Sonntagsbrief zum Gründonnerstag, 24. März 2016

23. März 2016 von Anna Röder

Heilender Tisch, Brot und Zärtlichkeit: Gottes Liebeserklärung

Sonntagsbrief zum Gründonnerstag 24. März 2016

Letztes Abendmahl (Last Supper) von Bohdan Piasecki © www.wearechurchireland.ieVor dem Pessachfest wusste Jesus, dass seine Zeit gekommen war und er aus dieser Welt weg und zu Gott, seinem Ursprung, gehen würde. Und wie er alle, die in der Welt zu ihm gehören, immer geliebt hatte, liebte er sie bis zum Ende.

Bei einem Essen, als die teuflische Macht schon Judas, dem Sohn von Simon Iskariot, eingegeben hatte, Jesus auszuliefern, wusste Jesus, dass Gott ihm alles anvertraut hatte, und dass er von Gott hergekommen war und wieder zu Gott gehen würde.

Da stand er vom Essen auf, zog seine Kleider aus, nahm eine Schürze und band sie sich um. Dann goss er Wasser in die Schüssel und begann die Füße der Jüngerinnen und Jünger zu waschen und sie mit der Schürze, die er umgebunden hatte, abzutrocknen. Als er zu Simon Petrus kam, sagte der zu ihm: „Rabbi, du willst mir die Füße waschen?“ Jesus antwortete und sagte zu ihm: „Was ich mache, verstehst du jetzt nicht, du wirst es aber später begreifen.“, Petrus sagte zu ihm: „Du sollst mir bestimmt niemals die Füße waschen!“ Jesus antwortete ihm: „Wenn ich dich nicht wasche, gehörst du nicht zu mir.“  Simon Petrus sagte zu ihm: „Rabbi, wasche nicht nur meine Füße, sondern auch die Hände und den Kopf!“ Jesus sagte ihm: „Wer gewaschen ist, braucht nichts – außer dass die Füße gewaschen werden –, sondern ist ganz rein. Ihr seid rein, aber nicht alle.“ Denn er wusste, wer ihn ausliefern würde. Deshalb sagte er: „Ihr seid nicht alle rein.“ Als er ihnen die Füße gewaschen hatte, nahm er seine Kleider und legte sich wieder hin. Er sagte zu ihnen: „Versteht ihr, was ich für euch getan habe? Ihr habt euch mir angeschlossen und lernt von mir, ihr verehrt mich und gehorcht mir, und das ist gut und angemessen. Ich bin euer Lehrer und Herr – wenn nun ich euch die Füße gewaschen habe, dann seid auch ihr verpflichtet, einander die Füße zu waschen. Denn ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr füreinander tut, was ich für euch getan habe.“

Joh 13, 1-15
Bibel in gerechter Sprache

Jesus wäscht seinen Freunden die Füße: was für ein starkes Bild! Als Papst Franziskus in einem Gefängnis Strafgefangenen am Gründonnerstag die Füße wusch, ging ein Aufschrei durch das eher konservative katholische Milieu: was macht er da? Auch eine Muslima war unter den ausgewählten Gefangenen.  Tischgemeinschaft und solch ein niedriger Sklavendienst – welche Bedeutung haben sie für uns heute ?

Als die Kirchenvolksbewegung sich  1995 gründete, stellte sie fünf Ziele auf:

  1. Den Aufbau einer geschwisterlichen Kirche;
  2. Die volle Gleichberechtigung der Frauen in allen kirchlichen Ämtern;
  3. Keine Bindung des Priesteramtes an den Zölibat;
  4. Die positive Bewertung der Sexualität und Anerkennung der verantworteten Gewissensentscheidung;
  5. Die Verkündigung der Frohbotschaft statt einer Drohbotschaft.

Wir sehen, dass diese Anliegen in der offiziellen Kirche in allen Punkten nicht einmal hinreichend diskutiert wurden und werden. Der verstorbene Papst Johannes Paul II. hatte sogar verboten, über die Position der Frauen in der Kirche weiter nachzudenken.

Doch es gilt immer noch: Gottes Zärtlichkeit und Begehren ist der Mensch. Gott dient dem Menschen, das hat er in dem Menschen Jesus ein für alle mal deutlich gemacht.

Die Fußwaschung ist dafür ein eindrucksvolles Zeichen: es dürfen keine Herrschaftsformen ausgeübt werden. ALLE sind von Jesus angesprochen und eingeladen. KEINER – weder Papst noch Priester – darf sich an die Stelle Jesu setzen, seiner Einladung widersprechen oder gar Eingeladene ausladen. Die Predigt kann nicht allein die Aufgabe des Priesters sein.

Worum geht es denn? Immer nur um die Erlösung der bereits Erlösten? Nein. Alle, die miteinander Gottesdienst feiern, Einheimische und Gäste, Fernstehende, Außenseiter und Suchende sollen mit Herz und Verstand erfahren können, was die Frohe Botschaft für ihr Leben bedeutet. Dazu gehört auch das Glaubenszeugnis einfacher Christen. Dazu gehört ihre Erfahrung mit der hl. Schrift. Es ist an der Zeit, solche „Bekenntnisse“ im Gottesdienst zu hören. Wer bekennen kann: „Das bin ich für euch“ empfängt die Einladung, gemeinsam das Brot und den Wein, das Leben Jesu zu teilen. Die Zeiten sind ein für allemal vorbei, da Christen in den Gemeinden lediglich Ja und Amen sagen konnten.

Dennoch bleibt das Zeichen Jesu außergewöhnlich gewöhnlich. Die Einladung Gottes ist mit der Verheißung verbunden, dass dieses Leben nicht alles ist, aber wert, es – mit allen Sinnen - zu leben.

Regina Grotefend-Müller

Bildnachweis: “Last Supper” by Bohdan Piasecki © www.wearechurchireland.ie, mit freundlicher Genehmigung von We are Church Ireland

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