Sonntagsbrief zum 4. Sonntag der Osterzeit, 7. Mai 2017

5. Mai 2017 von Reinhard Olma

Überhaupt: Vertrauen!

Felslabyrinth Luisenburg

„Amen, amen, ich sage euch: Diejenigen, die nicht durch die Tür in den Hof der Schafe hineingehen, sondern von woanders her einsteigen, sind Diebe und Räuberinnen. Wer aber durch die Tür hineingeht, ist Hirtin oder Hirte der Schafe. Diesen öffnet der Türhüter, und die Schafe hören ihre Stimme, und sie rufen die eigenen Schafe mit Namen und führen sie hinaus. Wenn sie die eigenen Schafe alle herausgeholt haben, gehen sie vor ihnen her und die Schafe folgen ihnen, weil sie ihre Stimme kennen. Anderen aber folgen sie auf keinen Fall, sondern sie fliehen vor ihnen, weil sie die Stimme der anderen nicht kennen.“ Dieses Gleichnis erzählte Jesus ihnen, sie aber verstanden nicht, was das bedeutete, was er ihnen gesagt hat.

Daraufhin sagte Jesus: „Amen, amen, ich sage euch: Ich bin die Tür für die Schafe. Alle, die vor mir kamen, sind Diebe und Räuberinnen; aber die Schafe haben nicht auf sie gehört. Ich bin die Tür; alle, die durch mich hineingehen, werden gerettet werden und hineingehen und hinausgehen und Weide finden. Diebische Menschen kommen nur um zu stehlen und zu töten und zu vernichten. Ich bin gekommen, damit alle Leben und Überfluss haben.“

Joh 10, 1-10  Bibel in gerechter Sprache

  

Am liebsten bleibt man heute bei den Psalmen. Da ist die Welt noch in Ordnung: Welche Wohltaten empfängt der Gute! Wie werden seine Anstrengungen belohnt! Er lagert auf grünen Auen und an frischen Wassern und ein reich gedeckter Tisch erwartet ihn. Und selbst in der Dunkelheit kann er den Weg nicht verfehlen. Der Herr ist sein Hirte und zeigt ihm, wo es lang geht. – Schön wärs.

Oder bleibt man doch bei der Apostelgeschichte? Da muss man den störrischen Mitmenschen nur mal vor Augen führen, welches Unheil sie angerichtet haben mit ihrem unüberlegten Handeln und damit, dass sie ihren korrupten und machtbesessenen Führern gedankenlos gefolgt sind, und schon bekehren sie sich und die Zahl der Guten wächst und wächst... – Schön wärs!

Unser tägliches Erleben spricht eine andere Sprache. Da werden die immer reicher, die schon alles haben; da sind die Populisten obenauf und die, die nur ihren eigenen Vorteil im Visier haben und ihn gnadenlos und ohne Rücksicht auf andere, auf die Ärmsten, auf die Umwelt durchsetzen, scheinen die Erfolgreichen zu sein. Und die Zahl der Christen wird zumindest in unserem Kulturkreis immer kleiner.

Und da soll man sich nach Johannes auch noch an den Schafen ein Beispiel nehmen, um das Leben in Fülle zu bekommen. Die bekommen das einfach nur dadurch, dass sie die richtige Stimme erkennen und ihr vertrauen. Ausgerechnet dumme Schafe! – Ja, wenn das so leicht wäre!

Andererseits: Wann haben wir uns denn schon mal vorbehaltlos leiten lassen? Wann haben wir denn schon mal bei offensichtlichem Unrecht das Wort laut und öffentlich ergriffen? Wann haben wir denn schon einmal „nur der Stimme“ vertraut?

Überhaupt: Vertrauen!

In einer ZDF-Aspekte-Sendung des vergangenen Monats war die Reformationsbotschafterin Margot Kässmann zu Gast. Als engagierte Christin schien sie in der Runde aufgeklärter und rationaler Menschen mit ihrer Motivation für ihr Denken und Handeln ziemlich einsam. Als einzige verwendete sie angesichts der gewaltigen Probleme überall auf der Welt den Begriff „Vertrauen“; Vertrauen auf die Veränderbarkeit der Welt mit Gottes Hilfe. Ob ihre Botschaft bei den skeptischen Diskussionsteilnehmern überhaupt ankam, erscheint eher zweifelhaft. Zwar war man in den Zielen überwiegend einig, aber ansonsten vertraute man doch lieber auf sich selbst und die eigene Kraft.

Und doch hat die Botschaft „Vertrauen ist möglich“ viel tröstliches, gerade in Zeiten, in denen man sich oft besonders ohnmächtig fühlt. Ähnlich ist auch die Botschaft des Spirituals „Old time religion“, das ich sehr gern singe. Es gibt gute Gründe, auf die „Religion der Vorfahren“ zu vertrauen, natürlich immer im Konsens kritischen Hinterfragens kirchlicher oder politischer Anordnungen. Sicher kann Vertrauen nur eine Komponente sein, aber es kann mich in meinem Handeln unterstützen und mir ein wenig „den Rücken frei halten“.

Und im aktiven Handeln, nicht im Abwarten erweist es sich, ob das Vertrauen gerechtfertigt war und ist. Der Untätigkeit und dem Abwarten reden die heutigen Texte nicht das Wort. Und auch nicht blindem Vertrauen: Schließlich müssen wir Schafe ja schon die vielen Stimmen prüfen, die täglich an unsere Ohren dringen, um die richtige zu erkennen. Mit Gelassenheit und Vertrauen unbeirrt weiter auf dem Weg gehen, der mir als vorgezeichnet scheint, ohne zu resignieren und ohne die Hände in den Schoß zu legen, weil doch eh alles keinen Zweck hat, das wäre doch eine schöne Konsequenz aus den Botschaften des heutigen Sonntags.

Zum Schluss zwei Beispiele für ein solches Handeln im Vertrauen, dass daraus Gutes erwachsen kann, ohne dass man es vorher genau zu bestimmen vermag.

Das erste bringt der Misereor-Fastenkalender 2017 in Erinnerung: Am Gründonnerstag 2016 sitzen eine evangelische Pfarrerin, zwei Obdachlose, ein Zwölfjähriger, ein Ordensbruder aus Mexiko, eine Rollstuhlfahrerin, ein Muslim, eine Flüchtlingshelferin, ein syrischer Flüchtling und drei Mitarbeiter des katholischen Kirchenfoyers an einem Tisch im Schaufenster des Kirchenfoyers von Münster, um am Tisch der Hoffnung gemeinsam Abendmahl zu feiern. Alle, die vorbeigehen, werden Zeugen dieses Geschehens und sollen ein Stück dieser Hoffnung mit nachhause nehmen.

Das zweite Beispiel ging kurz vor Ostern durch die Medien: Am 23. April dieses Jahres sind etwa 100 Läufer mit dem Segen von Papst Franziskus zu einem Lauf „Vom Papst zu Luther“ gestartet. Heute und morgen treffen sie in der Lutherstadt Eisleben, in Halle und in der Lutherstadt Wittenberg aus Anlass des Reformationsjubiläums ein.

Dass junge Menschen heute so etwas tun, gibt mir ein gutes Gefühl – Ihnen auch?

Reinhard Olma

Bildnachweis: Felsen © Sigrid Grabmeier

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