Sonntagsbrief zum 22. Sonntag im Jahreskreis, 3. September

30. August 2023 von Brigitte Karpstein

Du konnst nix mitnehma! Oder doch?

Von da an begann Jesus seinen Jüngern und Jüngerinnen zu erklären, er müsse nach Jerusalem gehen und Vieles von Ältesten, Hohenpriestern und Toragelehrten erleiden und getötet werden und am dritten Tage auferstehen. Petrus nahm ihn beiseite und begann, ihm Vorhaltungen zu machen: „Gott sei dir gnädig, Lehrer. Das darf dir nicht passieren!“ Jesus drehte sich um und sagte zu Petrus: „Geh' weg von mir, Satan. Du willst mich zur Untreue verleiten, denn du hast nicht Göttliches im Sinn, sondern Menschliches.“

Da sagte Jesus zu seinen Jüngerinnen und Jüngern: „Wer meinen Weg gehen will, sage sich von sich selbst los und nehme das eigene Kreuz auf sich und folge mir nach. Wer das eigene Leben retten will, wird es verlieren. Wer das eigene Leben um meinetwillen verliert, wird es finden. Was nützt es Menschen, wenn sie die ganze Welt gewinnen, ihr Leben aber Schaden erleidet? Was werden Menschen an Stelle ihres Lebens eintauschen können? Der Mensch wird im Schein göttlichen Lichtes, umgeben von Engeln Gottes, kommen und dann wird er jedem Menschen nach den eigenen Taten Recht sprechen.

 

Mathäus 17, 21-27 Bibel in gerechter Sprache

 

 

Du konnst nix mitnehma! Oder doch?

 

Ab und zu werfe ich einen Blick auf die Schlagzeilen der Regenbogenpresse über die Promis, Stars, Superreichen, die ihrem Glück hinterherlaufen, es scheinbar gefunden haben im immer Besser, Größer, Weiter, in der Selbstoptimierung, in der Selbstdarstellung ... Dort ist meist die Rede von nur kurzem, jäh zerbrochenem Glück, von betrogen Werden, Scheidung, Karriereende, Depression usw. usf.. Der Liedermacher Georg Ringsgwandl besingt in seinem gesellschaftskritischen Song solche reichen und privilegierten, im Luxus lebenden Menschen, die aber sowohl vom Teifi (Teufel) als auch vom liabn Gott gesagt bekommen: Naa, do konnst du nix mitnehma.  (Video auf YouTube)

Was passiert denn da gerade im Evangelium? Eben noch hat Jesus Simon zum Petrus, d.h. zum Felsen erklärt, und direkt danach kracht es gewaltig zwischen den beiden. Das Glück war für den Fels nur von kurzer Dauer. Er hatte seine neue Rolle ernstgenommen und redete Jesus rein, weil er es auf keinen Fall zulassen wollte, was Jesus bevorsteht. Der Fels wurde plötzlich der Satan, mit dem Jesus keine Gemeinschaft haben kann. 

Die religiösen Anführer in Jerusalem demonstrieren gerne ihre Macht, wollen Ansehen, beuten aus, bestrafen, heucheln. Jesus wird sie mit Worten kritisieren und durch seine Taten einen anderen, liebenden Gott zeigen, und deshalb muss er, ein Ärgernis, beseitigt werden. Gott bestätigt Jesus jedoch durch die Auferweckung als seinen geliebten Sohn. Das darf doch nicht verhindert werden! Hat Petrus eigentlich gar nicht mitbekommen, dass Jesus auch von seiner Auferstehung gesprochen hat? 

Was erwartet denn Jesus von denen, die zu ihm gehören?

Als Erstes einmal die Selbstverleugnung: Egozentriertheit, seine Person in den Mittelpunkt stellen, Beharren auf dem eigenen Willen und ihn zum obersten Gesetz und Maß aller Dinge erheben, aber auch Ängstlichkeit, Verzagtheit, Feigheit gehen da nicht. 

Wer ihm folgt, kommt allerdings am Kreuz, d. h. an Problemen, leidvollen Situationen, an Ablehnung, Verfolgung, am Scheitern, am Boden liegen, aufgeben wollen nicht vorbei. Aber das Kreuz soll aktiv und wissend aufgenommen werden, denn das macht einen Unterschied zum nur passiven erleiden Müssen. 

 

Nun folgt eine lebens-kundliche Unterweisung: Dass einem die Welt zu Füßen liegt, man alles zur Verfügung hat, im Geld schwimmt, das alles ist keine Garantie für das wirkliche Leben. Wie schnell kann alles dahin sein, und mit Geld lässt sich erfülltes Leben eben nicht wieder-erlangen. Und: Du konnst halt nix mitnehma!

