Sonntagsbrief zum 29. Sonntag im Jahreskreis, 22. Oktober

21. Oktober 2023 von Reinhard Olma

Sonntag der Vergewisserung

So spricht der HERR zu seinem Gesalbten, zu Kyrus: 
Ich habe ihn an seiner rechten Hand gefasst,
um ihm Nationen zu unterwerfen; 
Könige entwaffne ich, um ihm Türen zu öffnen 
und kein Tor verschlossen zu halten.

Um meines Knechtes Jakob willen, 
um Israels, meines Erwählten, willen 
habe ich dich bei deinem Namen gerufen;
 

ich habe dir einen Ehrennamen gegeben, 
ohne dass du mich kanntest.
 

Ich bin der HERR und sonst niemand; 
außer mir gibt es keinen Gott.
 

Ich habe dir den Gürtel angelegt, 
ohne dass du mich kanntest,

 

damit man vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Untergang erkennt, 
dass es außer mir keinen Gott gibt. 
Ich bin der HERR und sonst niemand.
 

Jes 45, 1; 4-6 Einheitsübersetzung

 

 

Sonntag der Vergewisserung

 

Es gibt viele Ausgangspunkte, sich den Texten dieses Sonntags, 1Thess 1, 1-5b und Mt 22, 15-21, anzunähern. Wobei es zunächst gar nicht so leicht scheint, sie zu einem Thema zusammenzufassen. So habe auch ich eine ganze Weile überlegt und hatte mehrere Gedankenansätze, bevor ich mich entschieden habe, diesen Weg zu beschreiten:

 

Wir feiern heute den Sonntag der Vergewisserung!

 

Ich betrachte die Texte heute als Beispiele der Vergewisserung ihrer Verfasser. Und ich wähle diese Betrachtung, weil mir heute die Vergewisserung bzw. Selbstvergewisserung immer häufiger nötig scheint. Das kann natürlich etwas mit dem Älterwerden zu tun haben; vielleicht ist es aber auch ein Phänomen unserer Zeit und einer zunehmenden Unsicherheit. Denn diese Unsicherheit ist überall feststellbar und kann das Handeln heftig beeinträchtigen. Also schauen wir mal.

 

Jesaja spricht über den Kyrus, den König, hier Synonym für den Messias, der erwartet wird. Diese Erwartung und die damit verbundene Ungeduld finden wir in der Bibel immer wieder. Ob sich beim Propheten da eine gewisse Unsicherheit eingeschlichen hat? Verständlich wäre das ja. Andererseits glaubt er ja an Gottes Versprechen, dass dieser Erlöser kommen wird. Und er hat diese Botschaft immer und immer wieder verkündigt. Also ruft er sich noch mal ins Gedächtnis, was Gott angekündigt hat: „Ich ebne die Wege, zertrümmere die Tore, gebe die verborgenen Schätze…“

Natürlich wird, muss das bald geschehen, wenn es einem schon so deutlich vor Augen steht! Da ist sich Jesaja gewiss. Ja.

 

Und Paulus, der an so vielen Orten am besten gleichzeitig sein würde, um zu sehen, dass seine Saat überall aufgeht, möchte sich stets aufs neue vergewissern, dass auch in seiner Abwesenheit alles in seinem Sinn weitergeht. Natürlich kommen da auch Zweifel auf und Nachrichten, die er auf verschiedenen unsicheren Wegen empfängt, sind subjektiv geprägt, durchaus nicht immer eindeutig. Na klar, wir würden immer mal wieder vorbeifahren und nach dem Rechten sehen. Paulus kann seine Hoffnung nur in seinen Briefen zum Ausdruck bringen: „Wir wissen von Gott, geliebte Brüder, dass ihr erwählt seid… So wurdet ihr ein Vorbild für alle Gläubigen…“ Ach, möchte man im Stillen anfügen, möge es doch so sein!

