Sonntagsbrief zum 26. Sonntag im Jahreskreis, 29. September 2024

28. September 2024 von Magnus Lux

Drohbotschaft als Frohbotschaft?

Und nun zu euch, ihr Reichen; ihr solltet weinen und verzweifelt sein über die Qualen, die auf euch zukommen werden!  Euer Reichtum ist schon ganz verrottet und euer Kleidervorrat ist von Motten zerfressen, euer Gold und Silber zersetzen sich bereits, und ihr giftiger Belag wird im Gericht gegen euch aussagen. Dieser Belag wird euch und euer Fleisch fressen wie ein Feuer, weil ihr in den letzten Tagen der Welt Reichtum angehäuft habt!  Ihr habt den Menschen, die eure Felder bestellten, Lohn vorenthalten; dieses Unrecht schreit zum Himmel, und das Rufen derer, die eure Ernte eingebracht haben, ist Gott, der Macht der Mächte, zu Ohren gekommen.  Ihr habt aus dem Vollen geschöpft und verschwendet. Ihr habt das Denken, Fühlen und Wollen eurer Herzen noch abgestumpft, als der Tag eurer Hinrichtung schon angebrochen war.  Ihr habt die Gerechten verurteilt und ermordet. Meint ihr denn, sie sagen nicht gegen euch aus? 

Jak 5, 1-6 Bibel in gerechter Sprache

 

Drohbotschaft als Frohbotschaft?

 

Jetzt kommt es aber sehr happig! Alles gut und schön, was da über die Reichen und die Armen gesagt wird. Aber hat der Verfasser damals erreicht, dass die Reichen mit solchen Verdammungen zur Einsicht gekommen sind? Wohl kaum, wie uns die Geschichte lehrt. Und wer heute solche Sprüche klopft, der wird erst recht nicht gehört und ernst genommen.

Dann könnten wir es ja dabei bewenden lassen: Eh nichts zu machen, die Armen sollen halt ihr Schicksal annehmen. Und heutzutage gilt mehr denn je: Die Reichen werden immer reicher und die Armen immer ärmer. – Aber ihr kennt doch den Spruch: Wer kämpft, kann verlieren; wer nicht kämpft, hat schon verloren. Wie also sollen wir eintreten für eine gerechtere Welt?

Nach dem Fall der Mauer verkaufte ein Mann aus Leipzig sein Elternhaus, weil er jetzt im Westen wohnt. Ganz enttäuscht sagte er: Ich bin vom Immobilienmakler übers Ohr gehauen worden; aber der ist doch Christ! Ich habe damals nur gelächelt, wie naiv jemand sein kann. Aber hatte der Mann nicht recht? Von einem Christen, einer Christin darf ich doch erwarten, dass er bzw. sie andere nicht über den Tisch zieht, oder etwa nicht?

Noch einmal: Wie also sollen wir eintreten für eine gerechtere Welt?
Fangen wir an, jede und jeder bei sich selbst: Handeln wir gerecht! Eine Meldung vom Januar dieses Jahres: „Die deutsch-österreichische Millionenerbin und Sozial-Aktivistin Marlene Engelhorn will den größten Teil ihres Vermögens an die Allgemeinheit zurückgeben.“ Na ja, werdet ihr sagen, die kann es sich leisten; aber wir haben doch keine Millionen. Dann denkt mal an die Geschichte vom Scherflein der armen Witwe! Und dann bedenkt, was jede und jeder von uns entbehren könnte, ohne sich übermäßig einschränken zu müssen.

Der nächste Schritt: Wie sieht es in unserer Kirche aus? Vor vielen Jahren sagte ein Kommentator zum Niedergang eines Gewerkschaftsunternehmens: Wir werden uns daran gewöhnen müssen, dass die Gemeinwirtschaft auch nur ganz gemein wirtschaftet. Kirchliche Körperschaften gehören auch zur Gemeinwirtschaft… Werden die hehren Selbstverpflichtungen tatsächlich eingehalten? Fragt doch mal die kirchlichen Angestellten, fragt die Angestellten der Caritas, wie sie ihre Situation sehen. Fragt doch mal die Bischöfe, wie sie mit dem Geld der Kirchenmitglieder umgehen. Ab und zu dringt etwas durch und dann kann man sein blaues Wunder erleben.

