Sonntagsbrief zum 6. Sonntag im Jahreskreis, 16. Februar 2025

14. Februar 2025 von Günther Doliwa

Solidarität nach unten provoziert die Hartherzigen

Als er mit ihnen hinuntergestiegen war, stellte er sich auf einen ebenen Platz. Da war eine große Schar seiner Jüngerinnen und Jünger und viel Volk aus ganz Judäa und Jerusalem, sowie aus dem Küstenstreifen von Tyrus und Sidon. Die waren gekommen, um ihn zu hören und um geheilt zu werden von ihren Krankheiten. Die von unreinen Geistern Gequälten wurden geheilt, und die ganze Menge wollte ihn berühren, denn Kraft strömte aus ihm und heilte alle. Er richtete seinen Blick auf seine Jüngerinnen und Jünger und sprach:

„Glücklich seid ihr Armen, denn die Herrschaft Gottes ist auf eurer Seite!

Glücklich seid ihr Hungrigen, denn ihr werdet satt werden!

Glücklich seid ihr Weinenden, denn ihr werdet lachen!

Glücklich seid ihr, wenn die Menschen euch hassen und euch ausgrenzen, euch beschimpfen und meinetwegen eure Namen aus der Gemeinschaft streichen.

Freut euch an jenem Tag und jubelt, seht: Euer Lohn wird groß sein im Himmel, denn so haben eure Vorfahren stets an den Propheten und Prophetinnen gehandelt!

Jedoch: Euch Reichen wird es schlecht ergehen, ihr verliert euren Trost!

Ihr, die ihr euch jetzt voll gestopft habt: Euch wird es schlecht ergehen, ihr werdet noch hungern.

Ihr, die ihr jetzt lacht: Euch wird es schlecht gehen, ihr werdet noch trauern und klagen!

Euch wird es schlecht ergehen, wenn alle Menschen gut von euch reden, denn so haben eure Vorfahren stets von den Lügenpropheten gesprochen."

Lk7, 17-26 Bibel in gerechter Sprache

 

Solidarität nach unten provoziert die Hartherzigen

Ich bewundere, was diese Frau wagt. Die erste Bischöfin der Kirche von Washington, Mariann Budde, Tochter schwedischer Eltern, geboren in Indiana, herausgekämpft aus schwierigen Verhältnissen, liest dem allmächtigsten Mann sanft, klar und überzeugt die Leviten. Der glaubt, von Gott gerettet und gesandt zu sein, um sein Land großartig zu machen. Sie hält eine moderne „Feld-Predigt“. Zuerst gelte, Einheit beruht auf Würde, Ehrlichkeit, Bescheidenheit. Sie bittet den grimmig schauenden Präsidenten um Erbarmen mit immigrierten Armen, die ernten, reinigen, putzen, tellerwaschen, pflegen, Steuern zahlen und überwiegend gute Nachbarn seien. Sie bittet um Gnade und fällt - in Ungnade. Wie 2020, als sie sich empörte, dass der nach dem Tod von George Floyd durch einen Polizisten mit der Bibel posierte, während er erwog, Black-Lives-Matter-Protest mit Tränengas zu bekämpfen. Konflikte haben Offenbarungscharakter. Immer wenn Prophetische auf Falschmünzer stoßen, wird im Zusammenprall der Gegensatz von Wahrheit und Lüge offenbar. Nur braucht es dazu Menschen, die keine Konflikte scheuen. Sie solle sich entschuldigen für ihren „bösen Ton“, sagt ausgerechnet der Trampel Trump. 

In seiner „Feld-Rede“ tritt Jesus eindeutig auf die Seite der Schwächeren. Als Zeichen seiner Volksnähe steigt er vom Berg herab, redet auf Augenhöhe mit Menschen aus Judäa, Jerusalem, von der Küste. Die große Schar seiner Jünger*innen wird Augenzeuge seiner Solidarität nach unten. Nichts anderes lebt die Bischöfin Mariann Budde. Würde sie damit nicht Anstoß erregen, könnte sie gleich den Evangelikalen beitreten, die kritiklos einen Schwall Segen herabrufen auf einen Krawall-Präsidenten, der großspurig eine „Goldene Ära“ auf Kosten der Ärmsten verspricht. Prophet*innen sind anstößig im guten Sinn des Wortes. Jesus ist die Quintessenz dessen, was das Magnificat als Umsturz falscher Ordnungen ankündigt. Was Gott missfällt, wird keinen Bestand haben. Soziale Kälte darf nicht regieren. 

