Sonntagsbrief zum Sonntag Taufe des Herrn, 13. Januar 2019
11. Januar 2019 von Sigrid Grabmeier
Sich nackt machen
Da das Volk aber Hoffnungen hatte, und alle sich in ihren Herzen Gedanken darüber machten, ob Johannes vielleicht der Gesalbte sei, sagte Johannes zu allen: „Ich tauche euch in Wasser ein. Es kommt aber einer, der ist stärker als ich. Ich bin nicht gut genug, ihm den Riemen seiner Schuhe zu lösen. Er wird euch mit heiliger Geistkraft und Feuer eintauchen. Er hält die Worfschaufel in seiner Hand, um seine Tenne zu reinigen und das Getreide in seiner Scheune aufzuhäufen. Die Spreu wird er mit unauslöschlichem Feuer verbrennen.“
Er mahnte noch vieles andere an, und das Volk bekam die frohe Botschaft zu hören. Der Fürst Herodes aber, der von ihm wegen Herodias zurechtgewiesen wurde, der Frau seines Bruders, und wegen all der Verbrechen, die Herodes getan hatte, fügte zu allem noch dies hinzu: Er ließ den Johannes ins Gefängnis sperren.
Als aber das ganze Volk eingetaucht wurde, wurde auch Jesus eingetaucht. Und als er betete, öffnete sich der Himmel und die heilige Geistkraft kam in leiblicher Gestalt auf ihn herab – wie eine Taube – und eine Stimme aus dem Himmel rief: „Du bist mein geliebtes Kind, an dir habe ich Freude!“
Lk 3, 15-22 Bibel in gerechter Sprache
Sich nackt machen
Die Stelle an der Johannes taufte liegt etwa einen Tagesmarsch von Jerusalem auf der jordanischen Seite des Grenzflusses Jordan. Der Weg führt steil bergab durch die Wüste Negev, eine Geröll- und Steinwüste. Dieser Ort spielte schon vor Johannes zweimal eine bedeutende Rolle. Zum einen soll sich dort die Himmelfahrt des Elija zugetragen haben. So lässt sich vielleicht auch die Frage der Pharisäer in Joh. 1,21 besser verstehen: „Bist du Elija?“. Zum anderen hatten die Israeliten in diesem Gebiet nach ihrer 40 jährigen Wanderschaft den Fluss zum gelobten Land überschritten. Lange ging man davon aus, dass Johannes auf der Westseite getauft hatte, archäologische Forschungen seit 1997 legten aber nahe, dass die Taufstelle auf der östlichen Seite liegt.
Johannes war ein wortgewaltiger und überzeugender Bußprediger, bei Matthäus heißt es: „Da kam die Bevölkerung von Jerusalem, aus ganz Judäa und der ganzen Gegend um den Jordan zu ihm heraus … aus den pharisäischen und sadduzäischen Gruppen.“ Bei Lukas werden besonders die Zöllner und Soldaten hervorgehoben, die sich an ihn wandten und fragten, was sie tun sollten. Er forderte sie auf, sich an ihre Vorschriften zu halten, nicht zu übervorteilen, nicht zu erpressen und nicht gewalttätig zu sein. - Er verlangte von den Menschen die zu ihm kamen nichts geringeres als einen kompletten Neuanfang. Er nannte sie „Natternbrut“, schimpfte sie, weil sie glaubten als Nachkommen Abrahams und Saras sich darauf verlassen zu können, etwas besseres zu sein und drohte: „Jeder Baum, der nicht gute Frucht bringt, wird umgehauen und ins Feuer geworfen.“
Beliebt gemacht hat er sich damit bei der Tempelobrigkeit und wie wir wissen auch bei Herodes nicht. So ein Radikaler, der praktisch alles, womit man sich eingerichtet hat in Frage stellt, der keinen Stein auf dem anderen lässt, der selbst religiöse Grundfesten erschüttert und niederreisst, indem er das vertraute Gottesbild in Frage stellt, der wird für das Establishment unbequem, gefährlich. Er bezahlte, ebenso wie Jesus, mit seinem Leben.
Siegfried Zimmer, emeritierter Professor für evangelische Theologie und Religionspädagogik an der Pädagogischen Hochschule in Ludwigsburg, interpretierte in seinem Vortrag über Johannes den Täufer bei einem „Worthaus“-Seminar die Lage der Taufstelle auf der östlichen Seite in etwa so: Sie liegt jenseits des „Gelobten Landes“. Mir der Besiegelung des Neuanfangs durch die Taufe, das Untertauchen, war ein Neu-Einzug in das Land der Verheißung möglich.
Nach den vielen neuen Kirchenskandalen, die einen Bischof, Heiner Wilmer von Hildesheim, sogar dazu bringen zu sagen, das Übel liege in der DNA der Kirche, frage ich mich schon, ob wir nicht einen Johannes bräuchten. Einen, der erschüttert und niederreisst. Der Kirche dazu bringt, sich nackt zu machen, unterzutauchen. Nackt nicht nur im Sinne von arm. Nackt auch, was ihre Selbstgewissheit und Selbstbezogenheit angeht.
Ja, je länger ich für Kirchenreform eintrete, je länger ich, wie bei den Propheten und Gottesmenschen im Alten Testament ganz üblich, die Gottesfrage stelle, je mehr ich Gott in meinem Leben als Quelle und Ursprung wahrnehme, desto mehr erlebe ich unsere Kirche, mit all ihrem Festhalten an Traditionen, Lehren, und Gebräuchen als ein Skelett. Ein Skelett, das nicht mehr lebt, weil sie vergessen hat, wie wichtig es ist, Gott zu suchen, immer wieder neu zu finden. Gott lässt sich nicht festhalten, wir können uns kein Bildnis machen. Eine sozusagen Gott-lose Kirche, das wäre ein Neuanfang.
Sigrid Grabmeier
Bild: Carl Hasenpflug, Kloster Walkenried im Schnee
Siegfried Zimmer, Vortrag: Johannes der Täufer ein prophetisches Phaenomen
Zu den Archäologischen Studien am Jordan: Al-Maghtas