Sonntagsbrief zum Palmsonntag 25. März 2018

23. März 2018 von Günther Doliwa

Im Namen des Esels – Aufruf zum Friedensfest

Kirchenfenster St. Magdalena Herzogenaurach ©G.Doliwa

Als sie in die Nähe von Jerusalem kamen, nach Betfage und Betanien am Ölberg, schickte er zwei seiner Jüngerinnen und Jünger mit folgenden Worten los: „Geht in das Dorf vor euch und gleich, wenn ihr hineinkommt, werdet ihr einen jungen Esel angebunden finden, auf dem noch kein Mensch gesessen hat. Bindet ihn los und führt ihn her. Falls euch jemand fragt: ´Was tut ihr da?`, dann antwortet: ´Der Lehrer braucht ihn und schickt ihn gleich wieder hierher zurück`.“

Da gingen sie, fanden einen jungen Esel an einer Tür außen auf der Straßenseite angebunden und banden ihn los. Einige der dort Stehenden sprachen sie an: „Was bindet ihr dieses Jungtier los?“ Sie antworteten, wie Jesus geraten hatte, und sie ließen sie gehen. Sie führten den jungen Esel zu Jesus, legten ihre Obergewänder darauf, und er setzte sich auf ihn. Viele breiteten ihre Obergewänder auf dem Weg aus, andere Laubbüschel, die sie auf den Feldern abgeschnitten hatten. Die Vorangehenden und die Nachfolgenden riefen laut: „Hilf doch! Gesegnet sei, wer im Namen GOTTES hereinkommt! Gesegnet sei das kommende Reich unseres Vorfahren David! Hilf doch, Du in der Höhe!“

Mk 11, 1-10 Bibel in gerechter Sprache

 

Im Credo überwiegt die Opfer-Passion, also das angeblich gehorsame Leiden und Sterben. Die Aktion, die leidenschaftliche Liebes-Passion, das engagierte Auftreten, die entschiedene Parteinahme für die Ärmsten der Armen Jesu kommt darin gar nicht vor. Passion schlägt Aktion. Eine folgenschwere Einladung zur Entmündigung. Eine Unfähig-Erklärung zur Moderne, die dringend zurückgenommen werden muss. Dagegen gilt: Jesus lebt eine Leidenschaft, eine Herzens-Passion für das, was er Reich Gottes, Reich des Vaters (nicht der Väter!) nennt; er predigt eine völlige Umwertung der gängigen Werte der Welt, die in seinen Seligpreisungen gipfelt. Diese jesuanische Wende stellt das menschliche Koordinatensystem richtig.

Die Entdeckung des irdischen, aktiven Jesus könnte uns umdenken lassen und bereichern. Sie könnte, längst überfällig, die theologischen Schwerpunkte verlagern. Ein Credo von unten wäre zu formulieren, ein Kleine-Leute-Credo. Die Neu-Entdeckung des Jesus in Farbe könnte konkret am Palmsonntag der (Macht-)Welt und aller Welt-Macht heilsam den Spiegel vorhalten und einen anderen Frieden feiern; könnte Jesus als Friedens- und Kinderkönig auf dem geduldigen, belastbaren Esel in den Mittelpunkt stellen, der alle anderen Herrschaften der Erde aufs Schönste und Schärfste kontrastiert, ja karikiert und zur Abdankung zwingt, die nur komfortabel herrschen statt dienen wollen. Man würde nicht mehr studieren, wer wem mit welcher Geste der Überlegenheit die staatsmännische Hand reicht.

Erstaunlich, dass Jesus ortskundig weiß, welchen Esel sie holen sollen. Und die Besitzer vertrauen ihm leihweise das Fohlen an, das nie jemand jemals geritten hat, in gegenseitigem Vertrauen. Der Gerechte reitet anti-triumphal. Und der Jubel des Volkes umschwirrt ihn, die Mächtigen müssen entsetzt gewesen sein; der Boden ist kostbar mit Kleidern bereitet, Palmzweige werden geschwenkt. Palmen und Psalmen grüßen. Jesu Aura beherrscht die Luft. Hosanna, (Bring Hilfe!), ein Hoch auf den Kinderkönig! David wäre entzückt. So klein und volksfestlich kann der Friede daherkommen. Visionen werden wahr.

