Sonntagsbrief zum 6. Sonntag im Jahreskreis, 17. Februar 2019

15. Februar 2019 von Anna Röder

Du bist selig…und nicht vertröstet !

Kirche St. Clemens, Seitenportal Foto Regina Grotefend-Müller

Jesus stieg mit den Aposteln vom Berg hinab bis zu einem ebenen Platz. Dort hatten sich viele Menschen versammelt: eine große Schar seiner Jünger, Leute aus ganz Judäa, aus Jerusalem und aus dem Küstengebiet von Tyrus und Sidon. Jesus blickte auf seine Jünger und sagte:

„Glückselig seid ihr, die ihr arm seid. Denn euch gehört das Reich Gottes.
Glückselig seid ihr, die ihr jetzt hungert. Denn ihr werdet satt werden.
Glückselig seid ihr, die ihr jetzt weint. Denn ihr werdet lachen.
Glückselig seid ihr, wenn die Menschen euch hassen, aus ihrer Gemeinschaft ausschließen, beschimpfen oder euren Namen in den Schmutz ziehen – weil ihr zum Menschensohn gehört.

Ja, freut euch, wenn das geschieht! Springt vor Freude! Seht doch: Euer Lohn im Himmel ist groß.
Denn genauso haben es die Vorfahren dieser Leute mit den Propheten gemacht.
 
Doch wie schrecklich wird es für euch Reiche sein! Denn ihr habt euren Trost damit schon erhalten.
Wie schrecklich wird es für euch sein, die ihr jetzt satt seid! Denn ihr werdet hungern.
Wie schrecklich wird es für euch sein, die ihr jetzt lacht. Denn ihr werdet weinen und klagen.
Wie schrecklich wird es für euch sein, wenn euch jetzt alle Menschen loben.

Denn genauso haben es die Vorfahren dieser Leute mit den falschen Propheten gemacht.“

Lk 6, 17. 20 – 26 Basis Bibel   

 

 

Du bist selig…und nicht vertröstet !

Woran denken Sie, wenn Sie die Formulierung „Selig sind , die..“ oder „Glückselig seid ihr, die ihr…“ hören bzw. lesen? Was assoziieren Sie spontan ? Ich gebe zu : in diesen Anreden verspüre ich immer etwas ambivalentes, das mitschwingt, ohne zunächst näher konkretisiert zu werden. Die sogenannten „Seligpreisungen“ im NT stellen sehr zentrale Punkte in den beiden Evangelien nach Lukas und Matthäus dar. Diese Preisungen wurden als literarische Gattung der Bibel auch „Glückszusagen“ bzw. „Heilzusagen“ genannt und werden als umfassendes Heil im Sinne  des biblischen ganzheitlichen Shalom, dem ganzheitlich zu verstehendes Frieden, verstanden.

In der jüdischen Weisheitsliteratur (8. Jahrhundert vor Christus) betont diese biblische Sprachform ein besonders gerechtes Handeln, worauf sich irdisches Wohlergehen begründet. Jahwe schafft Recht ! Dies ist eine verbindliche Zusage an bestimmte notleidende soziale Gruppen.

Die uns überlieferten neutestamentlichen Seligpreisungen der Armen, Hungernden, Weinenden, Trauernden usw. wird auf Jesus zurückgeführt, der somit offiziell sein öffentliches Wirken mit dem Verkünden des Reiches Gottes aufgreift und erneuert.

Wenn Jesus auf die uralten Heilzusagen seines Volkes zurückgreift, rückt er damit aber nicht nur soziale Randgruppen in den Focus, sondern vor allem menschliche Haltungen und  menschliches Verhalten. Kontrastierend  zu den alten  Heils-und Glückszusagen erweitert Jesus diese Zusagen mit Anreden bzw. Wehe-Rufen auf konkret genannte Muster. Lukas gestaltet diese Zusagen sogar noch sehr personal, indem er die Anredeform „Glückselig seid ihr“ verwendet. Jetzt fühlt sich jedeR angesprochen, ja unbedingt angezogen. Die Heilszusagen sind sowohl Herausforderung, als auch Mut-Zuspruch und Forderung zugleich, denen sich niemand entziehen kann.

