Sonntagsbrief zum 32. Sonntag im Jahreskreis, 8. November 2015
7. November 2015 von Magnus Lux
Die Kunst des Teilens
Sonntagsbrief 32. Sonntag im Jahreskreis, 8. November 2015
Er lehrte: „Seht euch vor solchen Toragelehrten vor, die gern in langen Gewändern umhergehen, die Grüße auf den Marktplätzen ebenso lieben wie Ehrenplätze in den Synagogen und bei den Mahlzeiten. Sie verschlingen die Häuser der Witwen und beten zum Schein besonders lang. Sie werden einen umso schlimmeren Urteilsspruch empfangen.“
Jesus setzte sich im Tempel in die Nähe der Schatzkammer und beobachtete, wie das Volk Geldmünzen in die Schatzkammer warf. Viele Reiche warfen viel hinein. Da kam eine bettelarme Witwe und warf zwei kleine Geldmünzen hinein, die nur wenig wert waren. Da rief Jesus seine Jüngerinnen und Jünger zu sich und sagte zu ihnen: „Ja, ich sage euch: Diese bettelarme Witwe hat mehr als alle anderen in die Schatzkammer hineingeworfen. Alle anderen haben aus ihrem Überfluss heraus gegeben, sie aber hat aus ihrer Armut heraus alles hineingeworfen, was sie besaß – ihren ganzen Lebensunterhalt. Damit hat sie ihr ganzes Leben Gott anvertraut.“
Mk 12, 38 -44
Bibel in gerechter Sprache
Man muss ja nicht den Slogan „Geld regiert die Welt“ für den wichtigsten Satz halten, oft sarkastisch zugespitzt als „Wo du nicht bist, Herr Jesu Christ, all Hoffen und Flehen vergebens ist“, untermauert mit der Geld zählenden Daumen-Zeigefinger-Bewegung, um dem heutigen Evangelium mit einiger Skepsis zu begegnen.
Statt dass Jesus froh darüber ist, dass viele Leute spenden und gerade die Reichen sich nicht lumpen lassen und viel geben, meckert er. Und dann stellt er seinen Jüngern/innen eine Frau vor, die gerade mal zwei von den kleinsten Münzen einwirft. Kein Gemeinwesen kann ohne Geld auskommen – die Frage der gerechten Lastenverteilung lassen wir hier mal weg. Keine Kirche kann ohne Geld auskommen, wenn sie ihre Aufgaben erfüllen will, – die Frage nach der Anhäufung von Reichtum lassen wir auch hier weg. Was will er also mit dem berühmten „Scherflein“ der armen Witwe?
Da denke ich an das Gespräch im Familienkreis vor etlichen Jahrzehnten. Die Misereor-Sammlung stand bevor und wir überlegten, wie viel wir denn geben sollten. Also fünf Mark müssten es schon sein, nicht nur ein paar Kröten wie beim sonntäglichen Klingelbeutel, meinte einer. Aber die verrauche ich doch in einer Woche, antwortete eine andere. Stimmt. Also wie wär’s mit 50 Mark, die sind ja nicht von Pappe. Die geben wir aus, wenn wir am Sonntag essen gehen. Großes Fragezeichen. Und 500, die würden wir doch spüren, oder? Die würden wir freilich spüren, aber – das ist nicht einmal die Hälfte von dem, was wir in einem Urlaub ausgeben. Und da machte eine den dreisten Vorschlag: Und wie ist es mit 5000, hä? Jetzt gab es erst einmal großes Schweigen – bis ein Paar meinte: Dann würden wir halt unseren Bauplatz ein Jahr später kaufen.
Wir blieben ratlos zurück. Und diese Ratlosigkeit ist es vielleicht, in die Jesus seine Jünger/innen führt, um sie zum Nachdenken zu bringen, er will ihnen nicht mit der Moralkeule kommen. Die Reichen haben viel gegeben – aber sie konnten es auch, es hat ihnen nicht wehgetan, sie gaben von ihrem Überfluss. Die arme Witwe aber gibt alles, was sie hat, ihren ganzen Lebensunterhalt. Es kommt also nicht auf den realen Wert der Spende an, sondern ob sie von Herzen kommt und wirklich spürbar ist.
Vergleichen wir unsere heutige Situation. Da kommen Flüchtlinge aus aller Herren Länder nach Deutschland und werden von der großen Mehrheit willkommen geheißen. Sie kommen als Kriegsflüchtlinge, denen nichts als ihr Leben geblieben ist und die in ihrem Heimatland keine Zukunft mehr sehen. Sie kommen in ein reiches Land – und doch stöhnen viele: Wir schaffen das nicht! Und zu den vielen gehören auch Christinnen und Christen, denen doch die Worte Jesu im Herzen brennen müssten: Ich war hungrig und ihr habt mir zu essen gegeben, ich war durstig und ihr habt mir zu trinken gegeben, ich hatte nichts zum Anziehen und ihr habt mir Kleidung gegeben, ich war fremd und ihr habt mich bei euch aufgenommen. Wollen wir unseren Überfluss nur für uns alleine behalten?
Magnus Lux