Sonntagsbrief zum 27. Sonntag im Jahreskreis, 6. Oktober 2019

4. Oktober 2019 von Anna Röder

Von Standpunkten, Wegen, Glauben und Wundern…

Wir sind Kirche Bundesversammlung Nürnberg 2018

Die Apostel baten Jesus, den Herrn: „Stärke unseren Glauben.“

Der Herr aber sagte: „Wenn euer Glaube nur so groß ist wie ein Senfkorn, könnt ihr diesem Maulbeerbaum befehlen: ´Zieh deine Wurzeln aus der Erde und verpflanze dich ins Meer!` –und er wird euch gehorchen.“ „Stellt euch vor: Einer von euch hat einen Knecht, der den Acker pflügt oder das Vieh hütet. Der kommt vom Feld zurück. Wer von euch wird zu ihm sagen: ´Komm gleich her und leg dich zu Tisch`? Im Gegenteil! Derjenige wird zu ihm sagen: ´Mach mir etwas zu essen! Binde dir eine Schürze um und bediene mich, solange ich esse und trinke. Nachher kannst auch du essen und trinken.` Bedankt derjenige sich etwa bei seinem Knecht, weil er seinen Auftrag erledigt hat? So soll es auch bei euch sein: Wenn ihr alles getan habt, womit euch Gott beauftragt hat, dann sagt: ´Wir sind Knechte, weiter nichts. Wir haben nur unsere Pflicht getan.`“ Basis-Bibel

 

 Von Standpunkten, Wegen, Glauben und Wundern… 

In der Woche vom 23.9. – 26.9. 2019 trafen sich in Fulda die deutschen Bischöfe zu ihrer jährlichen Herbstvollversammlung. Zentrales Thema bildete der „Synodale Weg“. Brisant sind die Themen immer noch: konsequente Aufarbeitung der vielen Fälle sexualisierter Gewalt (MHG- Studie) durch Kleriker und auch das komplexe Thema Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche , vor allem hinsichtlich des Diakonats und des Priesteramtes für Frauen u.a. auch, um die Machtstrukturen innerhalb der Kirche grundlegend zu verändern. 

Inzwischen ist bundesweit die Frauenbewegung „ Maria 2.0“ in der Kirche entstanden, die nicht mehr überhört, geschweige denn übergangen werden kann, denn zu recht stellen Frauen die Forderung nach voller Gleichberechtigung und Geschlechtergerechtigkeit von Frau und Mann in der Kirche, der eine Notnagel- oder Lückenbüßerfunktion auf allen Ebenen im Wesen widerspricht.

Exemplarisch sei hier eine fiktive Begebenheit beschrieben: „ Der Pastoralrat eines Bistums traf sich zu seiner ersten Sitzung mit dem neuen Bischof. Nach dem Eröffnungsgebet begann der Bischof : “Von meinem christlichen Standpunkt aus…“, dabei sah er, dass einer der Räte seinen Kopf schüttelte. Der Bischof setzte erneut an und erklärte: „ Vom Standpunkt des Papstes aus…“, als er wieder das ablehnende Kopfschütteln bemerkte. Zum dritten Mal erhob er seine Stimme um etliches heftiger und sagte:“ Vom Standpunkt der Kirche aus…“. Erneut deutliches Kopfschütteln irritierte ihn so sehr, dass der Bischof fragte: “ Ich wüsste nicht, was ich mit diesen fünf Worten Falsches gesagt hätte.“ Daraufhin erwiderte das Ratsmitglied:“ Sowohl ihr christlicher Standpunkt, wie der Standpunkt des Papstes und der Standpunkt der Kirche sind falsch. Denn es gibt nur den Weg des Glaubens, den Weg des Evangeliums. Wir sollten also unsere Standpunkte dem Weg opfern.“

Schon im Vorfeld der Fuldaer Herbstkonferenz war ein heftiger Streit über den „Synodalen Weg“ zwischen deutschen Bischöfen und römischer Kurie entfacht. Veränderungen sind hierbei aus römischer Sicht nur im Einklang mit der Lehre und der Weltkirche erwünscht. Angesichts der Situation der Kirche im weltweiten Kontext darf man das Signal aus Rom jedoch durchaus als unangemessen bezeichnen, offenbart sich hier doch klar das Beharren auf und der Nicht-Wille zu praktisch-notwendigen, theologisch-glaubwürdigen Neuausrichtungen !

Christiane Florin, deutsche Publizistin, beschreibt in ihrem Beitrag im Deutschlandfunk „Aufbruch, Aufstand, Abbruch- der Synodale Weg“ v. 18.9.2019 in der Sendereihe „Aus Religion und Gesellschaft“ : „Da Richtung und Ziel unbekannt sind, fließt viel Energie in den Prozess. Im Advent – im Kirchenjahr die Zeit des Wartens auf die Geburt des Retters- sollen die Synodalforen ihre Arbeit aufnehmen.[…] Katholische Kommunikatoren lieben Slogans vom Unterwegs sein, mag die Lage auch noch so verfahren erscheinen. Als Aufbruch gilt, wenn viele los und durcheinanderlaufen, ob aus Ärger oder Begeisterung.“

Begeistert und konsequent verfolgt sympatisch, zielgerichtet und hartnäckig hinsichtlich der Gleichberechtigung von Frau und Mann in der Kirche die junge Theologin und Publizistin Jaqueline Straub ihr seit mittlerweile vielen Jahren gesetztes Ziel, als Frau als Pfarrerin in der katholischen Kirche arbeiten zu können. Sie wird für ihr streitbares und konsequentes Engagement unterstützt, zu Vorträgen, Workshops, Predigten usw. eingeladen und bewundert, aber auch mit Häme und Hass überschüttet. Auf ihrer persönlichen Facebook-Seite schreibt sie dieser Tage : „Du bist scheisse“. –„Du gehörst in die Hölle“.- „ Du zerstörst die Kirche“.- Manchmal frage ich mich, wie ich trotz den ganzen Angriffen überhaupt noch lachen kann. Ich weiss es nicht, bin Gott aber unglaublich dankbar, dass er mir immer wieder Kraft gibt für meinen Weg, dass er mich nicht allein lässt und in all den Anfeindungen sogar noch Humor schenkt, damit ich manchmal über die Engstirnigkeit lachen kann….“.

Den Weg des Glaubens, des Evangeliums gehen, unsere Standpunkte überprüfen und gegebenenfalls ändern. Gott zu- und vertrauen, hinter die Fassaden und Bilder schauen. In dem Evangeliumstext des heutigen Sonntags zeigt uns Jesus, dass das kleine Senfkorn, das unscheinbare Samenkorn als Sinnbild eines Ganzen, des Glaubens, ausreicht, um Erfolge zu verbuchen. Wenn es gelingt, Vorsätze durchzuhalten, Herausforderungen anzunehmen und durchzustehen, Dinge in Liebe zu tun, dabei klar und deutlich zu bleiben. Dann gelingt Glaube, dann entstehen auch Wunder.

 

Regina Grotefend-Müller

 Bild: Christiane Florin bei der Wir sind Kirche  Bundesversammlung im Oktober 2018 in Nürnberg © Sigrid Grabmeier

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