Das anfangs von mir angesprochene Empfinden von Ambivalenz dieser „Glückselig seid ihr“-Zusagen entlässt (mich) daher auch nicht in eine Gleichgültigkeit oder späte Vertröstung, sondern schafft Fakten für mein jetziges Leben : Was ist meine, was ist unsere Aufgabe zwischen  dem „Glückselig seid ihr“  und „ denn ihr werdet „ ?  Moderne Lesarten und Interpretationen der Bergpredigt (bei Matthäus) bzw. Feldpredigt/Feldrede (bei Lukas) legen oft Schwerpunkte auf politisches, moralisch-integres Tun und Handeln, die manchmal hohen ideellen Anspruch an die Angesprochenen erheben. Vielleicht ist es zeitgemäß, die Seligpreisungen eher wie ein Bekenntnis zu deuten und aufzufassen. Jesus selbst spricht ja vom Reich Gottes, in dem andere Gesetze herrschen. Dabei vertröstet er nicht auf eine Zeit oder eine bessere Existenz am St.Nimmerleins-Tag. Nein ! Lebt und gestaltet die GEGENWART, hier ereignet sich all das, was aus Armen Reiche macht, Trauernde in Lachende verwandelt, Hungernde dauerhaft sättigt. Es geht Jesus um Beziehungen und um das Miteinander in gelebten Begegnungen, nicht um Vertröstung auf ein Jenseits, nicht um ein „Später“, wo alles gelöst ist. Gott wirkt in der Welt, in jedem Menschen und damit ist eine große Dynamik und Bewegung möglich.

Mir fiel dieser Tage ein „Credo“ unbekannter Herkunft in die Hände, das wesentliche Gedanken der Seligpreisungen aufgreift.                                                        

Regina Grotefend-Müller

 

Ich glaube, dass Gott Liebe ist
die mir in Jesus Christus,
dem menschgewordenen Gott begegnet. 
Ich glaube, dass Jesus der Christus ist,
Gottes Sohn, mein Herr und Heiland.
Ich glaube, dass sein Verzeihen größer ist
als meine Schuld, seine Güte größer ist
als meine Unduldsamkeit.
Bin ich untreu, bleibt er treu.
Versage  ich, stützt er mich.
Ich glaube, dass Jesus besonders denen nahe ist,
die nicht mehr weiter wissen;
den Armen, Schwachen und Kranken,
den Ausgegrenzten, Verleumdeten und Verfolgten.
Ich glaube, dass er durch seinen Tod am Kreuz
und seine Auferstehung alle Todesmächte besiegt hat.
Ich glaube an den Heiligen Geist,
der mir Mut macht
mich zu neuem Denken inspiriert,
und mich dazu befähigt,
mich für eine bessere Welt, für Frieden und
Gerechtigkeit einzusetzen.
Ich glaube, dass Gott mein Leben herrlich vollendet,
denn er ist die Liebe.
Amen                                 

 

 

Bild: Seligpreisungen; Kirche St. Clemens, Seitenportal Foto Regina Grotefend-Müller

 

Noch ein Anliegen: 

Petition an Kardinal Marx gestartet - Missbrauch von Nonnen muss auf Tagesordnung

Die KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche hat eine Petition zur Unterstützung des „Offenen Briefs an Kardinal Reinhard Marx“ gestartet. In dem Brief fordern neun katholische Frauen und Männer eine andere Sexualmoral, die Weihe von Frauen, die Abschaffung des Pflichtzölibats sowie eine echte Gewaltenteilung in der römisch-katholischen Kirche.

Petition bei change.org unter „Krisengipfel“ 

Wenn der Krisengipfel Ende Februar im Vatikan gegen den weltweiten sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche ansatzweise gelingen soll, braucht Kardinal Marx, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, eine möglichst breite Unterstützung der Katholikinnen und Katholiken in Deutschland.

 

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