Sonntagsbrief zum Pfingstsonntag, 9. Juni 2019

8. Juni 2019 von Magnus Lux

Pfingsten: nur ein Feiertag? Pfingsten: eine gefährliche Erinnerung!


Katholikentag Münster 2018 Abschlussgottesdienst, Christian Pulfrich

Wer geistgewirkte Worte spricht, wird niemals sagen: „Verflucht sei Jesus“. Und niemand vermag zu sagen: „Ich gehöre zu Jesus“ – es sei denn in der Geistkraft Gottes. Es gibt Unterschiede in den geschenkten Fähigkeiten, doch sie stammen aus derselben göttlichen Geistkraft. Es gibt Unterschiede in den Arbeitsfeldern, doch der Auftrag dazu kommt von ein und derselben Ewigen. Es gibt Unterschiede in den Fähigkeiten, doch es ist derselbe Gott, der in allen alles in gleicher Weise bewirkt; den Einzelnen offenbart sich die Geistkraft zum Nutzen aller. Der einen wird durch die Geistkraft die Fähigkeit zum Denken und Reden in Weisheit gegeben, einem anderen durch denselben Geist die Fähigkeit, Offenbarungen weiterzugeben. Der nächsten wird Vertrauen gegeben – von derselben Geistkraft –, einem anderen wiederum die Fähigkeit zu heilen – durch die eine Geistkraft –, eine andere erhält die Fähigkeit, Wunder zu tun, der nächste die Gabe zu prophezeien, oder eine andere die Fähigkeit, kritisch zu prüfen, ob alles tatsächlich durch die Geistkraft bewirkt wird. Andere bekommen die Fähigkeit, eine besondere Sprache Gott gegenüber zu sprechen, und wieder andere können sie deuten. Alles dieses wirkt eine und dieselbe Geistkraft, die sich den Einzelnen mitteilt, so wie sie es will.

Denn wie der Körper eine Einheit ist und doch viele Teile hat, alle Teile des Körpers also die Einheit des Körpers ausmachen, so verhält es sich auch mit Christus. 

1 Kor 12, 3b-12 Bibel in gerechter Sprache

 

Pfingsten: nur ein Feiertag? Pfingsten: eine gefährliche Erinnerung!

Oh, das ist ja ganz ein Text, wie ihn sich manche Kleriker wünschen: „Es gibt Unterschiede in den geschenkten Fähigkeiten, doch sie stammen aus derselben göttlichen Geistkraft.“ Der eine ist eben Papst, der andere Kardinal oder Bischof, wieder ein anderer Priester oder Diakon. Und dann gibt es noch andere Charismen, also Gnadengaben Gottes, die natürlich alle ganz wichtig sind. Alle Teile des Körpers machen die Einheit aus; jede und jeder soll den Platz ausfüllen, den ihm Gott zugewiesen hat – ?? Vielleicht haben diesen Platz die sogenannten Kleriker den sogenannten Laien zugewiesen und gar nicht Gott?

Ein Text, wie ihn sich Kleriker wünschen? Na ja, nur dann, wenn man nach der Aufzählung der Charismen den abschließenden Satz weglässt: „Alles dieses wirkt eine und dieselbe Geistkraft, die sich den Einzelnen mitteilt, so wie sie es will.“ Kleriker müssen sich vorhalten lassen, dass sie diesem Wort nicht vertrauen: „so wie
sie es will“. Sie müssen sich vorhalten lassen, dass sie die Geistkraft kanalisieren wollen, wenn sie nur sich „Geistliche“ nennen. Paulus betont den Geschenkcharakter der Charismen, unverfügbar und frei. Nach ihm gebührt jedem und jeder der Ehrentitel „Kleriker“, denn das heißt „von Gott Erwählte“. Nach ihm sind alle „Geistliche“. Eine Zwei-Klassen-Kirche gibt es nicht.

Das Evangelium vom heutigen Pfingstfest, Joh 14,15-16.23b-26, unterscheidet wieder einmal die einen von den anderen: „Alle, die mich lieben, werden mein Wort halten. Und Gott wird sie lieben und wir werden zu dieser Quelle allen Lebens gehen und bei ihr wohnen. Alle, die mich nicht lieben, halten meine Worte nicht.“ Es ist nicht von vornherein ausgemacht, dass die Kirchenleiter die sind, die ihn lieben und sein Wort halten. Genaugenommen halten sie sich in vielem nicht an die Worte des Herrn und haben im Laufe der Geschichte der Kirche das selbstgemachte Kirchenrecht über die Worte der Frohen Botschaft vom Reich Gottes gestellt.

Was also können wir uns an diesem Pfingstfest vor Augen halten? „Die heilige Geistkraft, 
die Gott in meinem Namen schicken wird, wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.“ Es ist eine gefährliche Erinnerung; denn sie ruft uns dazu auf, darauf zu hören, was die Geistkraft uns sagen will, und zwar ungefiltert durch Papst und Bischöfe und Priester, die oft meinen, sie allein hätten den richtigen Draht zum Heiligen Geist. Nein: Der Geist weht, wo er will! Wir müssen nur seine leise Stimme vernehmen im Getöse der Vorschriften und Gebote, die oft mit selbstgerechtem Ton als der „wahre Glaube“ daherkommen.

Magnus Lux 

 

Bildnachweis: Ein Volk der Erwählten

Katholikentag Münster 2018 Abschlussgottesdienst, Christian Pulfrich

 

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