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Sonntagsbrief zum 23. Sonntag im Jahreskreis, 10. September 2023

Tun oder Lassen

Du aber, Menschensohn, ich habe dich dem Haus Israel als Wächter gegeben; wenn du ein Wort aus meinem Mund hörst, musst du sie vor mir warnen. Wenn ich zum Schuldigen sage: Schuldiger, du musst sterben! und wenn du nicht redest, um den Schuldigen vor seinem Weg zu warnen, dann wird dieser Schuldige seiner Sünde wegen sterben; sein Blut aber fordere ich aus deiner Hand zurück. Du aber, wenn du einen Schuldigen vor seinem Weg gewarnt hast, damit er umkehrt, und er sich nicht abkehrt von seinem Weg, dann wird er seiner Sünde wegen sterben; du aber hast dein Leben gerettet.

 

Ezechiel, 33,7-9 Einheitsübersetzung

 

Tun oder Lassen 

„Wenn man nichts tut, kann man auch nichts falsch machen und auch nichts richtig!“ sage ich in der Rolle des Judas in dem gleichnamigen und spannenden Theatermonolog der niederländischen Autorin Lot Vekemans.

 

Der Text aus dem Buch Ezechiel macht deutlich, dass die Sätze „ich habe doch nichts gemacht“ und „ich habe doch nichts gesagt“ kein Schutz sind davor, zur Rechenschaft gezogen zu werden.

„Alles was das Böse benötigt, um zu triumphieren, ist das Schweigen der Mehrheit“ sagte Kofi Annan, der ehemalige UN-Generalsekretär, zur Erinnerung an die Befreiung von Auschwitz vor damals 60 Jahren.

 

Das Böse ist hier nicht eine überirdische Macht, eine Gegenmacht zu GOTT, die uns hinterlistig für ihre Zwecke benutzt, sodass wir als ihre Opfer als unschuldig gelten könnten, nein, das Böse kommt aus dem Menschen und kann durch Schweigen und Nichtstun triumphieren. Schweigen und Nichtstun ist nicht unschuldig!

 

Ein Fundament des Kapitalismus ist die weit verbreitete und selten hinterfragte Überzeugung, der Mensch sei von Natur aus egoistisch, gierig, konkurrenzorientiert, materialistisch und faul. Aufgrund dieser Annahme erscheint der Kapitalismus als die Wirtschaftsform, die der menschlichen Natur am besten entspricht. 

 

Zahlreiche wissenschaftliche Studien kommen aber zu einem anderen Ergebnis über die Natur des Menschen. „Wenn der Glaube vorherrscht, dass die anderen kooperieren, dann ist die Kooperation jedes Einzelnen hoch; wenn der Glaube vorherrscht, dass die anderen nicht kooperieren, dann kooperiert tatsächlich keiner“, fasst der Wirtschaftswissenschaftler Erich Fehr eine wichtige Erkenntnis der Forschung zusammen.

 

„DIE wollten euch euren Wohlstand wegnehmen!“ heißt eine angsteinflößende These, die gerade schon wieder Hochkunjunktur hat. DIE, das ist eine angeblich kleine Minderheit, die die Mehrheit belehren, gängeln und bevormunden will im Namen einer Klimakatastrophe. Diese Erzählung wird von einer breiten politischen Front befeuert und nützt am Ende wohl nur einer einzigen Partei über deren zukünftigen Wahlerfolg viele erschrocken sein werden, die sich heute diese Erzählung allzu leichtfertig zu eigen machen. Ganz geschickt aktiviert der Satz „DIE wollen euch euren Wohlstand wegnehmen“ über die Angst vor Verlust die Gier in uns, sodass wir uns angstvoll klammern an das was uns genommen werden soll, z.B. unsere Gas- oder Ölheizung. Als Ergebnis fürchten viele die Kosten der Klimakatastrophe mehr als die Klimakatastrophe selbst.

 

Ich schrieb neulich auf meinem Facebook-Kanal, dass wir neu definieren sollten, was Wohlstand eigentlich für uns ist. Ist er tatsächlich nur die Summe unseres Besitzes, ist er nur die Summe unseres gehäuften Materials?

 

Was macht deinen persönlichen Wohlstand aus?

Auch schrieb ich als Kommentar auf Facebook einmal, dass ich es für einen Fehler halte, den Menschen ein schlechtes Gewissen zu machen, um sie dadurch zu einem klimabewussteren Verhalten zu bewegen, wie es "Fridays vor Futere“ und die „letzte Generation“ tun. Besser wäre es, Visionen für eine bessere Zukunft aufzuzeigen. Es reagierte ein anderer Nutzer mit dem Satz: „Wenn wir heute gegensteuern, werden frühestens die Enkel unser Kinder wieder eine stabile klimatische Erde erleben.“ Ich denke, dieser Nutzer hat recht. Ich finde aber, das ist kein Widerspruch zu dem, was ich schrieb. Die Klimakatastrophe fordert uns heraus, langfristig zu denken und nicht den schnellen Nutzen zu erwarten. Gier ist dafür unbrauchbar!

 

Ein Weiser ging einmal über Land und sah einen Mann, der einen Johannisbrotbaum pflanzte. Er blieb bei ihm stehen und sagte zu ihm: „Wann wird das Bäumchen wohl Früchte tragen?“ Der Mann erwiderte: „In etwa 70 Jahren.“ Darauf der Weise: „Du bist ja verrückt! Denkst du denn, noch in 70 Jahren zu leben? Du wirst doch nie was von den Früchten dieses Baumes haben! Pflanze doch lieber einen Baum, der dir zu Lebzeiten schon etwas bringt!"  Der Mann hatte mittlerweile die Anpflanzung vollendet, sah sich sein Bäumchen an und meinte: „Als ich zur Welt kam, fand ich Johannisbrotbäume vor, aß von ihnen, ohne dass ich sie je gepflanzt hatte, denn das hatten mein Vater und mein Großvater getan. Habe ich aber nun genossen, was ich gar nicht erarbeitet habe, so will ich einen Baum pflanzen für die, die nach mir kommen, damit sie davon genießen. Wir Menschen können nur bestehen, wenn einer dem anderen die Hand reicht.“

 

Der Prophet Ezechiel (sein Name bedeutet „GOTT möge kräftigen“) hat von GOTT den Auftrag erhalten, seine Mitbürger auf die gefährlichen Konsequenzen ihres eigenen Tuns oder Lassens hinzuweisen: Gefahr von innen! Gefahr im Verzug! Wie oft hat man wohl zu ihm gesagt: „Hör auf damit, geh endlich weg, du bist lästig! Willst du mich belehren?“ Ja, Ezechiel ist lästig und er wird damit nicht aufhören, weil er es nicht kann! Die Liebe GOTTES treibt ihn an!

 

Einen nachdenklichen Sonntag wünsche ich

Johannes Brinkmann / Essen