Sonntagsbrief zum Gründonnerstag 29. März 2018

29. März 2018 von Tobias Grimbacher

...für euch und mit euch...

©Tobias Grimbacher

 

Denn ich habe von unserem Befreier empfangen, was ich euch weitergegeben habe, nämlich: In der Nacht, in der er übergeben wurde, nahm der, dem wir angehören, Jesus, das Brot. Er sprach den Segen, brach das Brot und sagte: »So ist mein Leib für euch; das tut zur Erinnerung an mich.« Nachdem die Mahlzeit beendet war, nahm er ebenso den Becher mit den Worten: »Der neue Bund durch mein Blut ist mit diesem Becher da. Das tut, sooft ihr trinkt, zur Erinnerung an mich«. Denn: Immer wenn ihr dieses Brot esst und aus dem Becher trinkt, verkündet ihr den Tod des Befreiers, bis er selbst kommt.

 

1 Kor 11,23-26 Bibel in gerechter Sprache

 

Die Einsetzungsworte sind uns in verschiedenen Fassungen vertraut, aus den Hochgebeten, den Evangelien und eben aus dem Korintherbrief des Paulus. Dabei wissen wir, dass keiner, der sie aufgeschrieben hat, selbst dabei war. Auch Paulus hat sie „von unserem Befreier“ - aus der frühchristlichen Tradition – empfangen. Was ist also wirklich passiert, an diesem Abend bei der Mahlzeit? Und warum? Was ist der Sinn von Abendmahl und Kreuzestod?

Ich habe mich immer gewehrt gegen die kirchlichen Floskeln wie „Jesus ist für unsere Sünden gestorben“, „er erfüllte Gottes Heilsplan“. Aber vielleicht liegt gerade da ein Ansatzpunkt für einen tieferen Sinn – vermutet der niederländische Konzilstheologe Edward Schillebeeckx.

Jesus hat in der Anfangszeit in Galiläa grossen Erfolg, aber im Prinzip ist die Botschaft vom befreiten und versöhnten Miteinander aller Menschen - des Gottesreichs - nicht durchsetzbar: gescheitert. Je näher er Jerusalem kommt, desto mehr wird Jesus selbst klar, dass der Konflikt mit den jüdischen Obrigkeiten und der römischen Besatzung tödlich enden kann, ja wird. Andererseits ist eine Flucht ausgeschlossen, denn sie käme einer Absage an die innige Beziehung zu seinem liebenden himmlischen Abba gleich – dem endgültigen Scheitern seiner Botschaft vom göttlichen Heil. Da stellt sich für Jesus die Frage: „Kann diese Botschaft trotz meines Todes gelingen?“

Schillebeecks vermutet, dass Jesus noch einen Schritt weiter geht und sich fragt: „Oder kann meine Botschaft gerade durch meinen Tod gelingen?“ Denn Jesus vertraut seiner Gottesbeziehung so stark, dass er weiss: Gottes Plan wird gelingen! Dieser Schritt vom trotz zum durch – gelingt die Heilsbotschaft trotz Jesu Tod oder durch seinen Tod – ist zentral für Jesu Handeln in seinen letzten Stunden.

Nun weiss die kirchliche Lehre nur allzugenau, wie Christi Tod zu unserer Erlösung führt. Schillebeeckx widerspricht und sagt: nein, selbst Jesus weiss nicht genau „wie“. Er hat nur die sichere Ahnung „dass“. Das „Wie“ - wie Gottes Plan gelingen wird - bleibt ein Mysterium, bleibt letztlich Gottes Sache, die von niemandem (und auch keiner kirchlichen Instanz) vereinnahmt werden kann.

Im Abendmahlssaal erweitert Jesus sein grenzenloses Gottvertrauen um das unbegrenzte Vertrauen in seine Jüngerinnen und Jünger (darunter auch in Judas und Petrus, die ihn in den nächsten Stunden verraten und verleugnen werden). Im Markusevangelium sagt er nach den Einsetzungsworten „Ich werde nicht mehr von der Frucht des Weinstocks trinken bis zu jenem Tag, an dem ich sie in der Welt Gottes neu trinken werde“ (Mk 14,25). Jesus weiss (oder ahnt mit grosser Sicherheit), dass es ihre letzte gemeinsame Mahlzeit ist. Deshalb legt er seinen Leib – seine Botschaft, sein Gottvertrauen, den göttlichen Heilsplan und Liebesbund, so wie er ihn erfahren hat – in die Hände seiner Jüngerinnen und Jünger: „für euch; das tut zur Erinnerung an mich.“

Durch dieses Vertrauens-Zeichen und durch den Kreuzestod kann Jesu Botschaft weiter bestehen und kann Auferstehung erfahrbar werden. „Er ist gestorben, wie er gelebt hat und hat gelebt wie er gestorben ist“, sagt Schillebeeckx. Also muss die Botschaft dort gelebt werden, wo sie auch Jesus gelebt hat: im unbedingten menschlichen Miteinander und in der Begegnung mit denen, die immer wieder am Rand stehen.

An das Ende seines Christus-Buches stellt Schillebeeckx eine Art Hochgebet, das er „Eucharistische Danksagung“ nennt. Mit den Einsetzungsworten aus diesem Text möchte ich meinen Brief zu Gründonnerstag beenden, den ich mit den Einsetzungsworten des Paulus begonnen habe.

 

Und wir gedenken,

wie er, der uns so sehr geliebt

und eins war mit dir, seinem guten Vater,

in der letzten Nacht seines Lebens auf Erden

das Brot in seine heiligen Hände nahm,

es segnete, brach und teilte

am Tisch mit seinen Freunden sprechend:

Das ist mein Leib für euch.

 

Und was er tat, erfüllte ihm das Herz:

Er nahm auch den Becher am Tisch,

dankte, pries dich, Vater, und sagte:

Trinkt diesen Becher alle mit mir,

denn das ist mein Liebesbund mit euch,

mein Blut, das vergossen wird zur Versöhnung,

der Kelch der Befreiung und des Glücks.*

 

Tobias Grimbacher

*Der gesamte Text findet sich in: SCHILLEBEECKX, EDWARD, Christus und die Christen. Die Geschichte einer neuen Lebenspraxis, Freiburg i. Br. 1977, 831-834.

 Bild: Abendsonne, Tobias Grimbacher.

 

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