Gleichsam innehaltend als Erfüllung des Magnifikats Marias könnten die Kirchen am Palmsonntag ein buntes, Tücher, Hüte und Zweige schwenkendes Friedensfest gestalten zur Feier der gewaltfreien Art Jesu. Doch wo sie so verliebt sind in den Beginn des Leidens, das Erlösungscharakter haben soll, überdecken sie den friedvollen Einzug in Jerusalem und tragen im falschesten Moment überstürzt den Leidensweg vor, wobei dann womöglich noch die (Gottes-) Verzweiflung Jesu überspielt und unterschlagen wird. Ein frühlingshaftes Palmsonntagfriedensfest könnte uns von der irrigen Vorstellung abbringen, Nachfolge sei hauptsächlich: Demut, Augensenken, Gehorsam, Unterwerfung, Erfüllung eines fremden Willens.

Die Fragen nach Jesu Vollmacht sind verstummt. Intrigen laufen auf seine Beseitigung zu. Im Vernichten des Boten der Frohen Botschaft offenbart sich das ganze gotteslästerliche Tun des Menschen, das zugleich menschenlästerlich ist. Die Botschaft lebt weiter. Wenn wir schweigen, schreien die Steine! Sagt Jesus beim Einzug in Jerusalem. „Selbst die Steine werden singen!“ habe ich 1998 meine erste CD genannt. Jesu letzte Tage kommen. Jerusalem leuchtet. Wolfgang Borcherts Wort passt hierher: „Vielleicht sind wir voller Ankunft zu einem neuen Lieben, zu einem neuen Lachen, zu einem neuen Gott.“ Die Entdeckung des irdischen Jesus könnte uns dazu ermutigen, ein Dankgebet an die Erde zu richten. Den Sinn der Erde zu entdecken. Es könnte uns dazu verführen, das Leben dankbar zu feiern und unentwegt kleine Brücken zu bauen für die große Versöhnung und den von ganzem Herzen ersehnten Frieden.

Günther M. Doliwa

Herzkönig

Lied zum Palmsonntag

 

 

Wie kein König - auf dem Esel
Zog er nach Jerusalem;
Wo ihm droh’ n Verrat und Fessel,
Dem Prophet, der unbequem.
Denn er lehrt den Weg der Wahrheit,
Die nicht nach den Menschen schielt.
Ihm, der Güte in Person,
Wurde übel mitgespielt.
 
Riesengroß war da die Freude,
Als das Tier zur Stadt einschritt.
Palmzweig winkend kleine Leute,
Umjubelt er zum Tempel ritt.
Wo er austrieb die Verkäufer:
Ein Geschäft ist kein Gebet!
Wie Johannes einst, der Täufer,
Dem’ s erging wie’s ihm ergeht.
 
Seine Gegner, die verlangen
Seinen Tod zum Osterfest.
Richter, Priester, Schergen fangen
Ihn, der niemand bluten lässt.
Dem Herzkönig gilt das eine:
Recht zu handeln, Gott vernarrt.
Wenn wir schweigen, schreien Steine,
Die man fälschlich glaubt erstarrt.
 

 

Licht geblendet, Herzensharte,
Weil er so viel Zeichen tat;
Weil er Leute um sich scharte,
Die man aufgegeben hat.
Weil er zart das Leben weckte,
Läuft die ganze Welt ihm nach;
Weil er Oberreiche schreckte,
Arme stärkte, hundertfach.
 
Wie der Esel dient dem Plane,
So selbst Judas mit dem Kuss,
So entlarvt sich Mordsschikane;
Und es kommt, was kommen muss.
Als der Schauprozess geendet,
Grausamkeit ward bloßgestellt.
Wie die Liebe sich verschwendet,
Schwindet Böses aus der Welt.
 
Wie die Liebe sich verschwendet,
Wie die Liebe Zinsen trägt,
Wie sie Fried-Signale sendet,
Wie sie sich durch Felsen sägt,
Wie sie Menschen neu erfindet,
Wie sie neue Chancen gibt,
Wie sie schwache Glut entzündet,
Wie sie sie selbst ist, weil sie liebt.
 

 Aus: Günther M. Doliwa, Glaube Liebe Hoffnung 2013 Bd. II, S. 108ff , Herzkönig, S. 218

Bild: Kirchenfenster St. Magdalena Herzogenaurach, Foto © Günther M. Doliwa,

 

 

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