Sonntagsbrief zum 31.Sonntag im Jahreskreis, 5. November 2023

2. November 2023 von Magnus Lux

Bei euch soll es nicht so sein!

Darauf redete Jesus zur Menge und seinen Jüngerinnen und Jüngern. Er sagte: „Auf dem Stuhl Moses' sitzen toragelehrte und pharisäische Leute. Alles, was sie euch lehren, das tut und daran haltet euch. Aber haltet euch nicht an das, was sie tun, wenn ihre Worte nicht mit ihren Taten übereinstimmen. So binden sie schwere und unerträgliche Lasten zusammen und legen sie auf die Schultern der Menschen, selbst aber wollen sie sie nicht mit einem Finger bewegen. Alles, was solche Leute tun, ist darauf gerichtet, den Menschen ins Auge zu fallen. Sie machen ihre Gebetsriemen breit und vergrößern ihre Schaufäden; sie lieben den Ehrenplatz bei den Mahlzeiten und die Ehrenstühle in den Synagogen; sie lieben es, auf den Straßen begrüßt zu werden und von den Leuten Lehrer und Lehrerin genannt zu werden.

Ihr jedoch sollt euch nicht Lehrerin oder Lehrer nennen lassen, denn einer ist euer Lehrer und ihr untereinander seid alle Geschwister. Ihr sollt niemanden auf der Erde euren Vater oder eure Mutter nennen, denn allein Gott im Himmel ist für euch Vater und Mutter. Auch lasst euch nicht Erzieher oder Erzieherin nennen, denn nur einer ist euer Erzieher, der Messias. Die bei euch wichtig sind, sollen euch dienen. Alle, die sich selbst erhöhen, werden erniedrigt werden, und die, die andere nicht beherrschen wollen, werden erhöht werden.“

Mt 23,1-12  Bibel in gerechter Sprache

 

Bei euch soll es nicht so sein

Ha! Denen hat er es aber kräftig gegeben, unser Herr, den Pharisäern und Schriftgelehrten! Der hat ihnen nicht nur die Leviten gelesen, sondern ihnen den Spiegel vorgehalten, was für scheinheilige und hinterfotzige Menschen sie sind! Ja, da geht einem so richtig das Herz auf. Die Lehre der Toragelehrten, also der Theologen seiner Zeit, und der Pharisäer, der besonders Frommen, greift er nicht an. Was ihm ein Dorn im Auge ist: ihre Worte stimmen nicht mit ihren Taten überein. Und sie binden den Menschen Lasten auf, die zu tragen sie selbst nicht bereit sind. Und sie machen ihre Gebetsriemen breit und ihre Quasten lang, damit sie von allen als die erkannt und geachtet werden, die zu sein sie vorgeben. Usw. usw.

Und dann stellt er vor, wie Menschen leben sollten, die sich seiner Botschaft öffnen. – Was jetzt, wie? Was soll denn das, das ist doch Quatsch! Natürlich haben wir Väter und Lehrer und Erzieher. Anders geht doch normales Zusammenleben gar nicht! – Wir haben uns so sehr daran gewöhnt, alles Abwertende den Pharisäern zuzuschreiben, den Heuchlern, und alles Positive uns selber, den Christinnen und Christen, dass wir es gar nicht mehr für nötig befinden, die Worte des Mannes aus Nazaret offen an uns heranzulassen.

Wie, wenn wir die Worte „Pharisäer und Schriftgelehrte“ mal austauchten und dafür „Christen und Christinnen“ setzten? Finden wir dann nicht uns, unsere Kirche, unsere Bischöfe, unsere Gemeinden in diesen Worten wieder? Stimmen unsere Worte mit unseren Taten überein? Unser frommes Gebaren ist oft eine schützende Hülle, die uns nach innen blicken lässt, die uns um uns selber kreisen lässt, anstatt die wirklichen Probleme in Kirche und Welt in den Blick zu bekommen. Und wer es wagt, von dieser Selbstbeweihräucherung wegzukommen und den Finger in die Wunden zu legen, der und vor allem die wird nicht nur mit Argwohn beäugt, sondern als Nestbeschmutzer*in verunglimpft.

