Sonntagsbrief zum Dreifaltigkeitssonntag, 26. Mai 2024

26. Mai 2024 von Sigrid Grabmeier

Neu erzählen

Auf Grund technischer Schwierigkeiten erfolgt die Versendung des Sonntagsbriefes verspätet.

 

In jener Zeit gingen die elf Jünger nach Galiläa auf den Berg, den Jesus ihnen genannt hatte. Und als sie Jesus sahen, fielen sie vor ihm nieder, einige aber hatten Zweifel. Da trat Jesus auf sie zu und sagte zu ihnen: Mir ist alle Vollmacht gegeben im Himmel und auf der Erde. Darum geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Und siehe, ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt.

Mt 28, 16-20

Einheitsübersetzung

 

Neu erzählen

 

Mit der Vergöttlichung des Jesus aus Nazareth ging es früh los. Das ist schon ein starkes Stück, was der Evangelist, der Matthäus genannt wird, ihn sagen lässt: „Mir ist alle Vollmacht gegeben im Himmel und auf der Erde. Darum geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“ Mit dem jüdischen Verständnis von Gott und seiner Allmacht, wie es in der heutigen 1. Lesung, Deuteronomium 4, 32-34; 39-40 dargestellt wird, „Heute sollst du erkennen und zuinnerst begreifen: Der Herr ist der Gott im Himmel droben und auf der Erde unten, keiner sonst.“ ist das nur schwer in Einklang zu bringen.

 

Auch wenn der Evangelist es nicht direkt ausspricht, verstanden wird: Ich bin (der) Sohn Gottes. Während Paulus im Brief an die Römer 8, 14-17 noch die jüdische Konnotation vermittelt, Kindschaft aus dem Geist Gottes heraus, so geht der Matthäustext schon einen Schritt weiter. Für jüdische Ohren sicher provokant, für römische Ohren ein Herrschaftsanspruch. Denn römische Kaiser (oder in Ägypten Pharaonen) wurden als Götterkinder bezeichnet, somit wurde auch ihre Herrschaft göttlich legitimiert.

 

Über Jahrhunderte hinweg dauerte es, bis die Trinitäts- oder Dreifaltigkeitslehre eingerüttelt war. 3 Konzilien arbeiteten daran. Die in der jüdischen Tradition schon vorhandene Zweiheit des einen Gottes, nämlich Gott und Geist (Weisheit) wurde um den Sohn erweitert, wobei dabei um Feinheiten gerungen wurde. Der lebendige Diskurs, der damals die Gemüter bewegte, ist verloren gegangen, schon seit Jahrhunderten soll die betonierte Glaubensgrundlage so geglaubt werden.

 

Bei der sechsten Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung  der Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) war erstmals auch die katholische Kirche beteiligt.* Eine der Fragen lautete: 

„Ich glaube an einen Gott, der sich in Jesus Christus zu erkennen gegeben hat.“

Nur 19 Prozent der evangelischen und ein knappes Drittel der katholischen Kirchenmitglieder stimmen der Aussage zu.

 

Das Narrativ – die deutende Erzählung von der Gottessohnschaft oder direkten, nahezu genetischen Verbindung von Gott und Jesus Christus ist an ein Ende gekommen. Es fehlen die kulturellen Hintergründe und die Plausibilität dieses Bildes, das zu lange eben nicht mehr als Bild sondern als Tatsache behandelt und vermittelt wurde.

 

Das Bild der Gottessohnschaft wird theologisch schon lange hinterfragt und anders diskutiert als es die kirchliche Lehre, sowohl katholisch als auch protestantisch, an die Gläubigen vermitteln will. Auch Untersuchungen zum Gottesbild liegen schon lange vor. (z. B. Klaus Peter Jörns: Die neuen Gesichter Gottes, 1997) Bisher aber mangelt es an Versuchen kirchlicherseits, sich auf die Suche nach einem neuen Erzählen von Jesus, dem Mann aus Nazareth, und Gott zu machen. - Die usrprüngliche Faszination, die Jesus auf seinen Freundeskreis und die jüdische Bevölkerung ausübte, sein Reden von Gott und sein Handeln muss auch heute die Basis sein für ein neues Erzählen innerhalb der Kirchen.

 

Anna Röder hat mit ihrem kurzen Text im Sonntagsbrief zu Pfingsten eine „andere Sprache“ gefordert, um sich verständlich zu machen. Es braucht auch ein neues Erzählen, neue Bilder, neue Anknüpfungspunkte, um mit den Menschen in Kontakt zu bleiben.

 

Papst Franziskus spricht gern von einer prophetischen Kirche. Prophetisch sein bedeutet mutig, kritisch, kreativ zu sein, Propheten und Prophetinnen überschreiten auch Grenzen, betreten Neuland, tasten sich vor. 

 

In diesem Sinne wünsche ich uns allen prophetische Geistkraft und eine gesegnete Woche

Sigrid Grabmeier

 



 

 

*An der Erhebung nahmen 5.282 Befragte aus der deutschsprachigen Wohnbevölkerung ab 14 Jahren teil. Die Untersuchung mit über 500 Einzelfragen wurde durch einen wissenschaftlichen Beirat mit Expertinnen und Experten aus Kirchenverwaltung, Soziologie sowie evangelischer wie katholischer Theologie fachlich begleitet und durch das Sozialwissenschaftliche Institut der EKD operativ durchgeführt. Die Datenerhebung erfolgte im letzten Quartal 2022 durch das Meinungsforschungsinstitut Forsa.

 

 

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