Sonntagsbrief zum 6. Sonntag im Jahreskreis 11. Februar 2018

9. Februar 2018 von Günther Doliwa

Sorgenbrecher, seid willkommen!

Masken © Günther Doliwa

 

Da kam eine schwer hautkranke Person zu Jesus, bat ihn um Hilfe, fiel auf die Knie und sagte: "Wenn du nur willst, kannst du mich gesund machen!" Weil ihn das anrührte, streckte Jesus seine Hand aus, berührte die kranke Person und sagte: „Mein Wille ist: Werde gesund!“ Sofort verschwand diese schwere Hautkrankheit, und die kranke Person wurde gesund. Jesus fuhr sie an, jagte sie fort und gab ihr die Anweisung: „Pass auf, dass du niemandem etwas sagst, sondern geh einfach fort. Zeige dich dem Priester. Er wird den Leuten bestätigen, dass du gesund bist. Und gib für deine Heilung, was Mose angeordnet hat.“ Aber als die geheilte Person hinausging, begann sie alles laut zu verkündigen und das Wort zu verbreiten, so dass Jesus nicht mehr in die Öffentlichkeit einer Stadt gehen konnte. Deshalb hielt er sich draußen an einsamen Orten auf. Doch sie kamen von überall zu ihm.

 

Mt 1, 40-45 Bibel in gerechter Sprache

 

Die Weisheit hat ihre Freude an Geschöpfen, die sich das Dasein als ein Geschenk schmecken lassen.

 

Es ist Faschingssonntag. In Bütten, selbst auf Kanzeln wird die ungereimte Welt gnadenlos zusammengereimt. 

Kirche, auf den Kopf gestellt,

heraus purzelt das Klingelgeld.
Stürz nichts, nur dich ins Vergnügen!
Trink dich satt in vollen Zügen!
Narr wird König, der wird Narr
Das waren alte Spiele.
Aus Prunk wird Stunk, auch der wird starr.
Dahin purzeln die Ziele.
Die Spaßbremse, das Christentum,
mit Karwoche und Asche,
verübelt jedes Gaudium.
Die zieht nicht mehr, die Masche.
Bevor wir uns ins Fasten fügen
lasst sie auffliegen - die Lügen!“

 

Sehen wir ab davon, dass unsere Spaß-Gesellschaft Spaß und Freude nicht unterscheiden kann.-

 Im AT (Lev 13ff) lesen wir von der Aussonderung der Aussätzigen, Auffälligen, außerhalb des Lagers, nicht in ein Lager zur „Sonderbehandlung“. Das würde bei uns schlimme Assoziationen wecken. Wer die Rede einer Auschwitz-Überlebenden im Bundestag gehört hat, weiß wieder was echt ist. Hautkranke galten als unrein. Priestersache. Schuld- und Opfer-Angelegenheit. Quarantäne diente ihrer Gesundung und dem Schutz der Gemeinschaft.

Was macht das mit den Menschen? Die Angst schreit: Geh weg! - Ekel isoliert und produziert Scham. Der Draußen sehnt sich nach Berührung. Einsamkeit wächst wie eine Ringmauer. Unser größtes Organ schreit: Rühr mich an! Schließt mich nicht aus! Stigmatisiert mich nicht mit eindeutigen Zeichen! Ich bin immer noch ein Mensch! Ich will dabei sein, dazu gehören! Da können HIV-Infizierte was von erzählen. Auch Außenseiter, Fallen-Gelassene, Ausgemusterte, Depressive, Arbeitslose, Abgeschobene. Was für ein Mut dazu gehört, sich den aus Hygiene oder Hysterie Ausgegrenzten zuzuwenden! Davon erzählt das Markus Evangelium (Mk 1,40-45).

Jesus, aufgespürt von einem Aussätzigen, bekniet und angefleht, wieder dazuzugehören - was tut er? Jesus kennt das, er bewegt sich oft „draußen in der Einsamkeit“ (V.45). Er setzt sich über die dumme Grenze hinweg, durch und durch Grenzüberschreiter, durchbricht das Berührungsverbot, aus Mitgefühl (aramäisch: Hitze, auch Zorn), streckt seine Hand aus und berührt den armen Kerl. Der ist so berührt, dass es ihn verwandelt, allein diese außerordentliche Zärtlichkeit, einem Ausgesetzten gegenüber, bringt alle Umgangsverbote ins Wanken und die Menschlichkeit ins Lot, das Miteinander in Balance.

„Gar nichts sagst du! Verschwinde!“ So herrscht Jesus ihn an. Er legt ihm ein Schweigen auf, das nur Jesu Gesetzestreue belegt. Priester und Opfer bleiben in Kraft. Dabei hat der ungewöhnliche Arzt viel fundamentaler gehandelt. Reinigung verlangt Opfer, das Äußerliche soll der Priester ruhig haben, nicht aber die befreite Seele. Die kann gar nicht anders als das Geschehene in die Welt hinauszuposaunen. Das Maul läuft über, wenn das Herz voll ist. Aufgetankt, wie im Rausch, betrunken von neuer Lebensenergie, verbreitet sich die gute Nachricht wie ein Lauffeuer. Der Fokus ist gelenkt auf die erlebte, gut ausgegangene Heilungsgeschichte, ein Liebeswunder in einfachsten Gesten.

Alles Erzählen verhallt im Leeren, wenn die Geschichte kein Herz hat. „Der Gesunde hat 1000 Wünsche, der Kranke nur einen.“ (Sprichwort) Erfüllt sich dieser Wunsch, krabbelt er, klettert er aus dem Gefängnis der Krankheit. Unglaublicher Weise steht da, unvermittelt, eine Himmelsleiter. Eben schien sie noch gar nicht da zu sein… Wie gut das tut: der frische, flüsternde Wind, der lautlose Fluss, die Höhenzüge, der Himmel, die Vogel-Gespräche, der belebte Wald mit seiner verborgenen Lichtung, die Sonne mit ihrer Strahlenzärtlichkeit! Das Bündel „Angst“ ist abgelegt, die neue Achtsamkeit gilt dir selbst! Wenn wir einander nicht berühren, sagen Liebende, dann kann die Seele nicht hüpfen im Leib. So geschieht letztlich alles, im Licht des Glaubens verstanden, zur „Verherrlichung Gottes“ (1 Kor 10,31-11,1) und seiner Weisheit, versteckt in den Menschen und Dingen. Der Spaß wird gebremst, die Freude frei gelassen. Die Weisheit hat ihre Freude an Geschöpfen, die sich das Dasein als ein Geschenk schmecken lassen. Es ausschöpfen und genießen, auch den Fasching, nicht nur in Franken, um selber (wieder) genießbar zu sein.

Sorgenbrecher, seid willkommen!

 Günther M. Doliwa

 

Bildnachweis: Masken © Günther Doliwa

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