Sonntagsbrief zum 4. Sonntag der Fastenzeit, 10. März 2024

8. März 2024 von Magnus Lux

Leben – ein Geschenk Gottes

Aber Gott ist reich an Barmherzigkeit. Mit seiner ganzen Liebe hat er uns geliebt und uns zusammen mit Christus lebendig gemacht. Das tat er, obwohl wir tot waren aufgrund unserer Verfehlungen.– Aus reiner Gnade seid ihr gerettet! –Er hat uns mit Christus auferweckt und zusammen mit ihm einen Platz im Himmel gegeben. Denn wir gehören zu Christus Jesus! So wollte Gott für alle Zukunft zeigen, wie unendlich reich seine Gnade ist: die Güte, die er uns erweist, eben weil wir zu Christus Jesus gehören.

 

Denn aus Gnade seid ihr gerettet –durch den Glauben. Das verdankt ihr nicht eurer eigenen Kraft, sondern es ist Gottes Geschenk. Er gibt es unabhängig von irgendwelchen Taten, damit niemand darauf stolz sein kann. Denn wir sind Gottes Werk. Aufgrund unserer Zugehörigkeit zu Christus Jesus hat er uns so geschaffen, dass wir nun das Gute tun. Gott selbst hat es im Voraus für uns bereitgestellt, damit wir unser Leben entsprechend führen können.

Eph 2,4-10 Basisbibel 

 

Leben - ein Geschenk Gottes 

Ojemine, ojemine! Was wird uns denn da in der Lesung aufgetischt! Wer soll das denn heutzutage verstehen? Das sind doch Gedankengänge, die wir heutige Menschen kaum mehr nachvollziehen können. Selbst die Bibel in moderner Sprache kann uns da nicht überzeugen. „Kleriker-Sprech“ hat das mal jemand genannt. Wer heute so predigt, der verjagt doch die Menschen aus der Kirche. 

 

Unser Nachdenken setzt ja schon beim ersten Wort ein: „Gott“. Auf der Würzburger Synode vor gut 50 Jahren prägte Karl Rahner den unvergesslichen Satz: „Gott sei Dank gibt es das nicht, was sich 60-80 Prozent der Katholiken unter Gott vorstellen.“ Kardinal Karl Lehmann schrieb 2004: „Das Zweite Vatikanische Konzil konnte noch relativ beruhigt von Gott reden und das Bekenntnis an ihn voraussetzen. Inzwischen sind alle Selbstverständlichkeiten, wenn sie es je waren, in diesem Bereich Vergangenheit.“ Wie also dann über Gott reden? Mir ist das Wort Karl Rahners wegweisend: „das absolute Geheimnis, Gott genannt“. Ein Geheimnis kann ich vielleicht einmal lüften, das absolute Geheimnis aber nie ergründen. Der Philosoph Ludwig Wittgenstein meint deshalb: „Worüber man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.“ Aber können wir wirklich schweigen? Über Gott reden alle Menschen seit Jahrtausenden – selbst dann, wenn sie wie der altgriechische Philosoph Xenophanes meinen, dass nicht Gott die Menschen, sondern die Menschen Gott erschaffen haben: „Wenn die Pferde Götter hätten, sähen sie wie Pferde aus.“



Vor der Vermenschlichung Gottes warnt schon die Bibel des Alten Testaments: „Du sollst dir kein Kultbild machen und keine Gestalt von irgendetwas am Himmel droben, auf der Erde unten oder im Wasser unter der Erde.“ Alle Vorstellungen von Gott sind Metaphern, Bildworte und Vergleiche; wer sie als reale Aussagen, als Wirklichkeit versteht, der missversteht sie. So wie ich heute zu einem langen Lulatsch sagen kann „du Bohnenstange“, so haben die Menschen Gott mit einem Hirten verglichen, der sich um seine Herde kümmert, mit einem König, der sein Volk gerecht regiert. Uns ist das Bild geläufig: der alte Mann mit langem Bart, der auf einem Thron sitzt und dessen Schleppe den ganzen Thronsaal füllt. Es ist zur Karikatur geworden, weil man es wörtlich genommen hat, als „Beschreibung“ Gottes. Dabei meint es Weisheit und Würde, Macht und Erhabenheit – wie es eben auch die Queen dargestellt hat, als bei deren Krönung sechs Männer die meterlange Schleppe trugen.

 

Wir müssen uns heute nicht an die alten Bilder von Gott klammern, wir können durchaus in Bildern reden, die uns heute geläufig sind, bis hin zu der Aussage: „Mein Gott diskriminiert nicht!“ Damit drücken wir unsere Hoffnung aus, wie Menschen, die von Gott reden, miteinander umgehen und in seinem Sinn handeln sollen. Seien wir wachsam und kritisch, wenn uns jemand vorgaukelt, er wüsste genau, wer Gott ist und was er will, und wer nicht so denke, der glaube nicht richtig! 



Und da kommen wieder die alten Bilder und Worte ins Spiel, die wir aufgreifen und neu aussagen können. Dass wir leben, können wir als Geschenk begreifen. Es fordert uns auf, das Richtige zu tun; gleichzeitig jedoch macht uns dieser Gedanke frei, wir müssten uns ein sinnvolles Leben verbissen erkämpfen. Wir nennen das Glaube oder Vertrauen in die Zukunft. 

 

Niemand möchte mehr mit den frommen Sprüchen unserer Großeltern und Urgroßeltern belehrt werden: „Immer, wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her.“ Doch genau genommen haben sie recht: Wir müssen nicht verzweifeln, wenn in unserem Leben so manches schiefgeht. Heute sagt man vielleicht: „Die Hoffnung stirbt zuletzt“ oder: „Wer nichts mehr erwartet, hat nichts mehr zu erwarten“. 
Wir müssen nicht mehr vom „lieben Gott“ reden, der alles schon richten wird, und dabei ausblenden, was auf der Erde so Furchtbares passiert. Und doch wissen wir, dass ohne Liebe und ohne Aufeinander-Zugehen menschliches Leben verkümmert. 

 

Wir müssen auch nicht mehr von Gnade reden, ein Wort, das in unserem alltäglichen Sprachgebrauch kaum mehr vorkommt. Aber wir halten es für richtig und notwendig, dass der Starke den Schwachen schützen muss, und nennen das soziale Verantwortung. 

 

Und wenn uns auch das Wort „Erbarmen“ nicht mehr geläufig ist, so ist uns doch wichtig, dass wir uns von der Not anderer Menschen anrühren lassen; das zeigt ja die große Spendenbereitschaft der Menschen in unserem Land.

Was macht also das Leben aus? Glaube – Hoffnung – Liebe. Nur dort ist Leben – ein Geschenk Gottes.

 

Magnus Lux

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