Sonntagsbrief zum Christkönigssonntag 26. November 2017

24. November 2017 von Sigrid Grabmeier

Eine gesegnete Unruhe

Engel vom Mosesbrunnen in Dijon / Frankreich ©Barbara Domuinguez;

„Wenn aber der Mensch in seinem göttlichen Glanz kommt und alle Engel mit ihm, dann wird er sich auf seinen himmlischen Richterstuhl setzen. Und alle Völker werden sich versammeln und sich seinem Gericht stellen. Er wird die Menschen voneinander scheiden, wie ein Hirte die Schafe von den Ziegen trennt. Er wird die Schafe zu seiner Rechten aufstellen und die Ziegen zu seiner Linken. Dann wird die königliche Person denen zur Rechten sagen: ´Kommt heran, ihr Gesegneten Gottes, Vater und Mutter für mich; ihr werdet in der Welt Gottes leben, die von Anfang der Welt an für euch geschaffen wurde. Ich war hungrig, ihr gabt mir zu essen; ich war durstig, ihr gabt mir Wasser; ich war fremd, und ihr habt mich aufgenommen. Ich war nackt, ihr habt mich gekleidet; ich war krank, ihr habt mich gepflegt; ich war im Gefängnis, und ihr seid zu mir gekommen.` Dann werden ihm die Gerechten antworten: ´Herr, wann haben wir dich hungern sehen und dir zu essen gegeben, oder durstig, und gaben dir Wasser? Wann haben wir dich in der Fremde gesehen, und haben dich aufgenommen, oder nackt und haben dich gekleidet? Wann haben wir dich krank oder im Gefängnis gesehen und sind zu dir gekommen?` Und die königliche Person wird ihnen antworten: ´Wahrhaftig, ich sage euch, alles, was ihr für eines dieser meiner geringsten Geschwister getan habt, habt ihr für mich getan.` Dann wird sie zu denen zur Linken sagen: ´Geht fort von mir, ihr seid fern von Gott; geht in das endlose Feuer, das von Gott für den Teufel und die, die ihm dienen, bestimmt ist. Ich war hungrig, und ihr gabt mir nicht zu essen, ich war durstig, ihr gabt mir kein Wasser. Ich war fremd, und ihr nahmt mich nicht auf, ich war nackt, und ihr habt mich nicht gekleidet, ich war krank und im Gefängnis, und ihr habt euch nicht um mich gekümmert.` Dann werden auch sie antworten: ´Herr, wann haben wir dich hungrig oder durstig oder fremd oder nackt oder krank oder gefangen gesehen und haben dich nicht versorgt?` Dann wird der himmlische Mensch ihnen antworten: ´Wahrhaftig, ich sage euch, alles, was ihr für eine oder einen von diesen Geringsten nicht getan habt, habt ihr auch für mich nicht getan.` Und sie werden in die endlose Strafe fortgehen, die Gerechten aber ins ewige Leben.“ Mt25, 31-46 Bibel in gerechter Sprache

 

Das Jüngste Gericht in der Sixtinischen Kapelle – diese apokalyptische Bilderwelt ersteht gleich vor mir. Was muss Michelangelo gefühlt haben? Erbitterung und Wut, mit der sich ein menschliches Herz auflehnt gegen Ungerechtigkeit, Gewalt und Bosheit – damals und heute. Stellen wir uns nicht manchmal vor, dass ein königlicher Richter die Tyrannen und Despoten unserer Welt mit Macht in ihre Schranken weisen könnte, sogar endgültig vernichten?

So sehr mich Michelangelos Christus fasziniert, kann ich nicht glauben, dass Er Menschen auf ewig bestrafen wird.

Jesus erzählt in der letzten Zeit vor seinem Leiden seinen Jüngern und Jüngerinnen mehrere Gleichnisse. Das Gleichnis vom Weltgericht über alle Völker ist keine Prophezeiung, was in ferner Zukunft am Ende der Zeiten geschehen wird. Es geht um die Gegenwart, um das Wachsen des Reiches Gottes hier und jetzt.

Ich möchte nun einige Gedanken aus dem Buch „Credo“ von David Steindl-Rast anführen:

„Der Auferstandene richtet nicht im landläufigen Sinn. Seine Gerechtigkeit ist nicht Rache, ist nicht Strafe. Seine Gerechtigkeit heißt den rechten Stand der Dinge wieder herstellen. Gerechtigkeit ist kein Aburteilen mehr, sondern verwandelt sich in eine Richtschnur. Es geht um die Aufrichtung einer Weltordnung nach dem Richtmaß von Weisheit und Barmherzigkeit.

Ganz unabhängig von den Vorstellungen von gerecht und ungerecht, die uns eingetrichtert wurden oder die wir uns selber angeeignet haben, sehen wir intuitiv, dass Gerechtigkeit ein Aspekt der Wirklichkeit ist. Selbst wenn wir selber ungerecht handeln, wissen wir, was gerecht ist.

Kann es sein, dass Jesus Christus kommen wird zu richten, wenn uns plötzlich die Augen aufgehen? Wird er uns richten, indem er unseren Blick so auf sich richtet, dass wir endlich richtig sehen?

Kannst du selber dich an Ereignisse erinnern, die dir halfen, dein Leben nach einer ihm innewohnenden göttlichen Ordnung auszurichten? Wie wirkt auf dich dieses Wort des hl. Johannes vom Kreuz (1542-1591), neben Theresa von Avila (1515-1582) der größte spanische Mystiker: ´Am Abend unseres Lebens werden wir gemäß der Liebe gerichtet werden´. – “

Schönreden will ich aber dieses Evangelium nicht. Gerade die unangenehme Unruhe, die sich unwillkürlich einstellt bei den Worten „Geht fort von mir, geht in das endlose Feuer“, will uns veranlassen, uns selber immer wieder ehrlich zu hinterfragen. Eine gesegnete Unruhe! Außerdem sind die Taten, die wir NICHT getan haben oft die größeren Verfehlungen.

Abschließend möchte ich an die sieben neuen Werke der Barmherzigkeit nach Bischof Joachim Wanke erinnern: 

Ich sage dir: du gehörst dazu
Ich höre dir zu
Ich rede gut über dich
Ich gehe ein Stück mit dir
Ich teile mit dir
Ich besuche dich
Ich bete für dich

Barbara Dominguez

Bild: Engel vom Mosesbrunnen in Dijon / Frankreich ©Barbara Domuinguez;

Literaturhinweis: David Steindl-Rast: Credo - Ein Glaube, der alle verbindet; Verlag Herder

 

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