Sonntagsbrief zum 27. Sonntag im Jahreskreis, 8. Oktober 2017

6. Oktober 2017 von Sigrid Grabmeier

Langzeitwirkung beachten

https://www.mankau-verlag.de/buecher/alle-buecher/die-10-gebote

 

Singen will ich von meinem Schatz,
das Lied meines Lieblings über seinen Weinberg:
Einen Weinberg hatte mein Schatz auf einer fruchtbaren Anhöhe.
Mein Schatz grub ihn um, entfernte seine Steine
und bepflanzte ihn mit edlen Reben,
baute einen Turm mitten hinein, hob eine Keltergrube aus
und hoffte darauf, dass er gute Trauben trüge, aber er trug saure Beeren.
Aber nun, die ihr wohnt in Jerusalem und ihr, Leute von Juda,
sprecht Recht zwischen mir und meinem Weinberg!
Was hat es noch zu tun gegeben an meinem Weinberg,
das ich nicht für ihn getan habe?
Warum hoffte ich darauf, dass er gute Trauben trüge,
aber er trug saure Beeren?
Aber nun will ich euch wissen lassen,
was ich meinem Weinberg antun will:
seine Dornenhecke entfernen, so dass er abgeweidet wird,
seinen Zaun einreißen, so dass er zertrampelt wird.
Ich gebe ihn der Zerstörung preis:
Er soll nicht beschnitten und nicht gehackt werden,
damit er Disteln und Dornen aufgehen lässt,
und den Wolken verbiete ich, auf ihn Regen fallen zu lassen.
Denn der Weinberg GOTTES der Heere ist das Haus Israel
und die Leute Judas sind Pflanzen zur Freude Gottes:
in Hoffnung auf Rechtsspruch, sieh da: Rechtsbruch,
in Erwartung von Gemeinschaftstreue, sieh da: Trauergemeinschaft.

 

Wehe denen, die Haus an Haus reihen und Feld an Feld legen,
bis kein Platz mehr da ist
und ihr nur euch mitten im Land wohnen lasst.

 

 

Jes 5, 1-7 (8) Bibel in gerechter Sprache

 

Weinberg die dritte. Und heute gleich doppelt, nämlich sowohl in der ersten Lesung wie auch im Evangelium, da das Gleichnis vom Weinbergbesitzer, der seine Knechte in den von ihm verpachteten Weinberg schickte um seinen Anteil an der Ernte abzuholen und die von den Pächtern misshandelt und getötet wurden, die auch den Sohn des Besitzers umbrachten um das Erbe selbst anzutreten. Und auch dieser Text endet mit einer Drohung: „Die gerechte Welt Gottes wird von euch weggenommen werden und einem Volk gegeben werden, das die Früchte der Gerechtigkeit hervorbringt.“ (Mt 21, 43)

Ich habe mich von dem Klagelied bei Jesaja ansprechen lassen. Auslöser war insbesondere der Satz, der gerade nicht mehr durch die heutige Leseordnung erfasst ist, den ich aber noch zitiert habe. Es ist ein Lied voller Liebe und Leidenschaft, voller Hoffnung und Enttäuschung, voller Zorn und Wut.

Diese Passage rief mir ein schmales Bändchen in Erinnerung, „Die 10 Gebote – Eine Ethik für das 21. Jahrhundert“, von Bernhard Suttner, der darin die 10 Gebote unter dem Aspekt der Ökologie betrachtet. Darin interpretiert er den vorletzten Satz des ersten Gebotes, der eine sehr düstere Drohung enthält: „Bei denen die mir feind sind, verfolge ich die Schuld der Väter an den Söhnen und an der dritten und vierten Generation.“ 

„Ist der eifersüchtige Gott, der seine Missachtung an den Künftigen rächt, vielleicht eine Sprachform, mit der die Autoren des Dekalogs ihre Erfahrungen ausdrückten – Erfahrungen, die so weit nicht entfernt sind von unseren wissenschaftlichen Erkenntnisversuchen aus Ökologie und Psychologie? Unbestritten bleibt: mein Verhalten ist nicht nur für meine Lebenszeit wirksam.“

Wenn ich den Begriff „Weinberg“ weiter deute als er ursprünglich gemeint ist – das Haus Israel – nämlich als Schöpfung, die uns anvertraut ist, dann betrifft uns dieser Text ebenso wie die Gebote unmittelbar. Wir müssen nicht nur an atomare Verseuchung denken, auch an die Rodung von Waldflächen, an die Ausbeutung des Bodens, für den die Vertreibung dort lebender Menschen in Kauf genommen wird. Wir müssen wahrnehmen, wie Flächen versiegelt werden, Ackerboden überdüngt, Bienen durch Pestizide die Lebensgrundlage entzogen und mit unserer Überproduktion die Märkte in anderen Ländern zerstört werden. Wir müssen daran denken, dass nationale Egoismen dazu führen, dass Menschen anderer Herkunft oder mit anderer Religion als Volksfeinde oder gleich als potentielle Terroristen verfolgt werden.

„in Hoffnung auf Rechtsspruch, sieh da: Rechtsbruch,
in Erwartung von Gemeinschaftstreue, sieh da: Trauergemeinschaft.“
 

Oder vielleicht ist der Weinberg auch gerade vor unserer Haustür, der Ort an dem wir leben, die Gemeinde zu der wir gehören. Auf jeden Fall sind wir aufgerufen, im Weinberg Verantwortung zu übernehmen. Deshalb möchte ich in diesem Zusammenhang gern an den Aufruf erinnern, der von der KirchenVolksKonferenz im März diesen Jahres verabschiedet wurde:

 „Die KirchenVolksKonferenz lädt im gegenwärtigen kulturellen Umbruch alle Kirchenmitglieder dazu ein, die vergessene jesuanische Vision von der Zukunft einer in Gerechtigkeit versöhnten Menschheit lebendig werden zu lassen und aus eigener Verantwortung konsequent an einer neuen Zukunft von Welt und Gesellschaft mit zu arbeiten.“

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Ich wünsche einen gesegneten, GOTT-vollen Sonntag.

Sigrid Grabmeier

 

Bildnachweis und Literatur: Bernhard Suttner: Die 10 Gebote Eine Ethik für das 21. Jahrhundert“

 

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