Sonntagsbrief zum 21. Sonntag im Jahreskreis, 27. August 2017
24. August 2017 von Cristy Orzechowski
Der lebendige Fels
Welch' unermesslicher Reichtum Gottes,
welch' tiefe Weisheit und unerschöpfliche Erkenntnis!
Unerforschlich sind die göttlichen Entscheidungen,
unergründlich die göttlichen Wege.
Denn wer hat je die Gedanken der Lebendigen erfasst?
Wer hat ihr je einen Rat gegeben?
Wer hat Gott jemals etwas gegeben, das zurückerstattet werden müsste?
Alles hat seinen Ursprung in Gott, alles existiert durch Gott und auf Gott hin.
Ehre sei Gott durch Zeiten und Welten, Amen.
Röm. 11, 33-36 Bibel in gerechter Sprache
Als Jesus in die Gegend von Cäsarea Philippi kam, fragte er seine Jünger und Jüngerinnen: „Was sagen die Menschen, wer der himmlische Mensch sei?“ Sie antworteten: „Manche sagen: Johannes der Täufer, andere: Elija, noch wieder andere: Jeremia oder noch eine andere prophetische Person.“ Er sagte zu ihnen: „Und für wen haltet ihr mich?“ Simon Petrus sagte: „Du bist der Messias, der Sohn Gottes, der Lebendigen.“ Jesus antwortete ihm: „Selig bist du, Simon Barjona, weil dir das nicht Fleisch und Blut offenbart hat, sondern Gott, für mich Vater und Mutter im Himmel. Und ich sage dir: Du bist Petrus, der Fels, und auf diesen Felsen werde ich meine Gemeinde bauen. Die Tore der Totenwelt sollen sie nicht überwältigen. Ich gebe dir die Schlüssel zur Welt Gottes. Was du auf der Erde bindest, soll im Himmel gebunden sein, was du auf der Erde löst, soll im Himmel gelöst sein.“ Da trug er seinen Jüngern und Jüngerinnen auf, dass sie keinem Menschen sagen sollten, er sei der Messias.
Mt 11, 13-20 Bibel in gerechter Sprache
Eine herausfordernde, wie auch oft missverkündete, Text-Folge, die uns am heutigen Sonntag zur Betrachtung empfohlen wird. Ich beschränke mich auf die angesprochenen Stichworte: Fels, Schlüsselübergabe, Binden-Lösen, Öffnen-Schließen, Lebendiger Gott! Zu schnell stehen diese Kennworte als Deutungsgrund für z.B. „ewige unauflösliche“ Ehe, ohne barmherzige Ausnahmen, Klerikale Verzeihgewalt — oder Verzeihverweigerung in der Beichte.
Schlüssel und Fels werden gerne benutzt als Macht-Interpretation des Amtes; speziell des „in Glaubensfragen irrtumsfreien“ Papst-Amtes, dessen Inhaber als Petrusnachfolger gleich FELS, der Kirche fest und gewaltig vorsteht, welche von den Mächten der Unterwelt nicht zuschanden werden wird. (?) Doch durch ihre eigenen Anhängsel und Gewichte, die das kreative Glaubensleben erschweren und verhindern, sehr wohl zu Fall kommen kann. Im Text der Bibel-Einheitsübersetzung Jes. 22,24-25 wird ein solches „Kartenhaus“ vortrefflich „sprach-bebildert“:
„Ich schlage ihn an einer festen Stelle als Pflock ein; er wird in seinem Vaterhaus den Ehrenplatz einnehmen. Wenn sich aber all die vielen Mitglieder seines Vaterhauses mit Kindern und Kindeskindern an ihn hängen, alle die Kännchen, die Töpfe und Krüge, an jenem Tag - Spruch des Herrn der Heere - wird der Pflock, den man an der festen Stelle eingeschlagen hat, nachgeben. Er wird herausbrechen und herunterfallen, so daß alles zerbricht, was an ihm aufgehängt war.“
Der, von uns erlebten, Verkündigung sind wichtig: Schlüssel-GEWALT in den Händen des Klerus und die Verfälschung des Fels-Zitats zugunsten einer konstantinischen Papst-Amts- Absicherung, statt klar vor Augen zu haben, dass da eine Fälschung seitens der der Kirche vorliegt: Nicht Petrus, sondern Christus ist der Fels. Natürlich, wir brauchen Halt..., doch der rettende FELS muss eher solcher Art sein, wie Eleonore Hildebrandt ihn beschreibt:
