Sonntagsbrief zum 24. Sonntag im Jahreskreis, 17.September 2017

12. September 2017 von Magnus Lux

Von ganzem Herzen vergeben?

Von Hand zu Hand

Da kam Petrus hinzu und sagte zu ihm: „Meister, wie oft wird sich eines meiner Geschwister gegen mich verfehlen, und ich werde ihr oder ihm vergeben? Bis zu siebenmal?“ Jesus sagt zu ihm: „Ich sage dir, nicht bis zu siebenmal, sondern bis zu siebenundsiebzigmal. Deshalb ist die Welt Gottes mit folgender Geschichte von einem Menschenkönig zu vergleichen, der mit seinen Sklaven abrechnen wollte. Als er mit der Abrechnung begann, wurde ihm einer vorgeführt, der schuldete 10.000 Talente. Da er nicht zahlen konnte, befahl der Herr, ihn, seine Frau, seine Kinder und seinen gesamten Besitz zu verkaufen und so eine Zahlung zu leisten. Der Sklave fiel vor ihm unterwürfig nieder und sagte: ´Hab' Geduld mit mir, dann will ich dir die ganze Schuld zahlen.` Der Herr erbarmte sich über diesen Sklaven, ließ ihn frei und erließ ihm die Schuld. Als dieser Sklave herauskam, traf er auf einen seiner Mitsklaven, der ihm 100 Denare schuldete. Er ergriff ihn, würgte ihn und sagte: ´Zahle, was du schuldest.` Da fiel sein Mitsklave vor ihm nieder und flehte ihn an: ´Hab' Geduld mit mir, dann will ich dir zahlen.` Der aber wollte nicht, sondern ging her und warf ihn ins Gefängnis, bis er die Schuld bezahlt hätte. Seine Mitsklavinnen und Mitsklaven sahen, was geschehen war, und wurden sehr traurig. Sie gingen hin und berichteten ihrem Herrn alles, was geschehen war. Da rief ihn sein Herr herbei und sagte zu ihm: ´Du schlechter Sklave! Ich habe deine ganze Schuld erlassen, als du mich darum batest. Hättest du dich nicht auch über deinen Mitsklaven erbarmen müssen, wie ich mich über dich erbarmte?` Und sein Herr wurde wütend und übergab ihn den Folterern, bis er die gesamte Schuld gezahlt hätte. Vergleicht! Gott, Vater und Mutter für mich, wird euch auch zur Rechenschaft ziehen, wenn ihr nicht alle euren Geschwistern von ganzem Herzen vergebt.“

Mt 18,21-35  Bibel in gerechter Sprache

Oje, das ist ja eine starke Zumutung, was uns da heute als christliche Haltung vorgetragen wird! Ist schon „siebenmal“ vergeben die Höchststufe – die Zahl 7 ist die Zahl der Fülle –, so steigert Jesus das noch zu „siebenundsiebzigmal“. Und setzt am Schluss noch eins drauf: „von ganzem Herzen“. Wie soll das gehen?

Wir brauchen uns gar nicht irgendwelche schlauen Sprüche zur Verteidigung unserer doch wohl berechtigten Haltung einfallen lassen. Der gesunde Menschenverstand sagt uns doch schon, dass Schulden zurückzuzahlen sind. Schauen wir auf die Haltung der Bundesregierung in Sachen Kredite an Griechenland. Da heißt es Nein, auch wenn viele Schuldenerlass fordern, weil unter der drückenden Last der Überschuldung kein Aufschwung möglich sei, weil wir von den Griechen Einschnitte fordern, die wir bei uns konsequent ablehnen. Welche Schuld wir mit unserer Politik an der Überschuldung anderer Staaten tragen, darüber reden wir lieber gar nicht.

Müssten wir da nicht als Kirche unsere Stimme erheben und auf diese unchristliche Haltung hinweisen? Warum tun wir es nicht? Nun, ganz einfach: Weil die Kirchenleitung genauso handelt. Der Streit darum, ob Menschen, die nach einer Scheidung wieder geheiratet haben, zur Kommunion gehen dürfen, ist immer noch der große Aufreger. „Ja, prüft die Umstände“, sagt Papst Franziskus. „Nein“, behauptet der ehemalige Glaubenspräfekt Kardinal Müller, „denn der Barmherzigkeit Gottes sind Grenzen gesetzt.“ Nur wenige Bischofskonferenzen haben sich überhaupt dazu geäußert. Immerhin, die Gemeinden handeln längst anders als viele in der Kirchenleitung, und sie haben recht!
Haben also wir Christinnen und Christen den richtigen Weg gefunden? Vergeben wir wirklich, wenn wir zutiefst beleidigt oder ausgenutzt worden sind? Vergeben wir wirklich, wenn wir der Hartherzigkeit anderer ausgeliefert sind? Schauen wir mal auf unser Leben, ich bin sicher, dass sich jede und jeder daran erinnern wird, eben nicht barmherzig gehandelt zu haben.

Jesus will uns angesichts unseres Unvermögens nicht Angst machen, dass Gott uns strafen wird. Seine Worte sind eine Einladung, dem barmherzigen Handeln Gottes im Handeln an unseren Brüdern und Schwestern zu entsprechen. Wie das gehen soll? Versuchen wir es doch einfach immer wieder!

Magnus Lux

Bild: Skulptur im Skulpurenpark Irdning im der Steiermark; © Sigrid Grabmeier

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