Sonntagsbrief zum 31. Sonntag im Jahreskreis 3.November 2019

1. November 2019 von Barbara Dominguez

An-Sehen

Alina

 

Und er kam nach Jericho und zog hindurch. Siehe, da war ein Mann namens Zachäus, der war Oberzöllner und reich. Er versuchte, zu sehen, wer Jesus denn sei, aber wegen der Menge Leute konnte er es nicht. Denn er war klein gewachsen. Er eilte voraus und stieg auf einen Maulbeerbaum hinauf, damit er ihn sehe, wenn er vorbeiziehen würde. Und als Jesus an jenem Ort vorbeikam, sah er hinauf und sagte zu ihm: „Zachäus, komm schnell herunter! Denn heute muss ich in deinem Haus bleiben!“ Er kam schnell herunter und nahm ihn mit Freuden auf. Und alle sahen es und murrten, indem sie sagten: „Bei einem Sünder kehrt er ein, um zu übernachten.“ Zachäus aber stellte sich vor den Befreier hin und sagte: „Sieh, Gebieter, die Hälfte meines Vermögens gebe ich den Armen. Und wenn ich von jemandem etwas erpresst habe, gebe ich es vierfach zurück!“ Darauf sagte Jesus zu ihm: „Heute ist diesem Haus Rettung widerfahren, denn dieser Mann ist auch ein wahrer Nachkomme Abrahams. Denn ich bin gekommen, um zu suchen und zu retten, was verloren ging.“

 

Lk 19, 1-10 Bibel in gerechter Sprache 

An-Sehen

Die Geschichte von Zachäus kennen wir seit Kindertagen. In den Religionsstunden und bei Kindergottesdiensten eignet sie sich großartig zum Nachspielen. Besonders wenn ein richtiger kleiner Lausbub den Zachäus spielt, rührt uns die Geschichte noch mehr an. Warum ist uns dieser rücksichtslose Geldeintreiber, dieser skrupellose Gauner sympathisch, ja sogar liebenswert? Vielleicht, weil Jesus sich ihm zuwendet, obwohl oder gerade weil er eben kein rechtschaffener, „frommer“ Mensch ist. Zachäus ist alles andere als perfekt. Wenn sich Jesus also sogar mit diesem Gauner abgibt, dann sieht er natürlich auch uns an, gibt uns un-perfekten Menschen ein An-sehen.

Zachäus ist von kleiner Statur, vielleicht fühlt er sich nicht nur körperlich, sondern auch als Persönlichkeit klein, ungenügend, letztlich den anderen gegenüber nicht gewachsen. Er kaschiert es mit Imponiergehabe, bedient sich einer Macht, die ihm Politik und Bürokratie in die Hand spielt. Nützt ihm nichts. Wird abgelehnt, ausgegrenzt, angefeindet. Zachäus hört von Jesus und will ihn sehen, wie auch die vielen Menschen um ihn, denen er sich aber nicht anschließen kann. Auf dem Baum ist er eigentlich wieder allein und isoliert! Trotzdem ist sein Auf-den-Baum-klettern sein erster, entscheidender Schritt hin auf Jesus zu. Zachäus freut sich unbändig, als Jesus ihn auffordert, schnell von seinem einsamen Baum herunterzusteigen. – Ich denke, da und dort finden wir im Verhalten des Zachäus Ähnlichkeiten mit unserem eigenen…

Im Lukasevangelium steht diese Geschichte kurz vor Jesu letzten Tagen in Jerusalem, sie wirkt wie eine Zusammenfassung seiner Lehre vom Reich Gottes. Jesus sieht zu ihm hinauf, spricht ihn beim Namen an: „Zachäus, ich möchte heute in deinem Haus bleiben!“ Was Anerkennung, Wertschätzung, An-Sehen bewirken können! Dazu braucht es nicht viele Worte. Die Froh-Botschaft Jesu zeigt sich ganz wesentlich in seinen Taten, seinen Handlungen. –

Ist mir bewusst, was ich in einem Menschen in Bewegung setzen könnte, wenn ich ihm mit ermutigendem An-Sehen begegne? Was hat Wertschätzung bei mir selber schon einmal ausgelöst? Wo fehlt sie mir? Hier möchte ich anmerken, dass mir die ehrliche, aufrichtige Wertschätzung unserer Kirche uns Frauen gegenüber immer noch fehlt. Mit fehlender Wertschätzung geht so viel verloren.

Haben Sie schon einmal von der „Bibel in leichter Sprache“ gehört? Sie können die Sonntagsevangelien online lesen. Diesmal steht so klar und „leicht“ am Ende des heutigen Evangeliums:

Jesus sagte zu Zachäus:

Gut, dass ich zu dir gekommen bin.
Jetzt merkst du selber, dass du ein gutes Herz hast.
Jetzt tust du selber gute Dinge.
Deswegen bin ich von Gott zu den Menschen gekommen.
Damit ich die Menschen besuche.
Und damit die Menschen merken, dass sie ein gutes Herz haben.

 

Barbara Dominguez

Bild: von Alina

 

 

 

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