Sonntagsbrief zum „Hochfest des Leibes und Blutes Christi“ 15. Juni 2017

13. Juni 2017 von Eva-Maria Kiklas

Das Brot des Lebens kauen

Kurdisches Fladenbrot

„Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgestiegen ist; alle, die von diesem Brot essen, werden ewig leben. Das Brot aber, das ich geben werde, ist mein Körper für das Leben der Welt.“ Die anderen jüdischen Menschen stritten nun miteinander und sagten: „Wie kann uns dieser seinen Körper zu essen geben?“ Jesus sagte ihnen: „Amen, amen, ich sage euch: Wenn ihr nicht den Körper des erwählten Menschen esst und sein Blut trinkt, habt ihr kein Leben in euch. Alle, die meinen Körper kauen und mein Blut trinken, haben ewiges Leben, und ich werde sie auferwecken am letzten Tag. Denn mein Körper ist die wahre Nahrung, und mein Blut ist das wahre Getränk. Alle, die meinen Körper kauen und mein Blut trinken, bleiben in mir und ich in ihnen. So wie mich der lebendige Gott gesandt hat und ich aus dieser Quelle lebe, so werden auch alle aus mir leben, die mich kauen. So ist das Brot, das vom Himmel herabgestiegen ist: Nicht so wie das Brot, das die Eltern aßen und starben; sondern: alle, die dieses Brot kauen, werden ewig leben.“

Johannes 6, 51-58 Bibel in gerechter Sprache

Diese Worte im Johannesevangelium lösen Empörung aus, damals zu Zeiten Jesu und auch heute noch. Ich habe selbst schon als Vorwurf gegen die katholische Kirche gesagt bekommen, dass unser Verständnis von Eucharistie Kannibalismus ist. Wie mag Jesus diese Worte „Ich bin das lebendige Brot und die von mir essen, werden ewig leben“ gemeint haben ? Als ich die Bibel in gerechter Sprache aufschlug in der Hoffnung, dort größere Klarheit zu finden, erschrak ich noch mehr. Hier steht nicht nur „essen“, sondern sogar „kauen“. Dabei fiel mir absurderweise ein, dass in meiner Kindheit das strenge Verbot bestand, die heilige Hostie zu kauen. Aber warum provoziert Jesus so? Seine Provokation zeigte auch damals Wirkung: „Brutal ist diese Rede, wer kann sie anhören?“ heißt es in Vers 60. Darauf zogen sich viele Jüngerinnen und Jünger zurück und wanderten nicht mehr mit ihm. Und Jesus sah das voraus. Warum stößt Jesus seine Anhänger so vor den Kopf ? Will er ihren Glauben an ihn prüfen, ihr Verstehen schulen – auch im Hinblick auf seine Verhaftung - ,dass Vieles nur ein Bild ist, hinter dem eine andere Wirklichkeit steht? So ist sein „Fleisch“ er selbst, als Vorbild, sein Leben, seine Worte, seine Lehre. In Vers 63 erklärt Jesus, was er meint: „Die Geistkraft macht lebendig, die Materie nützt nichts. Die Worte, die ich Euch gesagt habe, sind Geistkraft und Leben.“ So hieße das „Kauen“ die intensive Beschäftigung mit seinen Worten und die Bereitschaft, in seine Nachfolge einzutreten.

Diese Überlegungen betreffen auch unsere Auffassung über das, was in jeder Eucharistiefeier geschieht. Wird die Hostie Kraft der Worte des Priesters in Jesu Leib verwandelt, den wir dann „essen“ oder sollten nicht wir uns in jeder Mahlfeier verwandeln lassen in Menschen, die nicht nur an sich selbst denken, sondern auch an den Nächsten, die sich für Gerechtigkeit und Frieden in der Welt und in ihrem Umfeld einsetzen und sich in der Mahlgemeinschaft Geistkraft und Liebesfähigkeit zusprechen lassen durch Jesus und untereinander, und das Brot miteinander teilen als Wegzehrung für diesen Weg? Wo alle eingeladen sind und keiner ausgeschlossen wird?

Heute fand ich in meiner Tageszeitung einen Ausspruch des Philosophen Karl Jaspers: „Der Mensch steht heute vor der Alternative: Untergang des Menschen oder Wandlung.“ - Gilt das nicht auch für unsere Kirchen ?

Eva Maria Kiklas

Bild: Kurdisches Fladenbrot © MikaelF 

 

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