Aber seien wir nicht zu hartherzig anderen gegenüber. Geben wir es zu: wir haben alle mitgemacht. Was waren wir begeistert, wenn der Bischof in unsere Kleinstadt gekommen ist! Welch besondere Ehre war es, mit weißen Handschuhen und Umhang die Mitra, den Stab und das Kreuz zu halten, die lange Schleppe beim prächtigen Einzug tragen zu dürfen. Wie aus einer anderen Welt, aus der Welt Gottes eben, kam er uns vor. Und bei einer Priesterweihe waren alle tief ergriffen – bis uns ein kleines Kind auf den Schultern des Vaters aus unserer Trance, unserer himmlischen Entrückung herausriss: Guck mal, Papa, wie im Fasching!

Ist denn unser christliches Leben nur Theater, nur Schau, nur liturgisches Geländespiel, wie wir als Pfadfinder sagten? Wenn wir an diesem Punkt angekommen sind, dann erst sind wir offen für das, was gemeint ist, wenn der Mann aus Nazaret, den wir als den Christus bekennen, sagt: Bei euch soll es nicht so sein! Vielleicht sind wir endlich auf dem Weg zu begreifen, was Kirche bedeutet: die Gemeinschaft der Glaubenden, der Frauen und Männer, der Kinder, Jugendlichen und Alten, der Hetero- wie der Homosexuellen und derer, die sich auch darin nicht wiederfinden, der Nah- wie der Fernstehenden – und der Leiter und in naher Zukunft auch der Leiterinnen des Volkes, die ihm dienen und es nicht bevormunden; die Gemeinschaft derer, die Ernst machen mit dem Wort: Christ*in ist man nicht für sich selbst, sondern für andere. Sind wir auf dem Weg dazu, den Heiligen Vater – mit diesem Titel sprechen wir in der Liturgie Gott an (!) – als einen Menschen wie du und ich anzusehen statt als unfehlbaren Monarchen und quasi als Vertreter Gottes auf Erden? Sind wir auf dem Weg dazu, die Bischöfe als die Leiter der Ortskirche anzusehen statt als von Gottes Gnaden über dem Volk Schwebende und dem menschlichen Urteil Enthobene? Sind wir auf dem Weg dazu, die sich Kleriker Nennenden als Diener der Gemeinde anzusehen statt als auf einem Podest stehende Unantastbare? Sind wir auf dem Weg dazu, alle als Geschwister anzusehen statt als in Stände und Geschlechtergruppen Gepferchte? Sind wir auf dem Weg dazu, die Worte und Taten unseres Herrn als Richtschnur für unser eigenes Handeln nicht nur anzusehen, sondern auch zu befolgen, nicht ausgeklügelt und so zurechtgebogen, wie sie uns passen?

Ich meine: ja. Ja: Wir haben uns auf den Weg gemacht, den Synodalen Weg in Deutschland und die Weltsynode in Rom. Beim Synodalen Weg waren (fast) alle bemüht, miteinander als Brüder und Schwestern der Kirche Zukunft zu eröffnen. Das den Synodalen in Rom vorgeschriebene Hören hinter verschlossenen Türen, das ihnen auferlegte Schweigen haben diese weggewischt. Wer soll hören, wenn niemand spricht? Wer soll schweigen, wenn doch alle dazugehören sollen? Bei euch soll es nicht so sein wie sonst allgemein üblich, hält uns der Mann aus Nazaret, Jesus, der Christus vor Augen. Wir können uns nur auf ihn berufen, wenn wir sein Wort und sein Handeln an uns herankommen lassen, es in unsere Zeit umsetzen und dann vorbildhaft leben. Machen wir aus dem Zuspruch „Ihr seid das Salz der Erde und das Licht der Welt“ Wirklichkeit!

Magnus Lux

 

Herzliche Einladung zu unseren Online Veranstaltungen: 

 

Unsere nächsten Gespräche am Jakobsbrunnen
 von 19:00 bis 20:00 Uhr

Dienstag 7. November Bericht und Austausch zu Erlebnissen und Erfahrungen während der Synode in Rom,

mit Christian Weisner, Martha Heizer und anderen.

 

Dienstag 14. November

Dienstag 21. November

Dienstag 28. November Online Andacht

 

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