Sonntagsbrief zum 23. Sonntag im Jahreskreis, 9. September 2018

8. September 2018 von Georg Mollberg

Seid stark! Fürchtet euch nicht!

Ströme lebendigen Wassers - die Donau bei Obermarchtal © S. Grabmeier

Sagt denen, deren Herz rast: „Seid stark! Fürchtet euch nicht!“

Schau hin: Eure Gottheit kommt zur Rache.
Das sind Wohltaten der Gottheit: Sie kommt und wird euch retten.

Dann werden die Augen der Blinden geöffnet
und die Ohren der Tauben aufgetan.
Dann werden die Lahmen wie Hirsche springen und die Zungen der Stummen jubeln.

Ja, in der Wüste brechen die Wasser auf und die Bäche im dürren Gebiet.
Dann wird der Wüstensand zum Schilftümpel
und das durstige Land zur Wasserquelle.

Jes 35,4-7a Einheitsübersetzung

 

Seid stark! Fürchtet euch nicht!

Heißzeiten prophezeien Meteorologen, menschengemachter Klimawandel mit extremen Temperaturen, Weltkriege, Armut und Hunger, Völkerwanderungen nicht bekannter Ausmaße, die Schere zwischen Reichen und Armen weitet sich bedrohlich. Ein Schreckensszenario, das sich problemlos erweitern ließe. Es verheißt nichts Gutes. Wie aber leben mit diesen Horrorprophezeihungen?

Also nichts Neues unter der Sonne? Die alttestamentlichen Propheten brauchten auch nicht lange nach Missständen zu suchen.

Doch Jesaja macht den Menschen Mut, Gott selbst wird kommen und uns von irdischen Fesseln befreien. Er drückt es mit Bildern aus, die jeder verstand und versteht: Blinde sehen, Lahme gehen, Taube hören, Stumme jauchzen, in Wüsten brechen Quellen hervor, Bäche fließen in der Steppe, glühender Sand wird zum Teich und das durstige Land zur sprudelnden Quelle.

Die Verheißungen klingen utopisch, doch gleichzeitig so sehnsuchtserfüllend, dass sie in den Hörern, Orientalen verstehen die Bildsprache, sofort konkrete Hoffnungsphantasien erzeugten.

Wenn nun schon die Wüste zeigt, was in ihr steckt, wie sie sich vom ausgetrockneten Feld zur fruchtbaren Ebene wandeln kann, um wie viel mehr wird der Mensch zeigen können, was in ihm steckt, wenn er durch Trostworte, Beistand und Vertrauensbeweise gestärkt und ermutigt wird, zu sein, was er von Anfang an ist, frei, nicht unterdrückt, nicht gedemütigt, ohne Schuld, Gotteskind eben. Dazu ermutigt Gott durch seinen Propheten: »Sprecht zu den Verzagten: Seid stark, fürchtet euch nicht!“

Dann wird der Lahme lebendig und der Stumme traut sich, den Mund auf zu machen und selbstbewusst zu handeln, vielleicht auch Gottes Botschaft zu verkünden.

Wer unbeweglich war und festgelegt, der steht auf und begibt sich auf neue Wege. Und wer schweigend alles über sich ergehen ließ, es bis zum Krankwerden ertrug, zu allem Ja und Amen sagte, beginnt sich zu wehren und nennt nun mutig Ungerechtigkeit Unrecht, Lüge Lüge und Unwahrhaftigkeit und Egoismus auch in seiner Kirche angstfrei beim Namen. Wenn wir die positiven Kräfte in uns entdecken, die noch unterentwickelt und schwach sind, dann werden die Unterdrücker aufschrecken, denn dann beginnt unser Weg als »vom Herrn Befreite«.

So verstehe Jesaja und seine Botschaft: Du, dein Gott ist bereits bei dir! Darauf brauchst du nicht bis auf den Sankt-Nimmerleins-Tag zu warten.


Unsere Augen und Ohren - Gottes Geist setzt hier auch auf die seines Bodenpersonals - werden geöffnet werden, damit die frohe Botschaft so auslegt und praktiziert, wie sie sein Sohn vorgelebt hat. Die Menschen spüren: Gott ist nicht irgendwo in den Wolken, sondern wirklich und wahrhaftig in ihnen gegenwärtig. So gestärkt mit dieser Geisteskraft können sie ihre Stimme nun ehrlich und unverkrampft erheben, um so authentisch und wahrhaftig die frohe Botschaft verkünden zu können. Welche Freude in den so Gestärkten aufblühen kann, ahnt nur der Nächsten-Liebende.

Machen wir denen Mut, öffnen wir denen Augen und Ohren, die zum Duckmäusertum und ewig Schuldbeladensein von sich selbstinszenierenden, arroganten Obrigkeiten in Staat, Gemeinde und Kirche erzogen wurden. Stärken wir ihre und unsere Hände, damit die Freude, den Mitmenschen zu dienen, nicht verloren gehe. Die unbändige Lust, sich mit allen gottgegebenen Fähigkeiten angstfrei einzusetzen für die Menschen und unsere Erde, muss weiter vorangetrieben und am Leben erhalten werden. Dann werden wir den Auftrag Jesu übernehmen können, den er an dem Taubstummen praktizierte und uns sagte: Ihr könnt die Tauben hörend machen und den Stummen ihre Sprache wiedergeben!


G. Mollberg
Diakon

Bild: Die Donau bei Obermarchtal. Aus dem kleinen Bächlein, das in Donaueschingen entspringt, wird nach Vereinigung mit Breg und Brrigach die Donau, und wächst durch Zufluss weiterer Bäche und Flüsse bald zum mächtigen Strom. Die Radpilgergruppe von Wir sind Kirche war vom 1.-7.September zum Thema „7 Tage mit dem Rad durch Gottes Schöpfung“ unterwegs, beginnend in Donaueschingen, endend in Ingolstadt.

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