 

Bei Matthäus ist es die Frage, was Gott beansprucht und was „der Kaiser“, was die Welt beanspruchen kann. Natürlich ist dieser Text in erster Linie ein Beispiel für Jesu Klugheit und Cleverness im Umgang mit den Vertretern der weltliche Macht, die ihm durchaus nicht wohl gesinnt sind und ihn auf die Probe stellen wollen. Es ist sehr sympathisch, dass sie damit krachend scheitern. Das haben wir schon oft gehört und interpretiert bekommen. 

Aber heute interessiert uns hier die Vergewisserung, welche unserer Möglichkeiten und Fähigkeiten, welche unserer Kräfte und welche Teile unseres Vermögens wir wofür einsetzen. 

Dabei bleibt die Aussage, „…gebt Gott, was Gott gehört…“, ziemlich wage und muss wohl immer wieder neu beantwortet werden.

 

Dabei gibt es zahlreiche mögliche Antworten und ich möchte es dem Leser überlassen, seine ganz persönlichen zu finden. 

Wichtig ist mir, dass diese Unsicherheiten zu uns gehören, dass man sich ihrer nicht schämen muss und dass die Antworten auch mal falsch sein und korrigiert werden können. 

Und die immer wieder stattfindende Vergewisserung gehört auch dazu, wie und wo sie auch immer vorgenommen wird. Vielleicht sollte man sich die Mühe machen, die Argumente festzuhalten, vielleicht aufzuschreiben. Wenn sie uns Entscheidungen erleichtern, uns ggf. wieder auf den rechten Weg bringen oder unser Handeln bestätigen, dann kann man sie sich ja vormerken, vielleicht für einen erneuten Anfall von Unsicherheit. 

Mit den notierten Argumenten kann im günstigsten Fall solch ergreifender Text entstehen wie bei Jesaja. Oder solch schöne Geschichte, wie bei Matthäus. 

Und wenn andere Menschen an diesen Gedanken teilhaben dürfen; wenn diese Gedanken ihnen bei ihrer Orientierung helfen, dann haben wir damit wieder ein Stück von uns an den Nächsten und damit an Gott gegeben.

 

Reinhard Olma

 

 

Liebe Leser und Leserinnen der Sonntagbriefe,

 

heute habe ich eine traurige Nachricht zu übermitteln. Eva-Maria Kiklas, eifrige und beliebte Sonntagsbriefautorin, hat am 19. Oktober nach einem Unfall und einem folgenden Krankenhausaufenthalt ihre letzte Reise angetreten. Sie war 1995 Mitbegründerin der KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche, bis 2009 Mitglied im Bundesteam und auch dann noch vielfältig aktiv, z.B. bei Kirchen-und Katholikentagen, in ihrer Diözesangruppe in Dresden, bei Bundesversammlungen und als treue Beraterin. Sie liebte es zu reisen, so war sie häufig unterwegs um Freunde und Freundinnen in ganz Deutschland zu besuchen, in ihrem Literaturkreis tauschte sie sich mit anderen aus, viele Jahre öffnete sie Ohr und Herz für die Sorgen anderer in der Telefonseelsorge. 

 

Noch vor wenigen Wochen, kurz bevor sie ihren letzten Sonntagsbrief zum 8. Oktober schrieb, hatte ich mit ihr telefoniert. Ihr Text war überschrieben: „Der Friede Gottes“. Im 87. Lebensjahr ist sie in diesen Frieden heimgekehrt.

Sigrid Grabmeier

 

Herzliche Einladung zu unseren Online Veranstaltungen: 

 
 
 
Unser nächster Gast am Jakobsbrunnen
 von 19:00 bis 20:00 Uhr

 

Dienstag, 24. Oktober 2023: Regina  Nagel, Vorsitzende des GR-Bundesverbands, Autorin von z.B. "Machtmissbrauch im pastoralen Dienst - Erfahrungen von Gemeinde- und Pastoralreferent:innen"

 

Dienstag, 31. Oktober 2023, 19:00 -ca.20:00: interaktive Wir sind Kirche-Andacht online

 

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