Sonntagsbrief zum Karfreitag, 14. April 2017
13. April 2017 von Eva-Maria Kiklas
Judas
Als Jesus dies gesagt hatte, ging er mit seinen Jüngerinnen und Jüngern hinaus, auf die andere Seite des Wadi Kidron. Dort war ein Garten, in den er und seine Jüngerinnen und Jünger hineingingen. Auch Judas, der ihn auslieferte, kannte den Ort, weil Jesus dort oft mit ihnen zusammen war. Judas nahm also eine Kohorte römischer Soldaten und Leute der Hohenpriester und der Pharisäerinnen und Pharisäer mit sich und kam mit Laternen, Fackeln und Waffen dorthin. Da Jesus alles wusste, was auf ihn zukommen würde, kam er heraus und sagte zu ihnen: „Wen sucht ihr?“ Sie antworteten ihm: „Jesus aus Nazaret.“ Da sagte er zu ihnen: „Ich bin es.“ Aber auch Judas, der ihn auslieferte, stand bei ihnen.
Joh 18,1-5
(das vollständige heutige Evangelium umfasst Joh 18, 1 – 19, 42)
Ende März erlebte ich einen Abend in der Dresdner Kreuzkirche mit dem Schauspieler Ben Becker mit dem Titel „ Ich, Judas“ nach Werken von Walter Jens und Amos Oz. In einem großen Monolog schlüpft der Schauspieler in die Rolle des Judas und verteidigt seinen angeblichen „ Verrat „ an Jesus. Dieser sei eine Verabredung mit Jesus gewesen , um das Erlösungswerk in Gang zu setzen, in dem er die Rolle des Initiators spielen musste im Gehorsam Gott gegenüber , der ihm diese zugedacht hatte. Er sieht sich nicht als „Verräter“, sondern als „Opfer“ - als Opferlamm. Er trägt in der Aufführung einen langen weißen Lammfellmantel. Doch das Wissen, seinen Freund Jesus ans Kreuz genagelt zu haben, treibt ihn in den Selbstmord. Also Opfer Nr. 2!
Aber was ist das für ein Gottesbild: ein Gott, der zwei Menschenleben fordert, um sich mit der Menschheit versöhnen zu können? Mit dem liebenden Vater, den Jesus erlebt und gepredigt hat, hat dieser Rachegott nichts zu tun. „Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer“. Dass Gott keine Menschenopfer will, ist in der Geschichte der Opferung des Isaak im Alten Testament ausgedrückt. Dass Gott sich nicht bestechen lässt durch materielle Opfergaben, wie sie bei den Juden üblich waren, macht Jesus durch die Tempelreinigung deutlich. Möglicherweise hat diese kurz vor seiner Festnahme stattgefunden. Jesus verwarf damit den Tempelkult der Juden, aber auch das sehr einträgliche Geschäft der Hohenpriester; und das auch noch vor dem sehr lukrativen des Paschafestes. Jesus war in den Augen der Hohenpriester, des Hohen Rates und des Pilatus ein Unruhestifter in der ohnehin aufgeheizten, unruhigen Stadt. Deshalb musste er weg. Sein Tod war ein politischer Mord und kein Sühneopfer, das Gott forderte. Die Theologie des Sühneopfers hat vor allem Paulus betont, wenn er schreibt, dass ohne das Kreuz und die Auferstehung unser Glaube nichts wäre. Aber ist nicht das , was Jesus gelebt und gepredigt hat das Wichtigste ?
Am Schluss des Abends „Ich, Judas“ stellt Judas die Frage, was wäre, wenn er zu der Forderung Gottes, Jesus zu verraten, nein gesagt hätte? Dieses Nein schreit er mehrere Male in die Kirche . Was wäre, wenn Jesus noch 40, 50 Jahre gelebt hätte und als gütiger alter Mann gestorben wäre? Judas überlegt, was dann geschehen, bzw. nicht geschehen wäre?
Diese Thesen haben mich sehr überrascht und nachdenklich gemacht. Aber die verrate ich Ihnen nicht, sondern empfehle diese Gedanken als Karfreitagsmeditation: Was wäre wenn.....
Ein erlösendes Osterfest wünscht Ihnen Ihre
Eva- Maria Kiklas
Bildnachweis: Judas mit einem Diadem aus Silbermünzen 1901. Gemälde vonEdward Franciszek Mateusz Okuń, polnischer Maler und Illustrator, 1872-1945, zu dem Gedicht des polnischen Autors Jan Kasprowicz's poem "Judas" von 1901 (Depot des Nationalmuseums Warschau)
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Okuń_Judas.jpg?uselang=de