Sonntagsbrief zum 28. Sonntag im Jahreskreis, 14.Oktober 2018 (Kopie)

12. Oktober 2018 von Eva-Maria Kiklas

Macht

© Gerhard Mester

Als Jesus sich auf den Weg machte, kam einer herbeigelaufen, fiel vor ihm auf die Knie und fragte ihn: „Guter Lehrer, was soll ich tun, damit ich Anteil am ewigen Leben erhalte?“ Jesus entgegnete ihm: „Was nennst du mich gut? Niemand ist gut außer Gott allein. Die Gebote kennst du: Du sollst nicht töten! Du sollst keine Ehe brechen! Du sollst nicht stehlen! Du sollst keine falschen Aussagen machen! Du sollst keinen Raub begehen! Halte deinen Vater und deine Mutter in Ehren!“ Da antwortete der andere: „Lehrer, das alles habe ich seit meiner Jugend befolgt.“

Jesus blickte ihn an, umarmte ihn voll Zuneigung und sagte zu ihm: „Eins fehlt dir: Geh hin, verkaufe, was du hast, und gib es den Armen! Dann wirst du einen Schatz im Himmel haben. Danach komm her, folge mir nach!“ Der andere wurde über diese Antwort sehr traurig und ging niedergeschlagen fort; denn er hatte viele Besitztümer.

Da schaute sich Jesus um und sagte zu seinen Jüngerinnen und Jüngern: „Wie schwer werden alle, die etwas besitzen, in Gottes Reich hineingelangen!“ Die Jüngerinnen und Jünger erschraken über seine Worte. Wieder antwortete Jesus ihnen: »Kinder, wie schwer ist es, in Gottes Reich hineinzugelangen! Es ist leichter für ein Kamel, durch ein Nadelöhr hindurchzukommen, als für Reiche, in Gottes Reich hineinzugelangen“ Da entsetzten sie sich völlig und sprachen zueinander: „Wer kann dann heil werden?“ Jesus blickte sie an und sagte: „Bei den Menschen ist es unmöglich, aber nicht bei Gott. Denn bei Gott ist alles möglich.“ Petrus ergriff das Wort und sagte zu ihm: „Siehe, wir ließen alles stehen und liegen und sind dir nachgefolgt.“ Jesus entgegnete: „Ja, ich sage euch: Alle, die meinetwegen und wegen der frohen Botschaft Haus, Brüder, Schwestern, Mutter, Vater, Kinder oder Felder verlassen haben, werden hundertfach empfangen: jetzt in dieser Zeit Häuser, Brüder, Schwestern, Mütter, Kinder und Felder – wenn auch unter Verfolgungen. Und in der kommenden Ewigkeit das ewige Leben.“ 

Mk 10,17 -30 Bibel in gerechter Sprache

 

Macht

Beim Lesen dieser Textstelle wird sich wohl kaum einer von Ihnen angesprochen fühlen; denn "viele Besitztümer" haben nur wenige. Also können wir getrost durch das berühmte "Nadelöhr" marschieren? Ich denke auch diese Geschichte ist ein Bild. Wenige Zeilen später spricht Jesus von den Problemen derer, die "etwas"  besitzen, dass sie hindert, in das Reich Gottes zu gelangen. Was ist dieses Etwas? Sicher nicht das mühsam Ersparte auf der Bank, unser Häuschen oder die noch abzuzahlende Eigentumswohnung. Es kann vieles sein, das uns das Reich Gottes versperrt. Es ist das, was wir nicht loslassen können, wenn es um die Nachfolge Jesu geht: unsere Egoismen, unser "Recht" , unsere Sicherheiten, unsere Zukunftspläne, unsere Überzeugungen, Gewohnheiten und Bequemlichkeiten. Und sind wir auch bereit, unseren Kinderglauben, unsere unreflektierten Gottes- und Kirchenbilder aufzugeben und uns vertrauensvoll auf neue Wege zu wagen?

Bei diesen Überlegungen bin ich auf ein Besitztum gestoßen, das ich als explizit hinderlich für die Mitarbeit am Bau des Reiches Gottes empfinde: das ist die "Macht", die ich in meinen Beziehungen, in meiner Familie, meiner Arbeitsstelle habe, die in Politik und Wirtschaft, im öffentlichen Leben und in der Kirche wirkt. An sich ist ja Macht nichts Schlechtes. Aber immer ist die Verführung, diese zu missbrauchen, sehr groß.

Die Evangelien sind voller Absagen Jesu, wenn es seinen Jüngern um Macht geht, in der Gegenwart und auch in der Zukunft. "Wer unter Euch der Erste sein will, sei euer aller Diener." Was das konkret bedeutet zeigte er ihnen im Beispiel, als er ihnen vor seinem Tod, als Meister, die Füße wusch. Es sollte ein Vermächtnis sein.Und ist nicht auch sein Tod eine klare Absage an Machtansprüche Ich könnte mir vorstellen, dass es ihm möglich gewesen wäre, bei seinem triumphalen Einzug in Jerusalem die ihm zujubelnden Massen zu einer Revolte zu führen. Die Stimmung war aufgeheizt und für viele Juden war er der Messias, der das Land von der römischen Besatzung befreien würde.

Er aber wählte den gewaltfreien Weg in den Tod, er wurde "wie ein Lamm zur Schlachtbank geführt." Ist vielleicht die "Erlösung" durch seinen Kreuzestod nicht die Sühne für die Sünden der Menschen Gott gegenüber, sondern das Beispiel, dass der Weg "in Gottes Reich" über die Absage an Machtgebrauch und Machtübernahme geht, die beide so oft Menschen und Völker in die Katastrophe geführt haben? Denken wir an all die Kriege, den Faschismus mit der Vernichtung der Juden -oder ganz aktuell an den Machtmissbrauch an Kindern und Jugendlichen in der katholischen Kirche, der sie in den Grundfesten erschüttert. Alle Katastrophen der Kirche haben mit Machtmissbrauch zu tun. Und wenn die Kirche nicht bereit ist, diese Macht aufzugeben und Dienerin der Menschen zu werden, wird unsere Kirche zu einen kleinen Sekte zusammenschmelzen.

"Eine Kirche, die nicht dient, dient zu nichts " ( Bischof Gaillot).

Einen hoffnungsfrohen Sonntag wünscht Ihnen allen

Eva- Maria Kiklas

Bildnachweis: Karikatur mit freundlicher Genehmigung von Gerhard Mester, weitere Karikaturen finden Sie in dem Büchlein von Gerhard Mester: Mensch, Franziskus (Cartoons), erschienen im Benno-Verlag 2014, ISBN 978-3-7462-3937-8, 32 S., € 6,95

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