Sonntagsbrief zum 32. Sonntag im Jahreskreis 10. November 2019

8. November 2019 von Sigrid Grabmeier

Unsere Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens

Roman Eisele, Waibstadt Jüdischer Friedhof

 

Einige Sadduzäer kamen hinzu, die bestreiten, dass es Auferstehung gebe. Sie fragten ihn: „Lehrer, Mose hat uns geschrieben: wenn der Bruder eines Mannes stirbt, der eine Frau hatte, aber kinderlos war, soll sein Bruder die Frau heiraten und seinem Bruder Samen auferstehen lassen. Es waren nun sieben Brüder. Der erste heiratete eine Frau und starb kinderlos. Der zweite und der dritte heiratete dieselbe, so taten alle sieben, und sie hinterließen kein Kind und starben. Am Schluss starb auch die Frau. Die Frau nun, welchem von ihnen soll sie bei der Auferstehung als Frau gehören? Denn die sieben haben diese ja alle zur Frau gehabt!“ Und Jesus sagte zu ihnen: „Die Kinder dieser Welt heiraten und werden verheiratet, jene aber, die würdig sein werden, jener Welt anzugehören und der Auferstehung von den Toten: die heiraten nicht und werden nicht verheiratet. Auch sterben können sie dann nicht mehr, denn sie sind engelgleich, und als Kinder Gottes haben sie Teil an der Auferstehung. Dass die Toten aber auferweckt werden, hat doch auch Mose beim Dornbusch angedeutet: Wie er DIE LEBENDIGEnennt: Gott Abrahamsund Gott Isaaks und Gott Jakobs.Gott aber ist nicht Gott von Toten, sondern von Lebenden: für ihn sind alle lebendig.“

Lukas 20, 27-38 Bibel in gerechter Sprache

Unsere Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens

Jesus ist kurz vor dieser Szene auf einem Eselfüllen in Jerusalem eingeritten, er war im Tempel und hat die Händler hinausgetrieben, er hat die römische Besatzung und Besteuerung kritisiert und war auf Grund seines Verhaltens und seine Reden in den Fokus der jüdischen Obrigkeit geraten. Nach den Pharisäern versuchen nun auch die Sadduzäer Jesus aufs Korn zu nehmen. - Sie selbst glauben nicht an die Auferstehung und treten mit einem lächerlichen Beispiel an ihn heran, um ihn zu provozieren. Jesus aber hält ihnen eine ganz andere Vorstellung entgegen – ein Aufgehoben sein in der Wirklichkeit Gottes.

Mich erinnert dieses Beispiel an Menschen, die von sich sagen, sie würden nicht an Gott glauben, weil das ja sowieso alles Märchen seien, das mit Adam und Eva, und das mit Maria und der Geburt, das mit der Auferstehung und so weiter... . Und an ein Leben nach dem Tod würden sie schon gar nicht glauben. - Es sind Menschen, die zwar christlich sozialisiert und inkulturiert wurden, die aber nie eine fruchtbare Auseinandersetzung mit dem ihnen überlieferten Glauben führen konnten und ihn so lieber ganz ablegten. 

Die Sadduzäer lehnten die Idee der Auferstehung ab, da sie ihrer Meinung ja nicht in der Thora vorkomme. - Und weil sie, um ihre Ablehnung noch weiter zu begründen, ein Zerrbild eines Lebens nach dem Tod entwarfen. In Regensburg im Stadtmuseum stieß ich auf drei mittelalterliche jüdische Grabsteine, die ein ganz anderes Bild des ewigen Lebens entstehen lassen, das dem des Jesus von Nazareth nahe kommt. Auf dem einen steht: „hier ist begraben …, der in seine Welt einging“, auf dem zweiten: „Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens“ und auf dem dritten: „… der einging in den Garten Eden“.

Und noch eine andere jüdische Idee ist mir in Form einer Legende aus dem Talmud begegnet, nachdem ich angefangen hatte das Evangelium in mir rumoren zu lassen. Die Legende von den 36 Gerechten erzählt, dass es auf der Welt stets 36 Gerechte gibt, um derentwillen Gott die Welt, trotz ihrer Sündhaftigkeit, nicht untergehen lässt. Die 36 ungekannt, niemand weiß, ob sie arm oder reich, Förster, Ärztinnen, Schuhmacher, Soldaten oder Verkäuferinnen sind – aber ohne ihre selbstlosen Werke wäre die Welt längst zerstört. - Auch sie selbst wissen nicht, dass sie zu diesem Kreis gehören. Die Zahl 36 ist eine Verdoppelung von 18. Die Zahl 18 steht für das Wort „Leben“, die 36 steht demnach für „doppeltes Leben“. - Ich deute das so, dass es immer Menschen gibt, die in ganz besonderer Weise dem Leben dienen. Sie sind es, die dazu beitragen, dass das Leben weitergegeben wird und weitergeht. - Und so geht das eigene Leben in das Leben der anderen ein und lebt in ihnen und in der Ewigkeit fort.

Es ist für mich eine tröstliche Vorstellung, in den Bund des Lebens eingebunden zu sein und aufgehoben zu sein in der Welt Gottes, Gott der Lebenden.

Ich wünsche Ihnen einen gesegneten, lebensvollen Sonntag

Sigrid Grabmeier

 

Bildnachweis: 

Roman Eisele,  Waibstadt Jüdische Friedhof, ein halb von einem Baum umwachsener Grabstein im alten (südlichen) Teil des Friedhofes.

 

 

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