Sonntagsbrief zum Gründonnerstag, 13. April 2017

12. April 2017 von Sigrid Grabmeier

Menschendienst – Gottesdienst

Feet washing service, Chamrahi, Bihar, India, 1958 https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Feet_washing_service,_Chamrahi,_Bihar,_India,_1958_(16791125790).jpg?uselang=de

Vor dem Pessachfest wusste Jesus, dass seine Zeit gekommen war und er aus dieser Welt weg und zu Gott, seinem Ursprung, gehen würde. Und wie er alle, die in der Welt zu ihm gehören, immer geliebt hatte, liebte er sie bis zum Ende. Bei einem Essen, als die teuflische Macht schon Judas, dem Sohn von Simon Iskariot, eingegeben hatte, Jesus auszuliefern, wusste Jesus, dass Gott ihm alles anvertraut hatte, und dass er von Gott hergekommen war und wieder zu Gott gehen würde. Da stand er vom Essen auf, zog seine Kleider aus, nahm eine Schürze und band sie sich um. Dann goss er Wasser in die Schüssel und begann die Füße der Jüngerinnen und Jünger zu waschen und sie mit der Schürze, die er umgebunden hatte, abzutrocknen. Als er zu Simon Petrus kam, sagte der zu ihm: „Rabbi, du willst mir die Füße waschen?“ Jesus antwortete und sagte zu ihm: „Was ich mache, verstehst du jetzt nicht, du wirst es aber später begreifen.“ Petrus sagte zu ihm: „Du sollst mir bestimmt niemals die Füße waschen!“ Jesus antwortete ihm: „Wenn ich dich nicht wasche, gehörst du nicht zu mir.“ Simon Petrus sagte zu ihm: „Rabbi, wasche nicht nur meine Füße, sondern auch die Hände und den Kopf!“ Jesus sagte ihm: „Wer gewaschen ist, braucht nichts – außer dass die Füße gewaschen werden –, sondern ist ganz rein. Ihr seid rein, aber nicht alle.“ Denn er wusste, wer ihn ausliefern würde. Deshalb sagte er: „Ihr seid nicht alle rein.“

Als er ihnen die Füße gewaschen hatte, nahm er seine Kleider und legte sich wieder hin. Er sagte zu ihnen: „Versteht ihr, was ich für euch getan habe? Ihr habt euch mir angeschlossen und lernt von mir, ihr verehrt mich und gehorcht mir, und das ist gut und angemessen. Ich bin euer Lehrer und Herr – wenn nun ich euch die Füße gewaschen habe, dann seid auch ihr verpflichtet, einander die Füße zu waschen. Denn ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr füreinander tut, was ich für euch getan habe.“

Joh 13, 1-15 Bibel in gerechter Sprache

Seit Jorge Mario Bergoglio Papst ist, hat die Fußwaschung am Gründonnerstag eine neue Qualität erhalten. Schon vorher wurden in zahlreichen Domen, Kathedralen und Kirchen die Füße gewaschen und damit das Zeichen der Demut, das Jesus seinen engsten Freunden ans Herz gelegt hatte, von Bischöfen und Priestern nachvollzogen. - Dieses Zeichen des „Sklavendienstes“ und der Unterordnung, das Petrus zuerst gar nicht wahrhaben wollte. Das er, nachdem er es akzeptiert hatte, aber immer noch nicht verstand, es als Handlung der Reinigung durch einen Größeren, also als Vollmachtsausübung deutete. - Das andere was hinter diesem Zeichen steht, nämlich die Aufkündigung einer Rangfolge, einer sogenannten Hierarchie, konnte ich in den bischöflichen Fußwaschungen jedoch kaum erkennen. In der Regel wurden verdiente Geistliche oder kirchlich engagierte Männer und Frauen dazu ausgewählt, als anerkennende Wertschätzung, aber durchaus nicht als Ausdruck einer grundsätzlichen Änderung der festgezurrten „heiligen“ Ordnung.

