Sonntagsbrief zum 30. Sonntag im Jahreskreis, 29. Oktober 2017

27. Oktober 2017 von Eva-Maria Kiklas

Jesu Liebesgebot

...die Welt, in der niemand hungern muss,liegt vor unseren Augen...

Als einige der pharisäischen Männer und Frauen hörten, dass er die sadduzäischen Leute zum Schweigen gebracht hatte, versammelten sie sich; und einer von ihnen, ein Toragelehrter, befragte ihn, um ihn auf die Probe zu stellen: „Lehrer, welches Gebot in der Tora ist das größte?“ Er sagte zu ihm: „Du sollst Adonaj, deinen Gott, von ganzem Herzen, mit deinem ganzen Leben und mit deinem ganzen Verstand lieben. Dies ist das große und erste Gebot. Und das zweite ist ihm gleich: Du sollst deine Nächsten lieben wie dich selbst. An diesen beiden Geboten hängt die ganze Tora und die Prophetie.“

Mt 22, 34-40 Bibel in gerechter Sprache

 

 Die Antwort, die Jesus auf die Frage der Pharisäer gibt, ist für mich das Kernstück des Christentums, mehr als Kreuz und Auferstehung. Sie betrifft jeden in jeder Lebenssituation und sie war auch das Kennzeichen der Jesusgemeinden: „ Seht, wie sie einander lieben“. Sie ist auch die „Regierungserklärung“ für den Aufbau des Reiches Gottes und das, was man als Nachfolge Jesu bezeichnen kann. In den Gerichtsreden und der Bergpredigt, sowie im Gleichnis vom barmherzigen Samariter gibt Jesus ganz konkrete „Gebrauchsanweisungen“, wie diese Nächstenliebe gelebt werden kann und dass diese das Kriterium für den Zugang zum Reich Gottes ist.

Aber darüber ist genug gesagt und geschrieben worden. Doch wie steht es um den ersten Teil der Forderung Jesu, der Gottesliebe: von ganzem Herzen, mit deinem ganzen Leben und deinem ganzen Verstand? Schon bei Letzterem kommen wir, wenn wir ehrlich sind, an Grenzen. Können wir Gott erfassen mit unserem Verstand? Lieben wir ihn mit unserem „ganzen Leben“? Wie müsste solch ein Leben aussehen? Natürlich können wir im Gebet, im Dank, im Lobpreis und in der Meditation versuchen, uns Gott zu nähern. Wir schaffen uns dazu eine Person, einen Vater, wie Jesus diesen Gott ansprach. Aber wir wissen auch, dass wir Gott mit all unseren Vorstellungen nicht erreichen. Er ist immer größer, unfassbarer. Wohin also mit unserer kleinen menschlichen „Liebe“? Liegt vielleicht die Antwort in der Verknüpfung der beiden Gebote, wenn Jesus sagt: „das zweite ist ihm gleich“? Wir können die Liebe, die wir Gott entgegen bringen möchten, an unsere Nächsten weitergeben. Ich erinnere mich an einen Ausspruch von Dorothee Sölle, dass Gottes Liebe nur erfahrbar wird durch die Liebe von Menschen. Wir Menschen sind die verlängerten Arme Gottes. So wirkt Gott in der Welt und so könnte Reich Gottes beginnen. Vielleicht ist das auch eine Antwort auf die ständige Frage der Menschen: „Wie kann das Gott zulassen?“ Sie verkehrt sich in die Frage: Wie können wir das zulassen: die Ungerechtigkeit in der Welt, die Kriege, den Streit um Macht und Geld, den Hunger, die fortwährende Zerstörung der Natur?

Papst Franziskus hat die internationale Gemeinschaft anlässlich des Welternährungstages aufgerufen im Kampf gegen den weltweiten Hunger (Anstieg auf rund 800 Millionen) mehr gegen Kriege und Klimawandel zu tun. Diese führen ja auch zu den weltweiten Flüchtlingsbewegungen. Dieser Aufruf gilt nicht nur den Regierenden, sondern jedem, jeder von uns.

Mögen sich die folgenden Worte der Hoffnung von Dorothee Sölle bald erfüllen:

Die Zeit ist von Gott erfüllt,
und die Welt, in der niemand hungern muss,
liegt vor unseren Augen.
Kehrt um und vertraut der Botschaft,
die die Verlorenen rettet.

Ihnen allen einen gesegneten Sonntag

Eva- Maria Kiklas

 

 

 

 

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