Sonntagsbrief zum 9. Sonntag im Jahreskreis, 2. Juni 2024

1. Juni 2024 von Magnus Lux

Der Sabbat ist für den Menschen da, nicht der Mensch für den Sabbat

An einem Sabbat wanderte Jesus durch Getreidefelder hindurch. Seine Jüngerinnen und Jünger begannen, vom Weg aus Ähren abzureißen. Da sprachen einige Pharisäerinnen und Pharisäer zu ihm: „Sieh doch, sie tun etwas, das am Sabbat verboten ist!“ Er antwortete ihnen: „Habt ihr nie gelesen, was David tat, als er in Not war, als er und die bei ihm waren hungerten? David ging zur Zeit des Hohenpriesters Abjatar ins Haus Gottes, den Tempel, hinein und aß die geweihten Brote. David aß diese Brote, die außer den Priestern kein Mensch essen darf, und gab sie auch allen, die bei ihm waren.“ Und Jesus sagte weiter: „Der Sabbat ist für die Menschen da und nicht die Menschen für den Sabbat. Die Menschen sind wichtiger als der Sabbat.“ 


Wieder ging Jesus in die Synagoge hinein. Dort hielt sich eine Person auf, deren Hand wie abgestorben war. Um gegen ihn Anklage erheben zu können, beobachteten sie ihn genau, ob er die Hand am Sabbat heilen werde. 3 Er sagte zu der Person mit der gelähmten Hand: „Steh auf und stell dich in die Mitte.“ Dann fragte er in die Runde: „Ist es nicht geboten, am Sabbat

Mk 2,23 -3,6 Bibel in gerechter Sprache

 

Der Sabbat ist für den Menschen da, nicht der Mensch für den Sabbat

Die 7-Tage-Woche gab es weithin im Altertum. Doch den arbeitsfreien Sabbat nenne ich ein Geschenk des Volkes Israel an die gesamte Menschheit. „Am siebten Tag ruhte Gott“, heißt es im Schöpfungshymnus. Und so galt die Sabbatruhe grundsätzlich, auch für die Sklaven, ja sogar für die Tiere. 321 erklärte der römische Kaiser Konstantin den Sonntag zum Ruhetag. Seit 1892 ist die Sonntagsruhe in Deutschland gesetzlich geschützt. Die 5-Tage-Arbeitswoche, also mit freiem Samstag, gibt es bei uns seit den 60er Jahren; dass am Samstag keine Schule war, dauerte noch bis zum Ende der 70er Jahre. Als vom freien Wochenende gesprochen wurde, da wurde aus dem Sonntag als erstem Tag der Woche der letzte.

Was sahen die Frommen zur Zeit des Mannes aus Nazaret als Sabbatruhe an? Wir kennen das aus einem alten Spruch: Nach dem Essen sollst du ruh’n oder tausend Schritte tun. Mehr als 1000 Schritte durfte man am Sabbat nicht gehen. Ähren durften nicht gezupft werden, das war Erntearbeit. Heilen am Sabbat war verboten. Und vieles andere auch.

Na ja, werdet ihr jetzt sagen: Haben wir doch heute alles nicht mehr. Und was die frommen Leute damals als unabdingbare Vorschrift ansahen, das muss uns Christen und Christinnen doch heute nicht mehr interessieren. Darum geht es letztlich auch nicht. Erweitern wir den Satz „Der Sabbat ist für den Menschen da, nicht der Mensch für den Sabbat“ über die Sabbat- bzw. Sonntagsruhe hinaus. Der „Sabbat“ steht dann als Metapher, als Bildwort für strenge religiöse Gesetzesfrömmigkeit. Sie zwängt den Menschen in ein Korsett ein und verpflichtet ihn in seinem Gewissen, dies oder jenes unbedingt zu tun bzw. zu lassen, und das womöglich unter Androhung von Höllenstrafen, was Angst erzeugt, ja erzeugen soll. 

Haben wir heute auch nicht mehr? Fehlanzeige! Wir brauchen nur nach Rom zu schauen, was uns da aufgetischt wird, allen Bestrebungen von Franziskus, die christliche Botschaft neu in den Blick zu bekommen, zum Trotz. Wir brauchen nur auf Kardinal Müller zu schauen, der mit seinen reaktionären Äußerungen die Klientel der Deutschen Tagespost infiltriert. Wir brauchen nur unser Bischofsquartett betrachten, das klare Vorgaben macht, was als katholisch zu gelten habe, und sich ständig gegen die anderen 23 Bischöfe stellt. 

Man will uns festlegen auf die „immerwährende Wahrheit“, die sich im Bekenntnis zu Lehrsätzen äußert, ohne zu bedenken, dass sie oft genug zu Leer-Sätzen geworden sind, weil sie niemand mehr versteht und nachvollziehen kann. Man will uns festlegen auf Glaubensformen, die schon immer so gewesen seien und deshalb auch immer so bleiben müssten, ohne zu bedenken, dass die Kirche immer reformbedürftig ist, dass sie sich immer neu an der befreienden Botschaft vom Reich Gottes ausrichten muss. Man will uns festlegen auf eine Kirche in zwei Ständen, den höherwertigen Klerikerstand, der das Sagen hat, und den weniger wertvollen Laienstand, ohne zu bedenken, dass im NT alle „Kleriker“, d.h. von Gott Erwählte sind, dass alle „Laien“, d.h. Mitglieder des Volkes Gottes sind; das Wort „Laiinnen“ verstehen manche gar nicht, fällt ja unter das Gender-Verdikt.

Man will uns festlegen… Ja, und damit das besser gelingt, gibt es den CIC, das kirchliche Gesetzbuch. Unter Verweis darauf wird so manche Entwicklung in der Kirche abgeblockt oder gar strikt verboten, auch wenn wir im Evangelium anderes lesen. Stehen wir jetzt vor einem Scherbenhaufen, weil sich die Kirche, die Gemeinde des Herrn, jahrhundertelang nicht an diesen ihren Herrn gehalten hat und oft genug immer noch nicht hält? Weil sich die Kirchenleiter selber in den Mittelpunkt gestellt haben bis hin zum Unfehlbarkeitsdogma? 

Und jetzt fragt ihr mich: Wo ist hier die „frohe“ Botschaft? Nun: Wir dürfen als Menschen, die zur Freiheit berufen sind, all das hinter uns lassen, was uns eingetrichtert worden ist. Denn Jesus, den wir als den Christus bekennen, hat den Menschen in den Mittelpunkt gestellt, nicht das Gesetz, an das sich der Mensch sklavisch zu halten habe: er heilt den Kranken, auch am Sabbat. In der Kirche ist oft genug wieder zu einem unerbittlichen Gesetz gemacht worden, was er als liebende Einladung Gottes versteht. Doch wir dürfen handeln wie er und müssen nicht immer nach Vorschriften von „oben“ schielen. Wir dürfen tun, was wir als richtig erkannt haben, als das, was Gott heute von uns fordert, wir dürfen uns frei davon machen, uns immer ein schlechtes Gewissen einreden zu lassen. Wie war das doch gleich wieder? Der Sabbat ist für den Menschen da, nicht der Mensch für den Sabbat!

Magnus Lux

 

 

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