Sonntagsbrief zum 26. Sonntag im Jahreskreis, 1. Oktober 2017

30. September 2017 von Magnus Lux

Wer geht den Weg der Gerechtigkeit?

© Gerhard Mester

„Wie denkt ihr über folgenden Fall? Ein Mann hatte zwei Kinder. Er kam zum ersten und sagte: Mein Kind, geh' heute und arbeite im Weinberg.´ Der Junge antwortete: `Ich will nicht.´ Später tat es ihm leid und er ging. Der Vater kam zum zweiten und sprach genauso. Dieser Junge antwortete: `Ja, Herr´, aber er ging nicht. Wer von beiden hat den Willen des Vaters getan?“ Sie antworteten: „Das erste Kind.“ Jesus sagt zu ihnen: „Wahrhaftig ich sage euch mit allem Ernst: Die Zöllner und die Prostituierten werden vor euch in Gottes Welt gelangen. Johannes kam zu euch mit der Praxis der Gerechtigkeit, und ihr habt ihm nicht geglaubt. Die Zöllner und die Prostituierten haben ihm geglaubt. Und ihr – obwohl ihr das gesehen habt – seid doch nicht umgekehrt, um ihm endlich doch zu glauben.“

Mt 21,28-3 Bibel in gerechter Sprache

Stark! Da hat es Jesus den Frommen seiner Zeit aber kräftig gegeben! Natürlich sind mit dem zweten Sohn die Juden gemeint. Mit dem Weinberg wird auf das Wirken Gottes in der Welt angespielt. Das Gottesvolk sagt „Ja, Herr“ – tut aber nichts. Und so ist der erste Sohn gefragt. Nach anfänglicher Ablehnung handelt er doch im Sinne des Vaters. Gut so. Und wen meint dieser erste Sohn? Die Zöllner und Dirnen. Die Zöllner, die Kollaborateure mit den Römern, die Volksverräter, die Betrüger; die Dirnen, die den moralischen Vorstellungen nach ein Gräuel sind. Äh – die sollen ins Reich Gottes gelangen?

Jesus sagt gleich noch, warum. Die Frommen haben den Weg der Gerechtigkeit, den ihnen Johannes der Täufer aufgezeigt hat, nicht angenommen, aber die Zöllner und Dirnen haben ihm geglaubt. Ja doch, den Frommen seiner Zeit hält Jesus einen Spiegel vor.

Nur den Frommen seiner Zeit? Sind vielleicht wir der erste Sohn? Wir bekennen als Christinnen und Christen Gott als unseren Herrn, sind in der Kirche Jesu Christi auf dem besten Weg. Wirklich? Ja, wir sprechen das Glaubensbekenntnis. Ist es uns aber erst damit? Wir reden hochtheologisch von Gott. Aber tun wir eigentlich den Willen Gottes, so wie ihn dieser Mann aus Nazaret verkündet hat? Ich fürchte, wir kreisen immer noch zu sehr um uns selbst: die Kirchenleiter um ihren Einfluss und ihre Macht, wir alle um die feierliche Sakralität unserer Gottesdienste und der Sakramente und Sakramentalien, um die Strukturen der Kirche. Da gibt es eine Bewegung für Papst und Kirche oder das Forum deutscher Katholiken mit ihren Kongressen „Freude am Glauben“, die das Althergebrachte als das wahrhaft Katholische hinstellen.

Die Welt brennt, und wir verzetteln uns im Klein-Klein. „Ihr seid das Salz der Erde“, sagt uns Jesus. Ihr müsst die Erde nicht nur schmackhaft machen, sondern sie erhalten. Doch wie sieht es aus mit unserem Einsatz für soziale Gerechtigkeit, mit unserem Einsatz für die Benachteiligten in unserer Gesellschaft, mit unserem Einsatz für die Verlierer der Globalisierung? Wie sieht es aus mit unserem Einsatz für den Frieden in der Welt, den wir doch an Weihnachten immer wieder als die Botschaft Gottes an uns Menschen verkünden?

Kann es wirklich sein, dass die Verachteten unserer Zeit das Reich Gottes erben werden? Die Linken, die Menschenrechtler, die Pazifisten, die verächtlich so genannten Gutmenschen, die aus der Kirche Ausgetretenen? Die, die auf die Barrikaden gehen gegen die kapitalistische Wirtschaft, von der der Papst sagt, dass sie tötet? Ich bin davon überzeugt: Wenn die Kirchen in ihrer jetzigen Form nicht mehr existieren sollten, bedeutet das nicht, dass die Sehnsucht nach dem Reich Gottes, dass der Einsatz für eine Welt nach Gottes Willen tot ist. „Nicht wer zu mir sagt ‚Herr, Herr‘ wird in das Reich Gottes eingehen, sondern wer den Willen meines Vaters tut.“

Magnus Lux

Gerhard Mester hat uns diese Karikatur freundlicher Weise für unsere Webseite zur Verfügung gestellt. Veröffentlichungsrechte bei Mester-Kari@web.de.

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