Sonntagsbrief zum Neujahrstag, Mittwoch, 1. Januar 2025

31. Dezember 2024 von Sigrid Grabmeier

Zum Neuen Jahr

Gott! Sie schenke uns ihre Zuneigung und segne uns.
Sie lasse ihr Antlitz leuchten bei uns.
Damit man auf der Erde deinen Weg erkenne,
unter allen Völkern dein Befreien.
Es sollen dich loben die Völker, Gott.
Es sollen dich loben alle Völker zusammen.
Die Nationen sollen sich freuen und ihre Freude laut in die Luft werfen –
ja, du richtest die Völker in Geradlinigkeit.
Den Nationen auf der Erde zeigst du deinen Weg.
Es sollen dich loben die Völker, Gott.
Es sollen dich loben alle Völker zusammen.
Die Erde gab ihren Ertrag. Es segne uns Gott, unsere Gottheit.
Es segne uns Gott. Es sollen Gott fürchten alle Enden der Erde.

Psalm 67 Bibel in gerechter Sprache

 

Zum Neuen Jahr

Mit diesem Segenspsalm, der für den 1. Januar in der Leseordnung zwischen 2. Lesung und Evangelium vorgesehen ist, möchte ich uns in das Neue Jahr hineinführen. Ich empfinde diesen Text als überaus heilsam, Hoffnung spendend und von der Zuneigung Gottes sprechend. Mir kam beim Lesen sogleich die Weltehos-Stiftung von Hans Küng in den Sinn, die sich seit 1993 dafür einsetzt, die ethischen Grundlagen für eine humanere und demokratischere Weltordnung zu formulieren.

 

Die Grundüberzeugungen des Projektes Weltethos sind

kein Zusammenleben auf unserem Globus ohne ein globales Ethos
kein Frieden unter den Nationen ohne Frieden unter den Religionen
kein Frieden unter den Religionen ohne Dialog zwischen den Religionen
kein Dialog zwischen den Religionen und Kulturen ohne Grundlagenforschung
kein globales Ethos ohne Bewusstseinswandel von Religiösen und Nicht-Religiösen

 

Auch wenn wir immer wieder erfahren, welche Konflikte durch das Aufeinandertreffen von Religionen hervorgerufen werden, sollten wir uns immer wieder in Erinnerung rufen, dass es vorwiegend schlechten Nachrichten sind, die uns durch die Medien nahe gebracht werden und die unser Sichtweise darauf prägen. Wir dürfen durchaus die Hoffnung haben, dass durch den Dialog der Religionen eine friedfertigere und menschenfreundlichere Welt entstehen kann, denn es gibt viele Gemeinsamkeiten, die die großen Religionen dieser Welt teilen. Oftmals sind es nicht die religiösen Grundsätze, die ein gedeihliches Miteinander verhindern, sondern ethnische, kulturelle und zum Teil vor-religiöse Haltungen und Überzeugungen, die die Konflikte befeuern. Und ein weiterer Aspekt, nämlich die Ausschließlicheitsforderung durch führende Religionsvertreter, die damit auch ihre Machtpositionen verteidigen, wenn es sein muss auch mit kriegerischen Mitteln.

 

In der Erklärung zum Weltehos, verabschiedet vom „Parlament der Weltreligionen“ im September 1993 heißt es dazu:

„In einer solch dramatischen Weltlage braucht die Menschheit nicht nur politische Programme und Aktionen. Sie bedarf einer Vision des friedlichen Zusammenlebens der Völker, der ethnischen und ethischen Gruppierungen und der Religionen in gemeinsamer Verantwortung für unseren Planeten Erde. Eine Vision beruht auf Hoffnungen, auf Zielen, Idealen, Maßstäben. Diese aber sind vielen Menschen überall auf der Welt abhandengekommen. Und doch sind wir davon überzeugt: Gerade die Religionen tragen trotz ihres Missbrauchs und häufigen historischen Versagens die Verantwortung dafür, dass solche Hoffnungen, Ziele, Ideale und Maßstäbe wachgehalten, begründet und gelebt werden können. Das gilt insbesondere für moderne Staats­wesen: Garantien für Gewissens­ und Religionsfreiheit sind notwendig, aber sie ersetzen nicht verbindende Werte, Überzeugungen und Normen, die für alle Menschen gelten, gleich welcher sozialen Herkunft, welchen Ge­schlechts, welcher Hautfarbe, Sprache oder Religion.“

