Sonntagsbrief zum Christkönigsfest, 22. November 2015

21. November 2015 von Sigrid Grabmeier

Alle, die der Wahrheit angehören, hören auf meine Stimme

Sonntagsbrief zum Christkönigsfest, 22. November 2015

Jesus am KreuzPilatus ging wieder hinein ins Prätorium, rief Jesus und sagte zu ihm: „Bist du der König des jüdischen Volkes?“ Jesus antwortete: „Ist das deine Meinung oder haben es dir andere über mich gesagt?“ Pilatus antwortete: „Bin ich etwa ein Jude? Angehörige deines Volkes und die Hohenpriester haben dich mir ausgeliefert. Was hast du getan?“ Jesus antwortete: „Mein Königreich gehört nicht dieser Welt an. Wenn mein Königreich dieser Welt angehören würde, würden meine Leute kämpfen, damit ich nicht der jüdischen Obrigkeit ausgeliefert werde. Mein Königreich ist aber nicht von hier.“ Da sagte Pilatus zu ihm: „Bist du also doch König?“ Jesus antwortete: „Du sagst, dass ich König bin. Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, dass ich die Wahrheit bezeuge. Alle, die der Wahrheit angehören, hören auf meine Stimme.“

Joh 18, 33b -37
Einheitsübersetzung

Das ist kein Toter, der vom Kreuz genommen und aufgebahrt wurde sondern einer, der, gleichsam seinen Tod nicht akzeptierend, gerade im Begriff ist, sich vom Kreuz zu lösen und sagt: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt. Deshalb bedeutet mein Tod Leben.“ Das waren meine ersten Gedanken, als ich dieses Kreuz aus dem 14. Jahrhundert im Würzburger Neumünster zum ersten Mal sah. - Der zweite Gedanke war: das ist ein starkes Bild für Christkönig.

Das Fest Christkönig wurde eingeführt nach dem Untergang Europäischer König- und Kaiserreiche nach dem ersten Weltkrieg. Während der Zeit des Nationalsozialismus gewann dieses Fest insbesondere bei den katholischen Verbänden eine besondere Bedeutung, als Gegenbild zur diktatorischen Unterdrückung. Heute ist uns das Fest Christkönig vielfach fremd geworden. Königreiche spielen in unserem Denken in Deutschland keine bedeutende Rolle mehr, Royals und Adel sind ein Fall für die Klatschspalten geworden.

Aber ab nächster Woche schon, ab dem 1. Advent werden wir wieder singen:
„Macht hoch die Tür, die Tor´macht weit,
es kommt der Herr der Herrlichkeit,
ein König aller Königreich,ein Heiland aller Welt zugleich,
der Heil und Leben mit sich bringt“;

Dieser Liedtext bezieht sich auf Psalm 24:
Öffnet euch, Tore, öffnet euch, uralte Pforten.
Es kommt, der würdig ist, König zu sein.
Wer ist allein würdig, König zu sein?
Adonaj, gebietend über Himmelsmächte.
Gott ist als Einziger würdig, König zu sein.

Und auch in der heutigen Lesung  wird dieses Bild vermittelt:
Ihm wurde Macht, Ehre und Königsherrschaft verliehen. Alle Völker, Stämme und Sprachgemeinschaften dienten ihm. Seine Macht ist ewige Macht, die nicht vergeht. Seine Königsherrschaft wird nicht zerstört. (Dan 7, 14)

Das alles klingt ganz anders als das, an das wir uns erinnern, wenn wir uns die Situation von Jesus vor Pilatus vergegenwärtigen. Gefangen genommen und geschlagen wie ein Verbrecher, den sicheren Tod am Kreuz vor Augen, provoziert er seinen Richter. Er hat dieses Königreich, das Psalmen und Propheten ankündigen, vor Augen und dafür geht er in den Tod: Das Reich, in dem Barmherzigkeit und Gerechtigkeit, Liebe und Versöhnung, Freiheit und Fruchtbarkeit regieren.

Dieses Kreuz zeigt Jesus nicht als Verlierer, die vom Balken gelösten Armen hält er gleichsam umarmend dem Gegenüber entgegen. Sein Antlitz und sein Körper sind von Blut überströmt, doch das Lendentuch ist mit Goldornament geziert, die Seite wurde von der Lanze durchbohrt, Zeichen seines Todes, und doch lebt er, seine Augen sind geöffnet, ebenso sein Mund. Jesus lebt.

Angesichts des aktuellen Terrors, der Gewalt und Menschenverachtung, die wir zur Zeit erleben, und die darauf abzielen, ein Regime der Angst und der Unfreiheit zu errichten, müssen wir uns um so dringender immer wieder klar machen, worum es in der christlichen Botschaft geht, um nicht weniger als Gerechtigkeit, Frieden und Befreiung. Auch wenn wir uns hilflos und überfordert fühlen, wenn die Herausforderungen uns ängstigen:

Jesus lebt und mit ihm – und mit uns – will Gott sein Reich errichten.

Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern einen gesegneten Sonntag
Sigrid Grabmeier

Zurück