Sonntagsbrief zum 27. Mai 2018 - Dreifaltigkeitssonntag

23. Mai 2018 von Renate Luig

Vertrauensvoll

Keine Ernte ohne Vertrauen © Sigrid Grabmeier

Die elf Jünger gingen nach Galiläa auf den Berg, den Jesus ihnen genannt hatte. Und als sie Jesus sahen, fielen sie vor ihm nieder, einige aber hatten Zweifel. Da trat Jesus auf sie zu und sagte zu ihnen: Mir ist alle Vollmacht gegeben im Himmel und auf der Erde. Darum geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Und siehe, ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt.

Mt 28, 16-20 Text: Einheitsübersetzung 2016

 

Vertrauensvoll

„Und siehe: Ich bin alle Tage bei euch, bis Zeit und Welt vollendet sind.“

 Einen schöneren, tröstlicheren Satz hätte der Verfasser des Matthäus-Evangeliums (= Matthäus) wohl kaum als Abrundung seiner Schrift finden können; wie sicherlich viele andere Menschen auch begleitet er mich schon durch mein ganzes Leben.

Dass allerdings auch nach 2000 Jahren Zeit und Welt noch keineswegs „vollendet“ sein würden, konnte sich in den Jahren 80 – 90 n.Chr., als dieses Evangelium geschrieben wurde, sicherlich niemand vorstellen. Nach allem, was wir heute wissen, war die Gemeinde des Matthäus eine judenchristliche Gemeinde im syrischen Raum, zwar hellenistisch geprägt, aber nach wie vor der Thora verpflichtet. Angesichts der Katastrophe des Jahres 70 n.Chr. hatte sie sich dem Gedanken geöffnet, die Botschaft Jesu auch in „heidnische“, also nicht-jüdische, Kreise hineinzutragen. Der Zuspruch Jesu, „alle Tage“ bei ihnen zu sein, wird ihnen eine wichtige Kraftquelle gewesen sein.

Und seither? Wie grauenvoll wurde der so genannte „Taufbefehl“ im Laufe der Geschichte missverstanden und missbraucht, um ganze Kontinente auszubeuten und Millionen von Menschen zu unterdrücken! Und heute? Eine zwar weltumspannende, aber weithin als erstarrt und gestrig wahrgenommene Kirche erreicht immer weniger Menschen, selbst unter ihren Mitgliedern, und wird immer wieder von Skandalen erschüttert. Können wir da wirklich darauf vertrauen, dass Er bei uns ist?

Eine wichtige Spur finden wir im Text selbst: Nachdem zwei Frauen (!) den 11 Jüngern die Osterbotschaft verkündet haben, wandern diese zum vereinbarten Treffpunkt nach Galiläa. Und selbst als sie dort den Auferstandenen „verabredungsgemäß“ sehen – zweifeln einige! Interessant ist, dass dies im Text in keiner Weise kommentiert, sondern einfach nur festgestellt wird. Die Erfahrung scheint also nie eindeutig zu sein – der Zweifel gehört immer dazu, ist erlaubt!

Und trotzdem bleibt dieser Schlusssatz eine Zumutung: „Und siehe: ich bin alle Tage bei euch...“. Im griechischen Urtext steht dort das Adverb idoù, was soviel bedeutet wie „sieh da!“ – also eine schlichte Behauptung. An mir, an jedem/jeder Einzelnen liegt es, ob ich mich darauf einlasse oder nicht; beweisen kann es mir keiner. „Leben, als ob es Gott gibt“ – so lautete der Rat des bekannten evangelischen Theologen Heinz Zahrnt (1915 – 2003). Glauben kann ich, wie auch das Schwimmen, nicht als Trockenübung lernen: Ich muss einen Vorschuss an Vertrauen geben, dann auf diesem Weg Schritte gehen, meinen Blick weiten. Die französische Sozialarbeiterin und Mystikerin Madeleine Delbrel (1904 – 1964) wuchs streng atheistisch auf und fand erst als Erwachsene zum Glauben: „Ich entschloss mich zu beten. Dann habe ich, betend und nachdenkend, Gott gefunden“, wird sie zitiert. Überall in ihrem Alltag am Rande von Paris, in den skeptischen, oft resignierten Menschen der Banlieue, entdeckte sie Spuren Gottes – ganz im Sinne von Matthäus, wo Jesus in der großen Endzeitrede in Kap. 25 verschiedene Möglichkeiten nennt, wo er zu finden ist: „Was ihr dem Geringsten meiner Geschwister getan habt, das habt ihr mir getan.“

Nicht in Sturm und Feuerszungen, sondern im Vertrauen auf ihn und im offenen, wahr-nehmenden (!) Blick auf unsere Menschengeschwister lässt sich die Nähe Jesu erfahren. Auch eine Pfingstgeschichte, meine ich, eine leise, schöne.

 

Renate Luig

Bildnachweis: Keine Ernte ohne Vertrauen © Sigrid Grabmeier

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