Sonntagsbrief zum 26. Sonntag im Jahreskreis, 25. September 2016

24. September 2016 von Gastautor Peter Otten

Wie Schuldner Lazarusse werden. Anfang und Ende des 16. Kapitels bei Lukas.

Euroscheine © By Friedrich.Kromberg Potograpo: W.J.PilsakLk 16, 19-31
Einheitsübersetzung

Die Geschichte vom „armen Lazarus und dem reichen Mann“ ist bekannt, erweckt tiefes Mitleid und fordert zur Barmherzigkeit heraus. So gleichgültig und eiskalt  dieser reiche Genießer – nein, so was könnte ich nie sein …, sind wir zu denken geneigt. Ich glaube nicht, dass der Evangelist Lukas mit dieser Reaktion zufrieden wäre,  – und wohl auch Jesus nicht.

Die Sonntagsevangelien zerstückeln das Evangelium. Wir hören wöchentlich immer nur einen kleinen Ausschnitt, eine Perikope, einen vom Ganzen abgetrennten Teil ohne den Zusammenhang zu berücksichtigen. Das erschwert es, die großen Leitlinien des Evangeliums zu erkennen.

Das heutige Gleichnis vom Armen namens Lazarus steht am Ende des 16. Kapitels, das mit dem Gleichnis vom „Verwalter der Ungerechtigkeit“ beginnt. Der „reiche Mann, der sich in Purpur und feines Leinen kleidete und Tag für Tag herrlich und in Freuden lebte“, den Armen namens Lazarus, der vor seiner Tür in schlimmstem Elend lag, aber nicht einmal wahrnahm, stellt den gleichen „reichen Mann“ vom Anfang des 16. Kapitels dar. Jetzt am Ende des Kapitels wird aufgezeigt, wo dieser reiche Mann landet, während am Anfang des Kapitels erklärt wird, warum er so endet: Nicht nur weil solche reichen Männer unbarmherzig sind, vielmehr noch, weil sie Strukturen schaffen, die Armut erzeugen, damals wie heute eine „Wirtschaft, die tötet“ (Papst Franziskus). Die  “Lazarusse“ heute aber bleiben namenlos und hausen, hungern und sterben meist weit weg von uns: in Elendsquartieren der Megastädte, in lebensgefährlichen Fabriken der Dritten Welt, auf von reichen Schatzsuchern vergifteten Böden und Müllkippen, alle. Heutige „Lazarusse“, auch die aus Krieg, Verfolgung, Hunger und Krankheit fliehen oder im Mittelmeer ertrinken.

Um die Geschichte von Lazarus besser zu verstehen und für unsere heutige Zeit fruchtbar zu machen, lohnt es sich, sehr genau den Verwalter aus dem Anfang des 16. Kapitels genauer zu betrachten. – Die Geschichte vom Zöllner Zachäus am Anfang des 19. Kapitels gibt dann einen eindeutigen Hinweis, was zu tun ist: Zachäus gibt vierfach  zurück, was er zu viel verlangt hat.

Mit offenen Augen und kreativem Verstand kann jeder leicht erkennen, welche Konsequenzen wir heute aus diesen im Lukasevangelium überlieferten Geschichten zu ziehen haben – in unserem täglichen konkreten Verhalten.

Die im Lukasevangelium enthaltenen Stellungnahmen zur Ökonomie sind hochaktuell. Wir befinden uns mehr oder weniger in der Rolle des „reichen Mannes“, weltweit gesehen nicht weniger krass als bei Lazarus. Wenn gefordert wird, die Ursachen der heutigen Fluchtbewegungen zu bekämpfen, dann müssen wir bei uns anfangen. Ein System, in dem 1 Prozent über 99 Prozent der Güter verfügt, den restlichen 99 Prozent der Menschen also nur noch 1 Prozent zum Leben bleibt, tötet. Die Erde gehört allen, und jedem Einzelnen wenigstens so viel, dass er menschenwürdig leben kann.

Betrachten wir aus dieser Perspektive nochmals das so widerborstig erscheinende Evangelium des vergangen Sonntags.

Hans Kirsch

Bildnachweis: Euroscheine © By Friedrich.Kromberg Potograpo: W.J.Pilsak https://commons.wikimedia.org/wiki/File%3ASalaping_papel_Euro.jpg

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