Sonntagsbrief zum 5. Sonntag in der Osterzeit, 24. April 2016
23. April 2016 von Sigrid Grabmeier
Seht, da ist der Mensch
Als er hinausgegangen war, sagte Jesus: „Jetzt ist der Glanz des erwählten Menschen aufgestrahlt und Gottes Glanz strahlte auf in ihm. Wenn Gottes Glanz im erwählten Menschen aufstrahlte, wird auch Gott den Glanz des erwählten Menschen in sich leuchten lassen, und er wird ihn sofort leuchten lassen. Kinder, ich bin noch kurze Zeit bei euch. Ihr werdet mich suchen. Und wie ich schon zu den anderen Jüdinnen und Juden sagte, sage ich jetzt auch zu euch: `Wohin ich gehe, könnt ihr nicht gehen.´ Ich gebe euch ein neues Gebot, dass ihr euch gegenseitig liebt, wie ich euch geliebt habe, damit auch ihr euch gegenseitig liebt. Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jüngerinnen und Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt.“
Joh 13, 31-35
Bibel in gerechter Sprache
Ich kann mich noch sehr gut erinnern, mit welcher Inbrunst ich als kleines Mädchen an den Maiandachten mit Aussetzung des Allerheiligsten dabei war. Allein schon der Blumenschmuck und der Weihrauch erfüllten mich mit Hochgefühl. Und wenn dann der Meßner kam und dem Priester den Rauchmantel umlegte und der dann nach der Monstranz griff, sich langsam umdrehte und sie dann erhob und wir alle in tiefer Ehrfurcht kniend das „Tantum ergo sacramentum“ anstimmten, dann jagten mir regelmäßig heilige Schauer über den Rücken.
Nach meiner Erstkommunion begann ich darüber nachzudenken, dass ja eigentlich alle, die die Kommunion empfangen hatten, irgendwie eine Monstranz seien. Und dass man dann ja vor diesen Menschen besonders Ehrfurcht haben müsste. Irgendwann kam dann noch die Überlegung hinzu, dass man ja nicht weiß, wer bei der Kommunion gewesen ist und es deshalb vorsichtshalber ratsam wäre, vor allen besondere Ehrfurcht zu haben. Merkwürdige Gedankengänge, die ich lange verdrängt hatte.
Das heutige Evangelium hat mich an diese Gedankengänge, die mir seit einiger Zeit wieder präsent sind, erinnert. Jesus sagt von sich: „Jetzt ist der Glanz des erwählten Menschen aufgestrahlt und Gottes Glanz strahlte auf in ihm“. Bei mir löst das die Assoziation aus: „In jedem Menschen ist der Glanz des erwählten Menschen aufgestrahlt und Gottes Glanz strahlte auf in ihm“. In uns selbst und in jedem Menschen begegnet uns das Göttliche. Je ernster wir das nehmen umso leichter sollte uns doch fallen, das Gebot der unbedingten Nächstenliebe zu nehmen. Seht, da ist der Mensch.
Sigrid Grabmeier
Bildnachweis: Baummonstranz von Fritz Schwerdt, 1947. Ausführung 1956 für St. Antonius von Padua https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/d/d7/BaummonstranzFritzSchwerdtAachen1947.jpg