Sonntagsbrief zum 3. Sonntag im Jahreskreis 21. Januar 2018

19. Januar 2018 von Sigrid Grabmeier

Zu Herzen genommen

Fränkische Hochzeitsmodel

Nachdem man Johannes den Täufer ins Gefängnis geworfen hatte, ging Jesus wieder nach Galiläa; er verkündete das Evangelium Gottes und sprach: „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um, und glaubt an das Evangelium!“ Als Jesus am See von Galiläa entlangging, sah er Simon und Andreas, den Bruder des Simon, die auf dem See ihr Netz auswarfen; sie waren nämlich Fischer. Da sagte er zu ihnen: „Kommt her, folgt mir nach! Ich werde euch zu Menschenfischern machen.“ Sogleich ließen sie ihre Netze liegen und folgten ihm. Als er ein Stück weiterging, sah er Jakobus, den Sohn des Zebedäus, und seinen Bruder Johannes; sie waren im Boot und richteten ihre Netze her. Sofort rief er sie, und sie ließen ihren Vater Zebedäus mit seinen Tagelöhnern im Boot zurück und folgten Jesus nach.

Mk 1,14-20  Einheitsübersetzung

 

„To learn by heart“ heißt es im Englischen, wenn das gemeint ist, was auf Deutsch „auswendig lernen“ genannt wird. Mir gefällt dieser Ausdruck gut: „sich etwas ins Herz hinein / zu Herzen nehmen“, es ganz verinnerlichen. Der zentrale Vers (Mk 1,15) der heutigen Perikope wäre so einer, bei dem es sich m.E. lohnen würde, ihn sich auf diese Weise „zu Herzen zu nehmen“, enthält er doch in Miniaturform die ganze Botschaft Jesu:

Die Zeit ist erfüllt“: Natürlich denkt der Verfasser des Markus-Evangeliums an seine eigene Zeit und daran, dass sich in der Person Jesu erfüllt, was die Propheten des Ersten Testaments, allen voran Jesaja, verheißen haben (vgl. Mk 1,1-3). Aber relevant, lebendig werden die biblischen Texte für uns Heutige ja nur dann, wenn wir den Mut haben, sie auch zu uns persönlich sprechen zu lassen. Machen wir den Versuch! Dann hören wir: Hier und jetzt ist der entscheidende Augenblick! Hier und jetzt, in deinem ganz alltäglichen, mittelmäßigen Leben bist du entweder wach und offen dafür, dem Anruf Gottes zu begegnen - oder eben nicht.

Das Reich Gottes ist nahe.“ Wie viel Theologentinte ist nicht schon geflossen bei dem Versuch, genauer zu erklären, was mit dem „Reich Gottes“ gemeint sein könnte: etwas Statisches oder Dynamisches? Etwas Gegenwärtiges oder Zukünftiges? Die anschaulichsten Erklärungen finden sich m.E. in den Evangelien selbst, insbesondere in der Bergpredigt oder in der so genannten „Endzeitrede“ in Mt 25: Dort, wo Trauernde getröstet, Hungrige gespeist, Fremde aufgenommen, Kranke und Gefangene besucht werden... – dort also ist, besser: ereignet sich das Reich Gottes. Überall dort also, wo „nach Gottes Spielregeln“ gelebt wird, wo Menschen in ihrer Verletzlichkeit und Bedürftigkeit liebevoll wahrgenommen und tatkräftig unterstützt werden. Und dazu sind wir, bin ich täglich, stündlich eingeladen!

Kehrt um“: Nicht etwa um „Buße“ oder gar „Reue“ geht es hier, sondern um ein radikales Um-Denken: „Denkt neu, setzt andere Maßstäbe, richtet euer Leben nach anderen Prioritäten aus! - Was das konkret heißen könnte? Ein paar Vorschläge: „Setzt nicht eure Karriere / euer Einkommen an die erste Stelle!“; „Versucht nicht ständig, euch selbst zu optimieren!“; oder: „Macht euch los von dem gnadenlosen Leistungszwang, dem ihr euch unterworfen habt!“ Allgemeiner formuliert es die Bibel in gerechterSprache: „Kehrt zum Leben um!“

Und glaubt an das Evangelium!“ „Glauben“ meint hier, wie meist in der Bibel, nicht ein rationales Für-Wahr-Halten“, sondern die Haltung, zu vertrauen, sich auf jemanden / etwas zu verlassen. Und worauf? Auf die „gute Botschaft“ (gr.: eu-angelion), auf Jesu neue, befreiende Rede von Gott und den Menschen.

„Der entscheidende Augenblick deines Lebens ist JETZT. Öffne Augen und Herz – und du kannst Gottes Wirken überall wahrnehmen. Richte deinen inneren Kompass neu aus und setze auf diese neue Weltsicht, von der ich rede, die ich dir vorlebe!“

So würde ich versuchen, den Vers Mk 1,15 in meinen Worten zu umschreiben. Griffiger ist natürlich die traditionelle Übersetzung (s.o.), und fürs „learning by heart“ ist sie wohl auch besser geeignet.

 Renate Luig 

Bild: Fränkische Hochzeitsmodel, 19. Jh. Das soll sich das Brautpaar zu Herzen nehmen: Die Symbole drücken Segenswünsche für eine gelingende Ehe aus, die nicht nur auf Erden sondern auch im Himmel geschlossen wird, versinnbildlicht durch die beiden aus den Wolken reichenden Hände. Treue (Schloss), gleichberechtigtes und achtsames Zusammenwirken (Zugsäge) auch in schlechten Tagen (Pfeile), Glaube, Liebe und Hoffnung werden Grundlage einer blühenden und fruchtbringenden (Füllhörner) Verbindung sein.  

Zurück