Sonntagsbrief zum 8. Februar 2015
7. Februar 2015 von Cristy Orzechowski
Die Gräber verlassen, vom Schlaf aufwachen
Ist nicht Frondienst den Menschen auf Erden bestimmt,
sind ihre Tage nicht wie die Tage des Lohnknechts –
wie eine Sklavin, die nach Schatten schnappt,
wie ein Söldner, der auf Lohn hofft?
So habe ich zum Erbteil bekommen Monate des Schadens,
Nächte der Mühsal teilte man mir zu.
Wenn ich mich hinlege, sage ich: ›Wann stehe ich wieder auf?‹
Und so geht es bis zum Abend.
Ich bin satt von Unrast bis zur Morgendämmerung.
Mein Fleisch hüllt sich in Fäulnis und Schorf,
meine Haut ist verkrustet und eitert.
Meine Tage eilen schneller dahin als ein Weberschiffchen,
sie sind am Ende, sobald der Hoffnungsfaden ausgeht.
Gedenke, dass mein Leben ein Hauch ist,
mein Auge nie wieder dahin kommen wird, Gutes zu sehen.
Hiob, 71-4,6-7
Bibel in gerechter Sprache
Ein solches Hiob—Klagelied schluchzte sich auch aus unseren Herzen in „Gottes GÜTE hinauf“ während meines jahrzehntelangen Zusammenlebens mit den Menschen im Hochland Perus, von unzähligen Menschen des Erdenrunds begleitet. Ein gemeinsamer fragender, oft auch vorwurfsvoller anklagender Aufschrei, angestimmt in den unterschiedlichsten Farben, Inhalten und Melodien, und dennoch auch sichtbar:
UFER DER HEILENDEN TRAUER
Oh Gott, den sie den Guten nennen…Wo bist Du…?
Der unerbittlichen Brutalität kann ich nicht ausweichen.
Die nicht mehr zu verbergende und täglich wachsende Angst der Nachbarn
kann ich mit schönen Worten nicht übertünchen.
Die blassen Gesichter der kleinen Witwen kann ich,
um Wohlergehen vorzutäuschen, nicht röten.
Den aufgerissenen Kinderaugen, nach dem Drama des Todes,
kann ich das Bild ihrer ermordetet Väter nicht ausradieren.
Das mich marternde Geräusch der Sägen, während der Tischlerarbeiten
an den letzten bergenden Räumen für die von uns Abschied Nehmenden,
kann ich nicht zum Verstummen bringen.
Den Berg der gefallenen Späne kann ich nicht betten in meinen Armen,
die weinenden Augen der zum Friedhof gehenden Begleiter nicht trocknen,
den gebückten Gang der Träger unter dem Gewicht unserer Toten nicht aufrichten.
Die in den Boden stoßenden Spaten, die endgültig die Gräber ausheben,
kann ich nicht stoppen;
die Stricke, die unsere Lieben in die Schwärze entlassen, nicht durchtrennen,
die Erde, die aus machtlosen Händen auf die Särge trommelt, nicht aufhalten...
Hier bin ich
Geschlagen mit den Geschlagenen, tauche ein in das gemeinsame Zittern am Abend,
werde blass mit den kleinen Witwen, schärfe meine Augen durch das Bild des Entsetzens, beginne zu denken, während die Späne fallen und die Sägen ächzen,
weine mit den Betrübten, beuge mich in der Reihe der Trägerkolonnen
unter der Last unserer Toten, lasse Sand durch meine Hände gleiten,
während ich meine Freunde bedecke mit Mutter Erde - P'acha Mama, Santa Tierra…
Wir beenden die Klage Hiobs mit einer Antwort aus dem Korintherbrief: „Ich habe mich Schwachen als Schwacher erwiesen, um die Schwachen zu gewinnen. Mit allen bin ich solidarisch, um wenigstens einige zu retten.“, mit der Hoffnung von Zeitzeugen, die fähig waren, das Schweißtuch hinzuhalten, um den Schmerz zu empfangen, vom Nachbarn, vom Leidenden, vom Mitmensch ...
Die Campesinos drückten es so aus:
Die Gräber verlassen
* vom Schlaf aufwachen
* von Hindernissen, Fallen, Ketten auf dem Weg zum Gott des Lebens frei machen
* erleuchten, Licht sein
* die Tore öffnen
* sich erheben und gehen
* in den Spuren Christi gehen, etwas aus Seinem Leben wissen
* zum Volk Gottes heranreifen.
Die Verkündigung gesehen und gelebt wie einen großen Gesang an das Leben?
Wir glauben: Ja! Unser ewiges Thema. DAS GEBET GEGEN DEN TOD, DIE GESTEN GEGEN DEN TOD, DAS WORT GEGEN DEN TOD, DAS WERK GEGEN DEN TOD.
Cristy Orzechowski