Sonntagsbrief zum 4. Sonntag im Jahreskreis 28. Januar 2018

26. Januar 2018 von Sigrid Grabmeier

Haltungsänderung

Auszug der Bischöfe © Sigrid Grabmeier

Ich will, dass ihr ohne Sorge seid. Der unverheiratete Mann sorgt sich ganz um die EWIGE, wie er der EWIGEN gefalle. Der verheiratete Mann sorgt sich um die Dinge der Welt, wie er der Ehefrau gefalle. Und er ist zerteilt. Die unverheiratete Frau und die junge Frau, die auf eine Ehe verzichtet, – sie sorgen sich ganz um die EWIGE, damit sie heilig seien an Körper und Geist. Die verheiratete Frau jedoch sorgt sich um die Dinge dieser Welt, wie sie dem Mann gefalle. Das sage ich zu eurem Nutzen, nicht um euch eine Schlinge überzuwerfen, sondern damit ihr in gerechter Lebensweise, beharrlich und nicht zerrissen bei der EWIGEN bleibt.

1 Kor 7, 32-35 Bibel in gerechter Sprache

Ein verhängnisvoller Text. Dabei ist Paulus eigentlich gar nichts vorzuwerfen. Er antwortet den Korinthern, die sich an ihn mit Fragen zu Sexualität und Ehe gewandt hatten. Und grundsätzlich befürwortet er die Ehe in den vorhergehenden Zeilen. Seine persönliche Bevorzugung der Ehelosigkeit ist vor dem Hintergrund der Naherwartung der Wiederkunft des Herrn zu sehen. „Ich möchte, dass alle Menschen so leben wie ich; doch alle haben eine eigene Begabung von Gott erhalten, die ganz unterschiedlich sein kann.“(1 Kor 7,7)

  Aber gerade die Sätze, 1 Kor 7, 32-35 haben eine Wirkung entfaltet, die wir heute noch spüren, die die Körperhaltung und das Nervensystem der katholischen Kirche dominieren. Anders als beispielsweise die Ratschläge in 1 Tim 3, wo der Lebenswandel eines Bischofs als treuer Ehemann und Familienvater beschrieben wird.

Über Tertullian, gestorben nach 220, immer noch in Naherwartung, Cyprian von Karthago und Augustinus, die ihren jugendlich-lasterhaften Lebenswandel kompensieren mussten, wurde aus diesen Sätzen eine Leibfeindlichkeit und Überhöhung der Ehelosigkeit und Jungfräulichkeit destilliert, die in Lumen Gentium, der großen dogmatischen Konstitution über die Kirche des II. Vatikanischen Konzils folgende Aussage begründete:

Darunter ragt die kostbare göttliche Gnadengabe hervor, die der Vater einigen gibt (vgl. Mt 19,11; 1 Kor 7,7), die Jungfräulichkeit oder der Zölibat, in dem man sich leichter ungeteilten Herzens (vgl. 1 Kor 7,32-34) Gott allein hingibt. Diese vollkommene Enthaltsamkeit um des Himmelreiches willen wurde von der Kirche immer besonders in Ehren gehalten als Zeichen und Antrieb für die Liebe und als eine besondere Quelle geistlicher Fruchtbarkeit in der Welt. (Lumen Gentium 42)

Im Dekret über Dienst und Leben der Priester, ebenfalls Frucht des Konzils, lesen wir:

„Die Kirche hat die vollkommene und ständige Enthaltsamkeit um des Himmelreiches willen, die von Christus dem Herrn empfohlen, ... besonders im Hinblick auf das priesterliche Leben immer hoch eingeschätzt. … Zwar ist sie nicht vom Wesen des Priestertums selbst gefordert, wie die Praxis der frühesten Kirche und die Tradition der Ostkirchen zeigt … . Der Zölibat ist jedoch in vielfacher Hinsicht dem Priestertum angemessen. … Durch die Jungfräulichkeit und die Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen werden die Priester in neuer und vorzüglicher Weise Christus geweiht; … (Presbyterium Ordinis 16)

Neben einer nahezu lebensbedrohlichen Leib- und Sexualfeindlichkeit führte die Überhöhung des Priesteramtes und des durch die Priester ausgeübten Kultes über die Jahrhunderte in der Körperhaltung zu einer Erstarrung, an der dieser Leib zu ersticken droht. Wenn nun der Leiter der vatikanischen Kleruskongregation, Kardinal Beniamino Stella, in einem Interviewbuch mit seinem Vorstoß für die Weihe von „Viri probati" eine leichte Korrektur anregt, dann kann das vielleicht eine kurzfristige Erleichterung bedeuten, aber die Fehlstellungen der Körperhaltung sind damit nicht behandelt. Die Dominanz der Kultverwaltung und Kultverwalter haben zu einer Unbeweglichkeit im Denken, Fühlen und Handeln geführt, die durch grundsätzliche orthopädische Maßnahmen auf der Grundlage einer gewollten Haltungsänderung behandelt werden müssen. Am ganzen Leib. Das heißt: jede Faser, jedes Glied muss sich an dieser Haltungsänderung beteiligen. Das ist eine Herausforderung an uns alle.

Ich wünsche Allen einen bewegten Sonntag.

Sigrid Grabmeier

 

 

 

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