Halt suchen an kantigem Fels auf blühenden Wiesen vor offenen Herzen
Wie ebenbürtig und ebenbildlich muss die Kirche ihrem Meister Jesus aus dem Gesicht geschnitten sein, dass sie den Sohn des Lebendigen Gottes sichtbar macht? Auf dass Menschen von heute auf die Frage: Für wen haltet ihr Jesus? aufgrund ihrer Erfahrungen, nicht wie folgt antworten müssen: „Für ein Kontrollorgan...für einen Intim-Schnüffler...für einen Langweiler---(„tote Hose“...im Volksmund) für einen Despoten...“etc... Sondern dass sie genau die Antwort geben können, für die der Jünger, nicht der Amtsträger, Petrus, so sehr gelobt wird: „für den Sohn des LEBENDIGEN GOTTES.“
Wie das oft zu Rigorismen geronnene: Schließen und Öffnen unter das Haupt der lebendigen Gottheit bringen? In der interpretierenden Übersetzung der Bibel in gerechter Sprache wird statt Kirche die Gemeinde als Gestaltungs- und Wirk-Ebene genannt: Petrus ist Fels indem er Jesus ebenbildlich, beispielhaft in den Gemeinden vorlebt bzw. ihn wieder-HOLT und zur Kenntnis bringt—; indem er, durch sein Jünger-Dasein im Amt, Gemeinde zu dem offenen Ort gestaltet, in dem Menschen Jesus vorkommen und herunterkommen lassen in die WELT GOTTES!!! -- Eine Welt ist gemeint, so denke ich, in der sich Jesus und Gottes Gegenwart durch unsere Seelen-Öffnung ihm gegenüber ereignet! Unser Gemeinde-Projekt: das Buch zu öffnen und zu schließen, Lebendigkeit durch alle Ritzen unserer Kirchenhauses fluten zu lassen – und den Muff durch das berühmte Konzilsfenster hinauszulassen!
Ein Erlebnis: Ich fand im Anden-Dorf Santiago de Pupuja, welches bis heute an der Kolonialen Erb-Religiosität leidet, eine Riesen-Bibel mit Metall-Deckel in unserer Sakristei liegen, nach dem alten Muster: „Geschlossen“ mit einem Vorhängeschloss, versteckt unter dem hehren Satz: „Was auf Erden gebunden ist, ist auch im Himmel gebunden.“ Nur bei einem der, sehr raren, Priesterbesuche konnte dieses Buch geöffnet werden.
Dasselbe Lied wird angestimmt zum Thema- GELÖST...(Erlöst): ...“Diese Situation bestimme ich“ sagt die `Kirche´ bei zu vielen Gelegenheiten. Die Demut und das Hinterfragen (s. Röm. 11,33) werden nicht oft genug in Erwägung gezogen. Es wird nicht erkannt und verkündet, dass unser Fels in der sich selbstbeschreibenden Art, in all seinen Regungen LEBENDIG ist.
Für diese Erkenntnis der Lebendigkeit Gottes erhält Petrus das Lob, und den Schlüssel zur Welt Gottes, wohlgemerkt nicht zur Welt der Macht-Geschichten --- .
Cristy Orzechowski
AUF-BRUCH-STELLEN
Du hast
Kirche im Schatten Gottes
aufgestellt
in eigener Schönheit.
... Geh und schau
nach Deinen Sünden:
groß wie das Meer
schwarz wie die Nacht
kalt wie der Schnee
rot wie das Blut
weißer als das Weiß der Leere
langweilig wie die vertane Zeit.
Papierner Diener
meiner fleischgewordenen Botschaft,
unter Euch,
Ihr habt sie zerknittert.
Steh auf und wandle
nimm mein Volk
bei der Hand seiner Nöte
und durchwirke
entstandene Mauern
mit göttlich-warmem Atem,
bis der Staub der Jahrhunderte
sich verflüchtigt
und die
purpurnen Chefs
mit ihrer Garde
sich als
Diener
hervor-TUN.
Aus: KIRCHENBILD MIT UNS Cristy Orzechowski (Eigenverlag)
Bild:Buch in Ketten; Zeichnung aus der theologischen Stick-und-Malwerkstatt der Campesinos S.d.Pupuja.Puno-Peru © Cristy Orzechowski