 

Die Welthethos-Erklärung will „unverrückbare, unbedingte ethische Normen in Erinnerung rufen“, die Leitlinien sein sollen „um Lebensrichtung und Lebenswerte, Lebenshaltungen und Lebenssinn immer wieder neu zu finden und zu verwirklichen“. Darin sind Grundsätze beschrieben, die sich in allen Weltreligionen wiederfinden:

 

1.Verpflichtung auf eine Kultur der Gewaltlosigkeit und der Ehrfurcht vor allem Leben,
2.Verpflichtung auf eine Kultur der Solidarität und eine gerechte Wirtschaftsordnung,
3.Verpflichtung auf eine Kultur der Toleranz und ein Leben in Wahrhaftigkeit,
4.Verpflichtung auf eine Kultur der Gleichberechtigung und die Partnerschaft von Mann und Frau.

Als weitere Verpflichtung ergibt sich eine fünfte aus den vorhergehenden :

5.Verpflichtung auf eine Kultur der Nachhaltigkeit und der Sorge für die Erde 

 

Für mich sind das „Heilige“ Ziele, denn sie entsprechen dem, was z.B. in den zehn Geboten oder auch in der dem Gebot der Nächstenliebe des Jesus, den wir als Retter, Erlöser, Christus bekennen, finden. 

Wir gehen in eine „Heiliges“ Jahr, so verkündet es der Papst. Leider, so muss ich feststellen, schafft er es nicht, sich von der seit 1300 währenden Ablass- und Abkassiertradition seiner Vorfahren zu befreien. Der Pilgertourismus nach Rom, das Durchschreiten Heiliger Pforten und die Reliquienverehrung scheinen mir jedoch nicht das zu sein, was wirklich einen Beitrag zu einem Heiligen Jahr leistet. Franzikus hat aber, und da bin ich sehr dankbar, noch eine andere Botschaft:

 

„Das bevorstehende Jubiläum kann viel dazu beitragen, ein Klima der Hoffnung und des Vertrauens wiederherzustellen, als Zeichen eines neuen Aufbruchs, dessen Dringlichkeit wir alle spüren. Aus diesem Grund habe ich das Motto Pilger der Hoffnung gewählt. All dies wird jedoch nur möglich, wenn wir den Sinn für universelle Brüderlichkeit wiedergewinnen, wenn wir unsere Augen nicht vor dem Drama der grassierenden Armut verschließen, die Millionen von Männern, Frauen, Jugendlichen und Kindern an einem menschenwürdigen Leben hindert. Ich denke besonders an die vielen Flüchtlinge, die gezwungen sind, ihr Land zu verlassen. Mögen die Stimmen der Armen in dieser Zeit der Vorbereitung auf das Jubiläum gehört werden, während dessen nach dem biblischen Gebot allen der Zugang zu den Früchten der Erde zurückerstattet wird: »Der Sabbat des Landes selbst soll euch ernähren: dich, deinen Knecht, deine Magd, deinen Lohnarbeiter, deine Beisassen, alle, die bei dir leben. Auch deinem Vieh und den Tieren in deinem Land wird sein ganzer Ertrag zur Nahrung dienen« (Lev 25,6-7).“ Brief von Papst Franziskus zum Heiligen Jahr

 

Dessen eingedenk wollen wir, gesegnet mit der Zuneigung Gottes gehen in ein neues Jahr.

 

„Es sollen dich loben alle Völker zusammen.
Die Erde gab ihren Ertrag. Es segne uns Gott, unsere Gottheit.
Es segne uns Gott. Es sollen Gott fürchten alle Enden der Erde.“

 

Sigrid Grabmeier

Zurück