Sonntagsbrief zum Hochfest Aufnahme Mariens in den Himmel, 15. August 2022
14. August 2022 von Eva-Maria Kiklas
MAGNIFICAT
Meine Seele lobt die Lebendige,
und mein Geist jubelt über Gott, die mich gerettet hat.
Sie hat auf die Erniedrigung ihrer Sklavin geschaut.
Seht, von nun an werden mich alle Generationen glücklich preisen,
denn Großes hat die göttliche Macht an mir getan,
und heilig ist ihr Name.
Ihr Erbarmen schenkt sie von Generation zu Generation
denen, die Ehrfurcht vor ihr haben.
Sie hat Gewaltiges bewirkt.
Mit ihrem Arm hat sie die auseinander getrieben,
die ihr Herz darauf gerichtet haben,
sich über andere zu erheben.
Sie hat Mächtige von den Thronen gestürzt und
Erniedrigte erhöht,
Hungernde hat sie mit Gutem gefüllt
und Reiche leer weggeschickt.
Sie hat sich Israels, ihres Sklavenkindes, angenommen
und sich an ihre Barmherzigkeit erinnert,
wie sie es unseren Vorfahren zugesagt hatte,
Sara und Abraham und ihren Nachkommen für alle Zeit.
Lk 1, 46-5 Bibel in gerechter Sprache
Magnificat
Das Magnificat! - Was für ein starker Text! Ich singe und bete ihn gern, weil er meinem Zorn über die Ungerechtigkeit in der Welt und in der Kirche Ausdruck verleiht. Er paßt aber nicht zu dem Bild von der Mutter Jesu, das wir von der Marienverehrung und auch von der bildenden Kunst her kennen: Maria als die demütige „Magd des Herrn“, die so bis in die jüngere Vergangenheit das christliche Frauenbild prägte. Wenn Lukas den Text des Magnificat Maria in den Mund legt, dann zeigt das, wie Lukas und die ersten Jesusgemeinden die Rolle und die Persönlichkeit der Mutter Jesu sahen: eine Revolutonärin, eine Aufmüpfige, die die herrschenden gesellschaftlichen Zustände kritisiert und auf den Kopf stellt - und eine Visionärin in Bezug auf das „Reich Gottes", um das es Jesus geht. Darin spielt Gerechtigkeit, auch die soziale, eine wichtige Rolle. Gerechtigkeit ist das am meisten vorkommende Wort in der Bibel. Hubertus Halbfas schreibt in seinem Bibelkommentar: „Das gesamte ( Lukas) Evangelium durchzieht eine soziale Botschaft....Lukas stellt die freiwillige Armut der Jünger Jesu heraus, die alles aufgegeben haben, um Jesus nachfolgen zu können. Dabei versteht er die Armut der Jünger als Kritik an den Reichen der eigenen Zeit."
Aber Gerechtigkeit umfasst ja nicht nur das Thema Armut -Reichtum, sondern fordert auch gleiches Recht für alle, wie es Paulus beschreibt(Gal.3,28): „Da ist nicht jüdisch noch griechisch, da ist nicht versklavt noch frei, da ist nicht männlich noch weiblich: denn alle seid ihr einzig - einig im Messias Jesus". Aber diese Gerechtigkeit ist weder in der Gesellschaft noch in der Kirche bis heute verwirklicht. So hat sich die Bewegung der Frauen, die um Geschlechtergerechtigkeit in der Kirche kämpft, den Namen "Maria 2.0 "gegeben, die Maria des Magnificat. Aber wir schreiben inzwischen das Jahr 2022! Dass nach fast 2 Jahrtausenden gegenüber Frauen in allen Ländern der Erde noch immer eine schreiende Ungerechtigkeit herrscht, ist leider ein erschreckende Tatsache, deren Beseitigung eine der wichtigsten Aufgaben für die Zukunft ist. In der Gesellschaft scheint das Bewusstsein, dass die Ungleichheit der Geschlechter beendet werden muß, aufzubrechen. Man wird sich auch des Potenzials bewußt, das Frauen einbringen können und auf das man bei der Komplexiität der Welt nicht mehr verzichten kann. Und wenn die katholische Kirche diese Tatsache weiter ignoriert, wird sie nach der Jugend auch die Frauen verlieren. Es wäre eigentlich ihre Aufgabe in der Nachfolge Jesu gewesen, sich für Gerechtigkeit einzusetzen und dafür zu kämpfen, besonders auch für Frauen. Aber so lange sie nicht selbst allen getauften Christ*innen gegenüber Gerechtigkeit walten läßt, hat sie kein Recht, diese von der Gesellschaft zu fordern. Deshalb bleiben:
frauenfragen
wenn eine frau
das WORT geboren hat
warum sollten frauen dann
das wort nicht von der kanzel künden
wenn eine frau
für ihr zuhören gelobt wird
warum sollten frauen dann
das gelernte nicht auch lehren
wenn eine frau
die füße jesu küsste
warum sollten frauen dann
den altar nicht küssen können
wenn eine frau
den leib christi salben konnte
warum sollten frauen dann
nicht zum salbungsdienst befähigt sein
wenn eine frau
jesu sinneswandlung durch ein brotwort wirkte
warum sollten frauen dann
bei der wandlung nicht das brotwort sprechen
wenn eine frau
von jesus krüge voller wein erbitten konnte
warum sollten frauen dann
über einen kelch mit wein nicht auch den segen beten
wenn eine frau
den jüngern als apostolin vorausging
warum sollten frauen dann
zur apostelnachfolge nicht auch gerufen sein
Andreas Knapp, veröffentlicht in „Christ in der Gegenwart" 22 / 2015
Ihnen allen einen schönen Feiertag
Eva- Maria Kiklas
Kirchliche Reformgruppen, Betroffeneninitiativen sowie katholische Verbände und Initiativen treffen sich am Samstag 24. und Sonntag 25. September 2022 in Köln bei einer
„Wir gehen schon mal voran – für eine synodale Kirche der Zukunft“
und laden auch alle Interessierten und Engagierten aus nah und fern herzlich dazu ein.