Sonntagsbrief zum 24. Sonntag im Jahreskreis, 11. September 2016

10. September 2016 von Eva-Maria Kiklas

Gerechtigkeit

Hände ©  Bild: Martha Gahbauer r In: Pfarrbriefservice.deEs kamen immer wieder alle, die beim Zoll beschäftigt waren und zu den Sündern gezählt wurden, zu Jesus, um ihn zu hören. Die Angehörigen der pharisäischen Glaubensrichtung und die Schriftgelehrten murrten und sagten: „Der akzeptiert ja sündige Leute und isst mit ihnen!“ Jesus aber erzählte ihnen folgendes Gleichnis: „Gibt es jemanden unter euch, der 100 Schafe hat, und wenn er eines von ihnen verliert, nicht die 99 in der Wildnis zurücklässt, um dem Verlorenen nachzugehen, bis er es findet? Und wenn er es gefunden hat, so setzt er es voll Freude auf seine Schultern. Zu Hause ruft er seine Freunde und die Nachbarschaft zusammen und sagt ihnen: ´Freut euch mit mir: Ich habe mein Schaf gefunden, das verloren war!` Ich sage euch: So wird im Himmel mehr Freude sein über einen Sünder, der umkehrt, als über 99 Gerechte, die eine Umkehr nicht nötig haben.

Oder: Gibt es eine Frau, die zehn Silberstücke hat und eins davon verliert, die nicht eine Lampe anzündet und das Haus mit dem Besen kehrt und sorgfältig durchsucht, bis sie das Geldstück findet? Und wenn sie es gefunden hat, ruft sie ihre Freundinnen und die Nachbarschaft zusammen und sagt: ´Freut euch mit mir: Ich habe das Silberstück, das ich verloren hatte, wieder gefunden!` Ich sage euch: Genauso wird bei den Engeln Gottes Freude sein über eine sündige Person, die umkehrt.“

Er sprach: „Ein Mann hatte zwei Söhne. Der jüngere von ihnen sagte zum Vater: ´Vater, gib mir den Teil des Vermögens, der mir zusteht.` Und er verteilte seine Habe an sie. Bald danach nahm der jüngere Sohn alles mit sich und zog in ein fernes Land. Dort verschleuderte er sein Vermögen und lebte in Saus und Braus. Nachdem er aber all das Seine durchgebracht hatte, kam ein gewaltiger Hunger in jenes Land, und er begann, Not zu leiden. Er zog los und begab sich in die Abhängigkeit eines Bürgers jenes Landes, und der schickte ihn auf die Felder, seine Schweine zu hüten. Er hätte sich unheimlich gern satt gegessen an den Schoten des Johannisbrotbaums, die die Schweine fraßen, aber niemand gab ihm davon. Da ging er in sich und sagte: So viele Tagelöhner und Tagelöhnerinnen meines Vaters haben Brot im Überfluss – und ich komme hier um vor Hunger! Ich stehe auf, wandere zu meinem Vater und sage zu ihm: ´Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir. Ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu heißen. Mach' mich zu einem deiner Tagelöhner!` Er stand auf und ging zu seinem Vater. Schon von ferne sah ihn sein Vater kommen, und Mitleid regte sich in ihm, und er eilte ihm entgegen, fiel ihm um den Hals und küsste ihn. Der Sohn sprach zu ihm: ´Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir. Ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu heißen.` Der Vater aber sagte zu seinen Sklaven und Sklavinnen: ´Schnell, bringt das beste Kleid her und zieht es ihm an, steckt ihm einen Ring an die Hand und Sandalen an die Füße! Holt das Mastkalb und schlachtet es, lasset uns essen und fröhlich sein! Denn dieser, mein Sohn, war tot und ist wieder lebendig, er war verloren und ist gefunden!` Und sie begannen sich zu freuen.

Sein älterer Sohn aber war auf dem Feld. Als er heimkam und sich dem Haus näherte, hörte er Singen und Tanzschritte. Er rief einen der jungen Sklaven und fragte ihn, was denn sei. Der aber sagte ihm: ´Dein Bruder ist gekommen, und dein Vater ließ das Mastkalb schlachten, weil er ihn gesund wieder erhalten hat!` Da wurde der Bruder wütend und wollte nicht hineingehen. Sein Vater aber kam heraus und lud ihn ein. Er antwortete aber seinem Vater: ´Siehe, ich diene dir schon so viele Jahre und habe nie ein Gebot von dir übertreten, und nie hast du mir einen Bock gegeben, damit ich mit meinen Freunden fröhlich wäre. Nun aber kommt dein Sohn, der deine Habe mit Unzüchtigen verfressen hat, und du lässt für ihn das Mastkalb schlachten!` Er sagte zu ihm: ›Kind, du warst alle Zeit mit mir zusammen, und alles, was mir gehört, gehört auch dir. Nun ist es Zeit, sich zu freuen und fröhlich zu sein, weil dein Bruder, der tot war, lebendig ist. Er war verloren und ist gefunden!`“

Lk 12, 1-31
Bibel in gerechter Sprache

Das Evangelium vom barmherzigen Vater ist für mich eine Fundgrube, in der ich immer wieder etwas Neues entdecken kann. Im Blick auf das Ende der Geschichte, dem Gespräch zwischen Vater und ältestem Sohn, kam mir das Thema Gerechtigkeit in den Sinn. Bei aller Sympathie für den verzeihenden Vater kann man auch den Ältesten verstehen, der sich über diese  „Ungerechtigkeit“ ärgert. Was aber meint Jesus mit der so oft erwähnten Gerechtigkeit als Merkmal des Reiches Gottes? Gerechtigkeit heißt wohl nicht, dass jeder Mensch dasselbe bekommt, sondern dass man jedem Menschen „gerecht“ wird , d.h. für mich, dass jeder Mensch das bekommt,was er braucht, um menschenwürdig zu leben und am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können, und das nicht nur in materieller, sondern auch in geistiger und seelischer Hinsicht. Jeder Mensch braucht nicht nur Brot, sondern auch Zuwendung. Am Anfang des Textes dieses Sonntags steht der Vorwurf, dass Jesus mit sündigen Leuten isst. Aber indem er genau das tut, gibt er diesen Menschen ihre Würde zurück.

Alle derzeitigen Konflikte in der Welt, die vielen Menschen Leben und Heimat kosten, haben mit der schreienden Ungerechtigkeit zu tun, die unsere Gegenwart bestimmt .Die Erde könnte – noch - alle Menschen, die auf ihr leben, ernähren, wenn die Güter gerecht verteilt werden, auch die geistigen, wie Bildung, Menschenwürde und -rechte. Der barmherzige Vater schenkt dem Sohn nicht nur das Mastkalb und Kleider, sondern in seiner Freude über den Rückkehrer auch die rückhaltlose Vergebung und seine Menschenwürde wieder als geliebter Sohn.

„Selig sind die, die nach Gerechtigkeit hungern, denn sie werden satt werden.“

Allen einen schönen Sonntag und Gelegenheiten, für mehr Gerechtigkeit zu sorgen!
Eva- Maria Kiklas

Bildnachweis: © Bild: Martha Gahbauer r In: Pfarrbriefservice.de

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