Sonntagsbrief zum 27. Sonntag im Jahreskreis, 2. Oktober 2016

1. Oktober 2016 von Sigrid Grabmeier

Ein Glauben mit Feuer

Schwarze Senfkörner © Sanjay Acharya - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=905237Und die Apostel und Apostelinnen sprachen zu Jesus: „Stärke uns den Glauben!“ Er aber sprach: „Wenn ihr Glauben hättet wie ein Senfkörnchen, dann würdet ihr zu diesem Maulbeerbaum sagen: ´Entwurzle dich und pflanze dich im Meer wieder ein` – und er würde euch gehorchen.

Wer aber von euch hat Sklavinnen und Sklaven auf dem Acker oder auf der Weide und würde zu ihnen sagen, wenn sie von draußen hereinkommen: ´Kommt gleich zu Tisch!` Würdest du nicht eher zu ihnen sagen: ´Bereitet mir etwas zu essen, legt euch eine Schürze um und dient mir, bis ich gegessen und getrunken habe. Danach sollt ihr essen und trinken.` Bist du etwa den Sklavinnen und Sklaven dankbar dafür, dass sie getan haben, was befohlen worden war? So soll es auch bei euch sein: Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen wurde, so sagt: ´Wir sind nur unnütze Sklavinnen und Sklaven, wir haben getan, was wir zu tun schuldig waren.`“

Lk 17, 5-10
Bibel in gerechter Sprache

Ein merkwürdiger Text. Die Apostel fragen nach der Stärkung des Glaubens, und Jesus spricht von einem Senfkorn, einem Maulbeerbaum, genauer einem Maulbeerfeigenbaum, und vom Umgang mit Sklaven. Das alles klingt für uns heute mehr als befremdlich. In der 2. Lesung empfiehlt Paulus dem Timotheus: „Fache das Feuer der Gnadengabe Gottes, das durch das Auflegen meiner Hände in dir ist, wieder an , …, weiche nicht peinlich berührt davor zurück, dich zu dem zu bekennen, dem wir gehören.“ (2Tim 1, 6-8)

Das Senfkorn kommt schon bei Lukas vor (Lk 13,18-19), im Gleichnis vom Himmelreich. „Es gleicht einem Senfkorn, das eine Person nahm und in ihrem Garten säte. Es ist gewachsen und zu einem Baum geworden, und die Vögel des Himmels nisteten in seinen Zweigen!“ Damit beschreibt er das Entwicklungspotential eines Senfkorns. Hier nun setzt er den Glauben in Beziehung zu so einer winzigen Frucht. So ein Senfkorn ist aber nicht nur winzig, es hat auch richtig Feuer, gemahlen und mit Flüssigkeit vermengt entwickelt es seinen Geschmack. Einem Glauben, der dieses Entwicklungspotential und dieses Feuer in sich hat, dem wird selbst ein Maulbeerfeigenbaum, einer der größten Bäume die es damals in Palästina gab, mit widerstandsfähigem Wurzelwerk und dem härtesten Holz, gehorchen, sich entwurzeln und an einem völlig ungeeigneten anderen Ort einpflanzen. (Bei Matthäus versetzt  der Glaube Berge)  An dieses Feuer erinnert auch Paulus in seinem Brief an Timotheus.

Der  2. Teil der heutigen Evangeliumsstelle macht es uns nicht leichter. Niemand von uns hat heute noch Sklavinnen oder Sklaven, aber manch einer ist vielleicht Arbeitgeber oder hat als Vorgesetzte Verantwortung für MitarbeiterInnen. Von der heute vielgepriesenen Anerkennungskultur ist hier nichts zu lesen. Doch Jesus verlangt von uns hier ja nicht Arbeitgeber zu sein. Wir sollen uns vielmehr in die Rolle von Sklaven und Sklavinnen oder eben von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen hineindenken, die zunächst ihren Job machen müssen, ihren Auftrag erfüllen, ihrer Pflicht nachkommen. Aber was soll nun das mit Glauben zu tun haben?

Jesus geht es ums Glauben.Weniger um „den“ Glauben, und schon gar nicht um einen Fürwahrhalte-Glauben, den man in Gläser packt, zuschraubt und so konserviert ins Regal stellt. Jesus entwickelt das Bild von einem Glauben, das wachsen und  Geschmack entwickeln kann, das Feuer hat, das sich über Barrieren hinweg setzt und ganz neue Perspektiven eröffnet. Es ist ein Glauben, das zum Motor wird für das eigene Sein und Handeln, das die Kraft zum Heilen und das Vertrauen in die Heilung gibt, wie uns die folgende Geschichte bei Lukas erzählen wird. Es ist aber auch ein Glauben, das eine Verpflichtung in sich birgt. Es ist ein Glauben an den „Ich bin da“, der mit uns geht, der uns stärkt, dem wir aber auch verpflichtet sind, seinen Willen zu tun, zu dem wir uns in unserem Tun bekennen müssen.

Sigrid Grabmeier

Bildnachweis: Schwarze Senfkörner © Sanjay Acharya - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=905237

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