Und dann der Schritt in die Politik. Es stehe mir nicht zu, im Sonntagsbrief Politik zu machen, werdet ihr jetzt sagen. Und ich antworte: Ein Glauben, der nicht politisch wird, der also nicht in die Gesellschaft hineinwirken will, bleibt fahl und steht immer in Verdacht, nur um sich selbst zu kreisen, statt die Lebensverhältnisse so ändern zu wollen, wie es der Botschaft vom Reich Gottes entspricht.
Da steht für mich ganz oben die Bewahrung der Schöpfung. Man kann den Klimawandel hintanstellen oder gar leugnen; aber der Wandel und seine Folgen für uns alle lassen sich nicht einfach wegdiskutieren. Wir sind entsetzt über die Flutkatastrophe der vorletzten Woche und wundern uns immer noch, wie so etwas geschehen kann. Welche Lehren werden wir daraus ziehen? Vermutlich wieder keine. Wir gehen weiter mit Scheuklappen durch unsere Welt und tun so, als hätten wir eine zweite Erde in der Reserve. Am 1. August war Erdüberlastungstag, Welterschöpfungstag: die Welt ist erschöpft, alle nachhaltigen Ressourcen sind verbracht, wir leben vom Raubbau, vom Abbau der Natur. Die Empörung über die Klimakleber der Letzten Generation ist groß, die Frage nach der angemessenen Bestrafung bestimmt unsere Diskussionen – was auf der Strecke bleibt, ist die Kernbotschaft: die Bewahrung der Schöpfung. In der Rangfolge der 10 wichtigsten Probleme für die Deutschen kommt die Bewahrung der Schöpfung nicht vor. Hauptsache uns geht’s gut – nach und die Sintflut!
Da steht die Frage nach der Lohngerechtigkeit im Raum. Sicher ist sehr schwer festzulegen, was „gerechter Lohn“ ist. Doch die Erhöhung des Mindestlohns 2024 um sage und schreibe 0,14 Euro, also um 1,16 %, darf wohl angesichts der viel höheren Inflation mit Fug und Recht hinterfragt werden. Die Zahl der Milliardäre in Deutschland (zu 90% Männer) steigt hingegen ständig, weltweit stehen wir hinter den USA und China inzwischen an dritter Stelle. Und zur Lohngerechtigkeit gehört auch die ungleiche Bezahlung der Frauen. In Deutschland liegt die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern bei 18 Prozent. Selbst bei gleicher Qualifikation beträgt der Unterschied immer noch sechs Prozent. Nehmen wir es als gottgegeben einfach hin?
Da steht uns vor Augen, wie wir als Christen und Christinnen Stellung beziehen, wenn die populistische und nationalistische Forderung laut wird: „Deutschland den Deutschen, unser Geld für uns und nicht für die ganze Welt!“ Stimmen wir zu und entziehen uns als ein reiches Land unserer Verantwortung für die, die unsere Hilfe brauchen? Halten wir uns aus Gleichgültigkeit heraus? Oder treten wir dafür ein, den Populismus zurechtzurücken? Ein Beispiel: Am Stammtisch wird gemault, dass wir viel zu viele Ausländer hier bei uns haben. Da sagt einer: Kommt mal mit! Und geht mit ihnen zur Küche und ruft energisch und laut: Ausländer raus! Auf einmal war die Küche leer und er sagt zu den Maulhelden: So, jetzt könnt ihr euch euer Essen selber kochen!

Auferstehung bedeutet für den Schweizer Pfarrer Kurt Marti: Der Auferstandene ruft uns jetzt alle „zur Auferstehung auf Erden, zum Aufstand gegen die Herren, die mit dem Tod uns regieren!“

Magnus Lux


Das könnte den Herren der Welt ja so passen

Das könnte den Herren der Welt ja so passen,
wenn erst nach dem Tod Gerechtigkeit käme,
erst dann die Herrschaft der Herren,
erst dann die Knechtschaft der Knechte
vergessen wäre für immer!

Das könnte den Herren der Welt ja so passen,
wenn hier auf der Erde stets alles so bliebe,
wenn hier die Herrschaft der Herren,
wenn hier die Knechtschaft der Knechte
so weiterginge wie immer.

Doch ist der Befreier vom Tod auferstanden,
ist schon auferstanden und ruft uns jetzt alle
zur Auferstehung auf Erden,
zum Aufstand gegen die Herren,
die mit dem Tod uns regieren!

Kurt Marti

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