Franziskus hat mit seinen Fußwaschungen ganz neue Zeichen gesetzt: 2013 in einem Gefängnis, 2014 bei Behinderten, 2015 wieder in einem Gefängnis, 2016 in einem Asylbewerberheim und dieses Jahr in der „Festung der Unsichtbaren“ für Häftlinge, die gegen die Mafia ausgesagt haben. Dass bei den ausgewählten Personen auch Frauen und Nicht-Christen dabei waren, gehörte zu seinem Erneuerungsprogramm. Das regelmäßige Aufheulen der Traditionalisten bei diesen Verstößen gegen ihre Vorstellung von Liturgie bringt am besten zum Ausdruck, welchen Paradigmenwechsel er damit einschlägt. So schreibt etwa Guiseppe Nardi auf der Seite „katholisches.info, MAGAZIN FÜR KIRCHE UND KULTUR“ am 7. April 2017

„Traditionell zelebrierten die Päpste den Gründonnerstag daher nicht im Petersdom, sondern in der Lateranbasilika. Sie ist die Hauptkirche des Bischofs von Rom und `Mutter aller Kirchen´.Durch den Ausschluß der Öffentlichkeit von der päpstlichen Gründonnerstagsliturgie erhält die Geste der Fußwaschung, durch nachträgliche Veröffentlichung der entsprechenden Photos, zudem ein Übergewicht, durch das andere, wichtigere Momente dieser Liturgie in den Schatten gestellt werden. Dazu gehört vor allem die Einsetzung der beiden zentralen Sakramente: das Priestertum und die Heilige Eucharistie.“ Im weiteren Verlauf des Artikels unterstellt der Autor Franziskus eine „gewisse Unbedarftheit im Umgang mit der heiligen Liturgie“.

Abgesehen davon, dass die Behauptung, mit dem Abendmahl sei das Priestertum eingesetzt worden, haltlos ist, wird die Liturgie nahezu zum Selbstzweck erhoben. Franziskus hingegen versteht Liturgie nicht unbedarft. Er versteht sie hier im Sinne der wortgetreuen Übersetzung: „öffentlicher Dienst“, ursprünglich der Dienst der Wohlhabenden an den Bedürftigen. Gottesdienst deutet er mit dieser Handlung als Dienst Gottes an den Menschen, als gegenseitigen Menschen-Dienst.

„Die Füße waschen bedeutet: Ich bin dir zu Diensten. Und auch wir, unter uns – nicht dass wir jeden Tag einander die Füße waschen müssen –, aber was bedeutet dies? Dass wir einander helfen müssen, einer dem andern. Manchmal habe ich mich geärgert über den einen, über die andere … aber … lass es gut sein. Lass es gut sein, und wenn er dich um einen Gefallen bittet, tu es. Uns gegenseitig helfen: Das ist es, was Jesus uns lehrt, und das ist es, was ich tue.“ so in seiner Gründonnertagspredigt 2013

Ich frage mich, was heißt das nun für uns, für die einzelnen und für die Gemeinden? Gottesdienste, wie wir sie feiern, braucht nicht Gott. Die brauchen wir selbst, um uns zu versammeln und der Vereinzelung zu entkommen, um gemeinsam die Frohe Botschaft zu hören, um uns miteinander zu erinnern, wozu wir als Christinnen und Christen in der Welt sind. Das Zeichen der Fußwaschung, das soviel unspektakulärer ist, als die großen Worte beim Abendmahl packt uns als Person und als Gemeinde aber ganz konkret an: Wann haben wir anderen die Füße gewaschen, wann haben wir im Geiste dieses Zeichens gehandelt? Wie leben unsere Gemeinden ihren Menschendienst?

Wie würde unsere Kirche heute aussehen, wenn sich in der Kirchengeschichte anstatt der Feier der Eucharistie die Feier der Fußwaschung durchgesetzt hätte? Und wenn einer der zentralen Sätze unserer Liturgie wäre: „Ich bin euer Lehrer und Herr – wenn nun ich euch die Füße gewaschen habe, dann seid auch ihr verpflichtet, einander die Füße zu waschen. Denn ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr füreinander tut, was ich für euch getan habe.“ ?

In den nächsten Tagen tauchen wir mit Jesus ein in die existentielle Auseinandersetzung um Leben und Tod, um Leid und Lösung, um Sterben und Auferstehen. Ich wünsche uns allen gesegnete Kar- und Ostertage.

Sigrid Grabmeier

Bildnachweis: Citation: Mennonite Board of Missions Photographs, 1898-1967. IV-10-007.2 Box 4 Folder 11. Mennonite Church USA Archives - Goshen. Goshen, IndianaFeet washing service, Chamrahi, Bihar, India, 1958

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