dem Wort „ackerbäuerlich“ als Denken, dass nur auf das Wohl des eigenen Ackers beschränkt ist.

 

Individualität ist gut und schön, muss aber Grenzen haben. Jedes Ich-Gefühl muss sich einbetten in ein Wir-Gefühl. Jede/r Einzelne ist zwangsläufig an die Gesellschaft gebunden und muss deshalb auch für das Wohl und Wehe Aller anderen mitverantwortlich sein wollen. Ein gesundes Ich kann es ohne ein gesundes Wir nicht geben, genauso wenig wie es eine gesunde Gesellschaft ohne gesunde Individuen geben kann.

 

Patrick Kaszmarczyk erinnert in seinem bemerkenswerten Buch an die christliche Soziallehre. Das ist sehr hilfreich, weil sie die kriegerische Unterscheidung zwischen „Links“ auf der einen und „Rechts“ auf der anderen Seite durchkreuzt. Kampfbegriffe wie „links-grün-versifft“ haben da keinen Bestand mehr.

 

Sich der christlichen Soziallehre zu erinnern und ihre Umsetzung einzufordern, wird m.E.n. DIE Tür zur Erneuerung und Rückgewinnung für Vertrauen in die rkK sein.

 

„Diese Wirtschaft tötet“, klagt Papst Franziskus in seinem Apostolischen Schreiben „Evangelii Gaudium“. Die ersten Akzente dieser erneuerten Glaubwürdigkeit sind also schon gesetzt.

 

Da gilt es z.B., nun die Parteien zu ermahnen und zu schütteln, die ein C für christlich in ihrem Namen tragen. Patrick Kaszmarczyk klagt nämlich zurecht, dass diese Parteien in Wahrheit eine Oppositionspolitik gegen das C betreiben.

 

Jetzt ist die Zeit, jetzt ist die Stunde, heute wird getan oder auch vertan worauf es ankommt!

 Hier der Link zu einem lohnenden Interview mit Patrick Kaszmarczyk:

 

Einen nachdenklichen Sonntag wünsche ich!
Johannes Brinkmann / Essen
 
 
Wir starten wieder mit unseren Online Veranstaltungen:
 
Dienstag, 3. Oktober 2023 von 19 bis 20 Uhr Interaktive Zoom-Andacht
 
Unsere nächsten Gäste am Jakobsbrunnen
ebenfalls von 19:00 bis 20:00 Uhr

Dienstag, 10. Oktober 2023: Elisabeth Zoll, Herausgeberin von "Wir bleiben!"

Dienstag, 17. Oktober 2023: Annette Schavan, ehemalige deutsche Botschafterin am Heiligen Stuhl

Dienstag, 24. Oktober 2023: Regina  Nagel, Vorsitzende des GR-Bundesverbands, Autorin von z.B. "Machtmissbrauch im pastoralen Dienst - Erfahrungen von Gemeinde- und Pastoralreferent:innen"