Sonntagsbrief zum 3. Sonntag in der Osterzeit, 10. April 2016
9. April 2016 von Georg Mollberg
Ungewöhnliches wagen
In jener Zeit offenbarte sich Jesus den Jüngern noch einmal. Es war am See von Tiberias und er offenbarte sich in folgender Weise. Simon Petrus, Thomas, genannt Didymus (Zwilling), Natanael aus Kana in Galiläa, die Söhne des Zebedäus und zwei andere von seinen Jüngern waren zusammen. Simon Petrus sagte zu ihnen: Ich gehe fischen. Sie sagten zu ihm: Wir kommen auch mit. Sie gingen hinaus und stiegen in das Boot. Aber in dieser Nacht fingen sie nichts. Als es schon Morgen wurde, stand Jesus am Ufer. Doch die Jünger wussten nicht, dass es Jesus war. Jesus sagte zu ihnen: Meine Kinder, habt ihr nicht etwas zu essen? Sie antworteten ihm: Nein. Er aber sagte zu ihnen: Werft das Netz auf der rechten Seite des Bootes aus und ihr werdet etwas fangen. Sie warfen das Netz aus und konnten es nicht wieder einholen, so voller Fische war es.
Da sagte der Jünger, den Jesus liebte, zu Petrus: Es ist der Herr! Als Simon Petrus hörte, dass es der Herr sei, gürtete er sich das Obergewand um, weil er nackt war, und sprang in den See. Dann kamen die anderen Jünger mit dem Boot - sie waren nämlich nicht weit vom Land entfernt, nur etwa zweihundert Ellen - und zogen das Netz mit den Fischen hinter sich her. Als sie an Land gingen, sahen sie am Boden ein Kohlenfeuer und darauf Fisch und Brot.
Jesus sagte zu ihnen: Bringt von den Fischen, die ihr gerade gefangen habt. Da ging Simon Petrus und zog das Netz an Land. Es war mit hundertdreiundfünfzig großen Fischen gefüllt, und obwohl es so viele waren, zerriss das Netz nicht. Jesus sagte zu ihnen: Kommt her und esst! Keiner von den Jüngern wagte ihn zu fragen: Wer bist du? Denn sie wussten, dass es der Herr war. Jesus trat heran, nahm das Brot und gab es ihnen, ebenso den Fisch. Dies war schon das dritte Mal, dass Jesus sich den Jüngern offenbarte, seit er von den Toten auferstanden war.
Als sie gegessen hatten, sagte Jesus zu Simon Petrus: Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich mehr als diese? Er antwortete ihm: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich liebe. Jesus sagte zu ihm: Weide meine Lämmer! Zum zweiten Mal fragte er ihn: Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich? Er antwortete ihm: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich liebe. Jesus sagte zu ihm: Weide meine Schafe! Zum dritten Mal fragte er ihn: Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich? Da wurde Petrus traurig, weil Jesus ihn zum dritten Mal gefragt hatte: Hast du mich lieb? Er gab ihm zu Antwort: Herr, du weißt alles; du weißt, dass ich dich lieb habe. Jesus sagte zu ihm: Weide meine Schafe! Amen, amen, das sage ich dir: Als du noch jung warst, hast du dich selbst gegürtet und konntest gehen, wohin du wolltest. Wenn du aber alt geworden bist, wirst du deine Hände ausstrecken und ein anderer wird dich gürten und dich führen, wohin du nicht willst. Das sagte Jesus, um anzudeuten, durch welchen Tod er Gott verherrlichen würde. Nach diesen Worten sagte er zu ihm: Folge mir nach!
Joh 21,1-19
Bibel in gerechter Sprache
Ostermorgen! Wir stehen am Seeufer: da, wo nach der Schrift Jesus auf die heimkommenden Fischer wartete. Die Männer waren die ganze Nacht auf dem See, aber die Netze blieben leer. Der Unbekannte, als ihr Rabbi erahnt, gibt als Nichtfachmann einen überraschenden Rat, der gegen alle Erfahrung spricht: Werft noch einmal, jetzt im Morgenlicht, das Netz aus! Die Männer tun, kopfschüttelnd wahrscheinlich, was dieser Jesus sagt. Ein Risiko ist es nicht, aber lästig, denn sie sind müde von der Nacht.
Jesus spürte offenbar, welche Menschen ansprechbar waren für etwas ganz Neues, wer Sehnsucht für neue Wege in sich spürte, die nur geweckt werden musste. Ungewöhnliches zu wagen hatte damals Erfolg: Das Boot sank beinahe, so viele Fische hatten sie gefangen. Ungewöhnliches zu wagen ist für Christen auch heute notwendig. Es brächte auch der Kirche viele nicht mehr erwartete positive, den Glauben stärkende Impulse, wenn sie mehr auf die Worte Gottes hören würde, zum Beispiel barmherzig gegenüber den Menschen zu sein, statt auf vermeintlich bewährte Traditionen und Dogmen zu setzen.
„Habt ihr etwas zu essen?“ hatte der Herr gefragt. Doch er braucht anscheinend gar nicht, was sie vom See mitbringen. Als sie zurückkommen, sind auf einem Kohlenfeuer bereits Brot und Fisch vorbereitet. Dennoch ist es wichtig, dass sie einen Beitrag zum gemeinsamen Mahl leisten. Er gibt ihnen damit das Gefühl, gebraucht zu werden, Mitarbeiter zu sein in seinem Kreis. „Ihr könnt doch alle etwas; fischen - und vieles andere mehr! Euer Beitrag ist wichtig! Ihr seid wertvoll in meinen Augen! Ich bin nicht nur euer Herr. Ihr seid meine Freunde! Tut, was ich euch vorlebte: Liebt einander, liebt die Menschen!“
Das versuchen die Jünger und Jüngerinnen, seit sie mit Jesus unterwegs sind. Doch Liebe kann manchmal harte Arbeit sein, sie läuft nicht ohne Konflikte ab. Deutlich wird das an der Beziehung zwischen Petrus und Jesus. Petrus versteht oft nicht, was Jesus will und was er von ihm erwartet. Der verheiratete Fischer ist ein ehrenwerter frommer Jude, von altem Schrot und Korn. Er kennt seinen Job. Er weiß, was Recht und Ordnung für die Familie und die Gemeinde bedeuten. Er liebt Jesus von ganzem Herzen, will in seiner Nähe sein. Er nimmt es hin, von seinem geliebten Herrn zurechtgewiesen und beschimpft zu werden. Er prahlt, dass er sich für Jesus töten lassen will, verleugnet ihn aber, als es darauf ankommt. Er ist kein Held, nur ein Liebender. Diesen einfachen Mann vom See hat Jesus ausgewählt und berufen. Petrus ist der Richtige für die anstehende weltweite Aufgabe, ganz nahe beim Volk und mit dem Volk zu leben.
Auch heute braucht es Menschen mit der Fähigkeit, in anderen die Sehnsucht für Gottes Wort zu entdecken und zu wecken. Und Menschen, die offen sind, sich begeistern lassen, die sich einbringen wollen in den Dienst des Evangeliums. Wenn der Funke überspringt, dann geschieht Begegnung mit dem Auferstandenen am See, dann können wir mit Johannes überzeugt sein: Es ist der Herr!
Georg Mollberg
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