Erst im Nachhinein begreifen die Jünger Jesu, wem sie da gefolgt sind: „Jesus von Nazareth, der ein Prophet war, mächtig in Tat und Wort vor Gott und allem Volk (Lukas 24,19). Das Prophetische hat bei Jesus Vorrang vor dem Priesterlich-Liturgischen. Wer sich an ihm orientiert, darf kein Leisetreter sein. Harmonie darf nicht zum Höchstwert avancieren. Jesu Mut hat den höchsten Preis zu zahlen. Da reihen sich Jesu Sätze ein vom Schwert und von der Scheidung der Geister. Das redet nicht Gewalt und Spaltung das Wort, sondern greift genau Gewalt und Spaltung auf als Dissonanzen mit Gottes Hauptgeboten, die durch „Erbarmen“, „Liebe“ und „Vergebung“ glänzen. Dissonanzen können nur durch Güte und Gerechtigkeit beseitigt werden. Ich liebe das Prophetische im Christentum. 

Jesus macht Hoffnung, dass die Verabredungen geltender Rangordnungen und Werte vor Gott hinfällig sind. Er schneidet Ressentiments den Weg ab in den Traum von finaler Revanche. Gotteszorn-Tendenzen schlagen (leider) in Fluch-Psalmen und in der johanneischen Apokalyptik durch. Jesus hält keine Drohreden, weil er nicht vom Zorn Gottes ausgeht. Stattdessen wirbt er für Feindesliebe, die Goldene Regel (Lk 6,31), Verzicht auf Verurteilen, Erbarmen. Selig zu preisen seien also die im Dunklen: Arme, Hungernde, Trauernde, Außenseiter. Verfolgten Propheten ähnlich, die Jesus anführt, um die Herrschaftsclique in ihrer Verachtung für das Volk zu entlarven. Ein Wehe schleudert der Provokateur der Hartherzigen Reichen, Satten, (Sich-ins-Fäustchen-) Lachenden, fälschlich Hymnisch-Gelobten hin. Diese glichen bigotten Propheten, welche die Interessenpolitik der Mächtigen unterstützen und dafür gut und profitabel wegkommen. Sie werden bei Hof, bei Tisch, im Kapitol geduldet. Kritik am System ist Narrensache. Propheten sind Narren, stets in Lebensgefahr, wenn sie nicht rechtzeitig fliehen. 

Was für einen Mut bieten unsere Bischöfe? Sie schweigen kleinlaut, selbst wenn sie vom Papst um „mutige Vorschläge“ zur Reform gebeten werden. Fällt ihnen am Ende nichts ein? Am Ärgsten finde ich, wenn sie, wie bei sexuellem oder spirituellem Missbrauch, nur aktiv werden, um ihren Laden zu hüten anstatt sich um die Opfer zu kümmern. Solche „Ladenhüter“ - bitte im doppelten Wortsinn! - braucht die Welt wirklich nicht. Darüber scheinen Bischöfe im Amt vergessen zu haben, dass sie sich ihre Autorität im Volk erst verdienen müssen. Mit liturgischen Hochämtern verfehlt man allerdings das Prophetische Jesu. Das provoziert eine kalte, unsoziale Machtpolitik mit einem glühenden Eifer für sein ganz anderes Reich. Wir sind mit einer angstmildernden Hoffnung über den Tod hinaus beschenkt. 

Wir sehen, wie Predigt und Segen vereinnahmt, politisch missbraucht werden, wenn etwa ein Patriarch Kyrill den Kriegstreiber Putin oder Schwalllobhudler den Populisten und notorischen Lügner Trump als „Erlöser“ preisen. An ihren Früchten werden sie erkannt werden. Wer Städte verwüsten oder Menschen massenhaft deportieren oder normieren will und auf Rachefeldzug geht, gleicht eher dem kahlen Strauch auf Wüstenboden als dem gut verwurzelten Baum am Wasser, grün, fruchtbar und ein Segen für die Bewohner des Landes. Wir aber sind jederzeit eingeladen, Solidarität nach unten zu leben - im Sinn der Seligpreisungen. Hoffnung hört auf die Seufzer der kleinen Leute.

Einen schönen solidarischen Sonntag wünscht

Günther M. Doliwa, 24.1./2.2.2025

www.doliwa-online

 

Unser Onlineangebot: jeweils dienstags von 19 bis 20 Uhr.  Hier geht’s zum Link

 

Gespräche am Jakobsbrunnen

 

Dienstag, 18. Februar 2025

Prof. Dr. Wolfgang Beinert (Foto: Dr. Christian Eckl), emeritierter Professor für Dogmatik an der Universität Regensburg, war Assistent bei Joseph Ratzinger und hat sich bei ihm habilitiert.

Thema: Die Form der Reform - Anmerkungen zur Lage und Lehre der Kirche 
Sein aktuelles Buch: "Die Form der Reform"

 

8. März 2025  14:00 -18:00 

52. Wir sind Kirche-Bundesversammlung online

"Wie Frauen die Kirche ändern..."

mit Birgit Mock, Vizepräsidentin des ZdK und Mitglied des Synodalen Ausschusses, Co-Leitung der Kommission zur Evaluation der Umsetzung der bisherigen Beschlüsse des Synodalen Wegs

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