 

Führen jedoch Menschen, die sich um Jesu und der Menschen willen bis an ihre Grenzen für Arme, Ausgestoßene, Notleidende einsetzen, ihr Leben riskieren, auf Reichtum verzichten, sich für Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung einsetzen, Leben, Weiterleben für andere ermöglichen, ein armseliges Leben voller Entbehrungen, schier zum Unglücklichwerden? 

 

„Heute schon die Welt verändert? Verzicht bedeutet auch Gewinn“ (Misereor 2018) des wahren Lebens, das macht ganz anders glücklich, gibt Erfüllung, Sinn. Das erleben wir selbst doch auch so: Was Jesus verspricht und mit auf den Weg gibt, stimmt einfach! 

 

Es geht hier aber nicht nur um Taten, sondern auch um den Glauben. „Mit dem Evangelium kann man nicht handeln. Man kann keine Kompromisse schließen. Der Glaube an Jesus ist keine Ware, um die man feilschen kann: Er ist Heil, er ist Begegnung, er ist Erlösung. Er wird nicht billig verkauft.“ (Papst Franziskus.)

 

Das früher gebräuchlichere „Vergelt´s Gott“ will ausdrücken, dass Gott unser Engagement, in welcher Weise auch immer, registriert. Auch oder gerade wenn wenn wir nach menschlichem Maß und Urteil nicht immer erfolgreich oder auch mit uns unzufrieden sind, belohnt er es mit Leben, schließlich mit ewigem Leben. Nach Ringsgwandl sagt der „liabe Gott“ zu uns: „Du konnst nix von deinem Geld mitnehma, aber das ewige Leben, das kriagst!“

 

Machen wir uns miteinander auf den Weg, dort steht sicher auch immer einmal ein Simon von Cyrene oder auch wir können hin und wieder einer sein. Und: Unser Jesus geht uns voran und mit!

 

 

Noch ein kleiner Exkurs: Was bedeutet dieses Evangelium eigentlich für die römisch-katholische Kirche? 

 

Sie versucht doch krampfhaft, an ihrer Macht festzuhalten, ihre Pfründe, ihren Reichtum zu wahren, zu retten. Jesus spricht aber von der Ekklesia, der Kirche als geistliche Gemeinschaft, in der Leben inFülle gefunden und möglich werden kann und ist.

 

In der Zeitschrift „Publik-Forum“, Nr. 16, schreibt Jörg Lauster, Professor für Systematische Theologie an der evangelisch-theologischen Fakultät der LMU München in seinem Beitrag „Erleichterung“ dazu gute Gedanken: „Der Überfluss ist eine Last geworden. Aufgeblähte Verwaltungen, unselige Verstrickungen in Finanz- und Immobiliengeschäfte, sachfremder Einsatz von Menschen und Mitteln. … Zuzulassen, dass Pfarrerinnen und Pfarrer ihre kostbare Zeit mit religiös belanglosen Dingen vergeuden, ist eine geistliche Verschwendung. … Selten war die Gelegenheit für Kirchen günstiger, sich ganz neu aufzustellen. Am Ende wäre es für sie eine gradiose Erleichterung, wenn es gelänge, all den Ballast abzuwerfen, der sich im kirchlichen Alltag angesammelt hat. … Wenn sich die Kirchen auf das besinnen, wozu sie in dieser Welt sind, dann hat das Christentum die Kraft, Menschen in unseren unruhigen Zeiten Orientierung zu geben, Sinn zu stiften und Hoffnung zu schenken. Das Christentum lebt von der Gewissheit der göttlichen Gegenwart, die … Menschen davor bewahrt, ihr Leben im Banalen zu verlieren.“ 

 

 

PS. Die Schlagzeilen in der christlichen Presse haben übrigens einen ganz anderen Inhalt: „Postdigitale Schule, Klaus Mertes über gelingendes Lernen“, „Göttliche Heilkraft“, (Publik Forum), „Seelsorgerinnen beauftragen“, „Für Helfer wird es schwieriger“, „Nicht nur Wäschereinigung, sondern auch Begegnung“ (1000. Gast in der „Waschbar“ in Bad NeuenAHR), (Paulinus, Wochenzeitung im Bistum Trier)

 

Brigitte Karpstein, Sinzig

 

Zum Nachlesen:

Webseite Georg Ringsgwandl: Nix mitnehma! 

 

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