Sonntagsbrief zum 3. Sonntag im Jahreskreis, 24. Januar 2016

23. Januar 2016 von Sigrid Grabmeier

Baustelle Neues Jerusalem

Sonntagsbrief zum 3. Sonntag im Jahreskreis, 24. Januar 2016

Baustelle Neues JerusalemDas ganze Volk sammelte sich wie ein einziger Mensch auf dem Platz vor dem Wassertor und sie sagten zu Esra, dem Schriftgelehrten, er solle das Buch der Weisung des Mose bringen, das DIE EWIGE Israel geboten hatte. Da brachte der Priester Esra am ersten Tag des siebten Monats die Weisung vor die Versammlung, vor jeden Mann und jede Frau und alle, die verstehen zu hören. Und er las daraus vor auf dem Platz vor dem Wassertor vom Hellwerden bis zur Mitte des Tages vor den Männern, den Frauen und den Verständigen. Und die Ohren des ganzen Volkes waren zum Buch der Weisung geneigt. Esra, der Schriftgelehrte, stand auf einem Holzpodium, das man für diese Gelegenheit anfertigte. Bei ihm standen Mattitja, Schema, Anaja, Urija, Hilkija und Maaseja zu seiner Rechten und zu seiner Linken Pedaja, Mischaël, Malkija, Haschum, Haschbaddana, Secharja und Meschullam. Vor den Augen des ganzen Volkes öffnete Esra das Buch, denn er war ja oberhalb des ganzen Volkes, und als er es aufschlug, stand das ganze Volk auf. Esra lobte DIE EWIGE, die oberste Himmelsgottheit, und das ganze Volk antwortete mit erhobenen Händen „Amen, amen“. Sie verneigten sich und warfen sich vor DER EWIGEN nieder, mit dem Gesicht zur Erde. Und Jeschua, Bani, Scherebja, Jamin, Akkub, Schabbetai, Hodija, Maaseja, Kelita, Asarja, Josabad, Hanan, Pelaja sowie die Levitinnen und Leviten belehrten das Volk in der Weisung und das ganze Volk stand dabei. Sie lasen aus dem Buch der Weisung der Gottheit in Abschnitten vor und legten die Bedeutung aus, so dass man das Vorgelesene verstehen konnte. Da sagten Nehemia, der Tirschata, und Esra, der Priester und Schriftgelehrte, sowie Levitinnen und Leviten, die das Volk lehren, zum ganzen Volk: „Der heutige Tag ist DER EWIGEN, eurer Gottheit, heilig! Trauert nicht und weint nicht!“ Denn das ganze Volk weinte, als es die Worte der Weisung hörte. Er sagte zu ihnen: „Geht, esst Fettes und trinkt Süßes! Schickt aber auch Portionen an die, für die nichts vorbereitet ist, denn der heutige Tag ist heilig für die Macht über uns! Und seid nicht betrübt, denn die Freude der Ewigen ist unsere Zufluchtsstätte!“.

Nehemia 8,1-10
Bibel in gerechter Sprache

Die Texte des 3. Sonntags im Jahreskreis sind aus dem Buch Nehemia, aus dem 1. Korintherbrief (1 Kor 12, 12-31) und dem Lukasevangelium (Lk 1,1-4; 4,14-21)  Paulus richtet sich an seine Gemeinde und ermahnt sie, in ihrem Zusammenleben die vielfältigen Charismen in der Gemeinde gleich wertzuschätzen. Lukas erzählt von der Begegnung Jesu mit dem Versucher, der ihm die Welt zu Füßen legen will.  Das Buch Nehemia war mir bis jetzt nicht so geläufig, um so mehr zog diese mir unbekannte Stelle mich an.

Nehemia hat gemeinsam mit dem Priester Esra auf Betreiben des Königs Nebukadnedzar das Volk Israel aus dem babylonischen Exil zurück geführt und die Stadt Jerusalem wieder besiedelt. Die Stadtmauer ist wieder aufgerichtet, die Tore sind eingehängt, ein Minimum an Stadtorganisation ist gewährleistet, da wird eine Versammlung einberufen, die die Basis legen soll für Zukunft der Stadt.

Thema der Versammlung: die 10 Gebote. - in der BigS übersetzt als Weisung. Nicht, dass die Menschen, die da zusammengekommen sind, die nicht kannten, aber zwischen kennen und befolgen ist ja ein himmelweiter Unterschied. Und auch zwischen kennen und verstehen. Das lateinische Verb intellegere, Einsicht haben, verstehen, zwischen den Zeilen lesen, heute in unserem Sprachgebrauch in den Worten Intelligenz oder Intellekt zuhause,  bringt das zum Ausdruck. Und darum geht es Nehemia und Esra: drei mal in dieser Textstelle wird darauf hingewiesen:

Da brachte der Priester Esra die Weisung … vor die Versammlung,vor jeden Mann und jede Frau und alle, die verstehen zu hören.

Und er las ... vor den Männern, den Frauen und den Verständigen.

Sie lasen aus dem Buch der Weisung ..., so dass man das Vorgelesene verstehen konnte.

Es muss eine sehr intensive Unter-Weisung gewesen sein, denn nicht nur Esra, sondern etliche andere waren daran beteiligt, abwechselnd. Und es dauerte lange. Vom Hellwerden bis zur Mitte des Tages, sechs oder sieben Stunden bestimmt. Wie intensiv, das erfahren wir aus der Reaktion der Menschen, die offensichtlich verstanden hatten, die sich zutiefst berühren liessen: „Denn das ganze Volk weinte, als es die Worte der Weisung hörte.“ Sie hatten nicht nur zugehört, sie hatten auch in sich hineingeschaut, waren einsichtig geworden und hatten verstanden.  - Sie waren „zerknirscht“, sie erlebten sich selbst als defizitär, angesichts der Herausforderungen, die die Weisung an sie stellte.

Ein Problem, das auch Martin Luther mit seiner Suche nach einem gnädigen Gott hatte. Ein Problem, das auch vielen von uns nicht fremd sein dürfte. Wie schaffe ich es, nach der Weisung Gottes, nach der Botschaft des Evangeliums zu leben. Es ist, glaube ich ,schlichtweg eine Überforderung der Einzelnen und bedarf der Gemeinschaft, sowie die Gebote ja auch auf das Zusammenleben der Gemeinschaft  auf der Basis der Verehrung und dem Respekt vor der EWIGEN GOTTHEIT angelegt sind.

Und um die Gemeinschaft, um das Zusammenleben in einem neuen Jerusalem geht es ja. Nehemia, Esra und die anderen Verkünderinnen und Verkünder aber lassen die Versammlung  nicht in ihrer Verzweiflung verharren:  „Der heutige Tag ist der EWIGEN, eurer GOTTHEIT, heilig! Trauert nicht und weint nicht! Geht, esst Fettes und trinkt Süßes!“  - „Und“ - so deute ich die Worte „fangt schon mal an, die Weisung ernst zu nehmen, indem ihr nicht nur an Euch selber denkt sondern an die, die nichts haben.“

Sigrid Grabmeier

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