Sonntagsbrief zum Fest "Erscheinung des Herrn", 6. Januar 2016

5. Januar 2016 von Johannes Brinkmann

Weil uns ein Licht aufgegangen ist, sollen wir selber Licht werden

Sonntagsbrief zum Fest "Erscheinung des Herrn", 6. Januar 2016

Ein neuer Morgen - Morning has Broken © by angieconscious  / pixelio.deAuf, werde licht denn es kommt dein Licht /
und die Herrlichkeit des Herrn geht leuchtend auf über dir.
Denn siehe, Finsternis bedeckt die Erde /
und Dunkel die Völker, doch über dir geht leuchtend der Herr auf, / seine Herrlichkeit erscheint über dir.
Völker wandern zu deinem Licht /
und Könige zu deinem strahlenden Glanz.
Blick auf und schau umher: /
Sie alle versammeln sich und kommen zu dir. Deine Söhne kommen von fern, / deine Töchter trägt man auf den Armen herbei.
Du wirst es sehen und du wirst strahlen, /
dein Herz bebt vor Freude und öffnet sich weit. Denn der Reichtum des Meeres strömt dir zu, / die Schätze der Völker kommen zu dir.
Zahllose Kamele bedecken dein Land, /
Dromedare aus Midian und Efa. Alle kommen von Saba, / bringen Weihrauch und Gold / und verkünden die ruhmreichen Taten des Herrn.

Jesaja 60, 1-6 
Einheitsübersetzung

Heute feiert die Kirche das Fest Epiphanie, Erscheinung des Herrn. In der Ostkirche ist heute erst Weihnachten! Dieses Fest verbindet gleich mehrere Geheimnisse in sich.

„Heute wurde die Kirche mit dem himmlischen Bräutigam vermählt: Im Jordan wusch Christus sie rein von ihren Sünden. Die Weisen eilen mit Geschenken zur königlichen Hochzeit. Wasser wird in Wein verwandelt und erfreut die Gäste. Halleluja.“ heißt es in einer traditionellen Antiphon zum heutigen Fest.

Dass sich die Gäste freuen, darauf kommt es an! Wie in den Jesaja-Versen der heutigen Lesung der Aufruf an die Gläubigen: „Auf, werde Licht Jerusalem, denn es kommt dein Licht, und die Herrlichkeit des Herrn geht leuchtend auf über dir.“ Weil uns ein Licht aufgegangen ist, sollen wir selber Licht werden! Die Erfüllung des gesamten darauf folgenden Jesaja-Textes hängt davon ab, dass die Freude uns zu Licht macht! Was aber geschieht, wenn wir uns nicht freuen, nicht Licht werden? Dann bleibt es dabei: „Denn siehe, Finsternis bedeckt die Erde und Dunkel die Völker“. Wenn wir aber strahlen, dann lösen wir auch Strahlen aus!

Ich denke, wir dürfen nicht darauf warten, dass eine Macht außerhalb des Irdischen eingreift, und die Dinge zum Besseren wendet. Doch ist nicht dieser „himmlische Bräutigam“ Jesus, von dem die Antiphon singt, genau aus dieser Außenwelt GOTTES zu uns gekommen? Dieser Jesus, der den GOTT Israels seinen Vater nennt? Für den Juden Jesus umfasste die Metapher ‚Vater‘ zwei Dinge, die miteinander im Spannungsfeld stehen:

„Einerseits das Element Sorge, Liebe, Zärtlichkeit, Schutz, genau wie in unserem Begriff Vater, anderseits und viel stärker ausgeprägt als bei uns, das Element Forderung, Autorität, mit der entsprechenden Pflicht des Gehorsams. Wenn Jesus mit diesem Wort seine Erfahrung des Göttlichen ausdrückt, sagt er von der heiligen Urwirklichkeit sowohl, dass sie Liebe ist, als dass sie Anforderungen an uns stellt, dass von ihr ein Appell zur Selbstübersteigung ausgeht. Und das bekennt denn auch der moderne Christ: er bekennt einerseits, dass die Urwirklichkeit eine absolute Liebe ist, die im Laufe der kosmischen Geschichte allmählich Gestalt annimmt. Andererseits bekennt er, dass diese Liebe unaufhörlich Anforderungen an uns stellt. Sie will sich nämlich stets deutlicher offenbaren und ruft daher den Menschen  fortwährend auf, stets mehr Mensch zu werden, innerlich stets freier und fähiger aus sich selbst zu treten. Denn sie offenbart sich als nie pausierende Evolutionsbewegung. (…) Erlösung ist nur dann etwas Wirkliches, wenn sich im Erlösten eine existentielle, erfahrbare Änderung vollzieht, wenn er nachweisbar von etwas befreit wird. Denn erlösen ist doch dasselbe wie befreien? Und gerade das bewirkt die selbstlose Menschenliebe Jesu, die ihn bereit machte, für seine Verkündigung der Frohbotschaft alles übrig zu haben, auch sein Leben. Die Anziehungskraft dieser Haltung bewegt uns zur Nachfolge, macht es selbstverständlich, dass auch wir selbstlos auf den Mitmenschen zugehen.“ Ich zitiere hier Pater Roger Lenears SJ. Was er zu sagen hat, verstört und befreit zugleich. Es lohnt sich, sich mit seiner Botschaft näher zu befassen:

Pater Lenears SJ im Deutschlandfunk: Wir brauchen keine Priester und Priesterinnen

Buchvorstellung Pater Lenears SJ: Der Traum des Königs Nebukadnezar bei Wir sind Kirche Österreich

Johannes Brinkmann

Bildnachweis: angieconscious  / pixelio.de

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