Sonntagsbrief zum 20. Sonntag im Jahreskreis, 19. August 2018
17. August 2018 von Sigrid Grabmeier
...eine Scheibe abschneiden...
„Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgestiegen ist; alle, die von diesem Brot essen, werden ewig leben. Das Brot aber, das ich geben werde, ist mein Körper für das Leben der Welt.“ Die anderen jüdischen Menschen stritten nun miteinander und sagten: „Wie kann uns dieser seinen Körper zu essen geben?“ Jesus sagte ihnen: „Amen, amen, ich sage euch: Wenn ihr nicht den Körper des erwählten Menschen esst und sein Blut trinkt, habt ihr kein Leben in euch. Alle, die meinen Körper kauen und mein Blut trinken, haben ewiges Leben, und ich werde sie auferwecken am letzten Tag. Denn mein Körper ist die wahre Nahrung, und mein Blut ist das wahre Getränk. Alle, die meinen Körper kauen und mein Blut trinken, bleiben in mir und ich in ihnen. So wie mich der lebendige Gott gesandt hat und ich aus dieser Quelle lebe, so werden auch alle aus mir leben, die mich kauen. So ist das Brot, das vom Himmel herabgestiegen ist: Nicht so wie das Brot, das die Eltern aßen und starben; sondern: alle, die dieses Brot kauen, werden ewig leben.“
Joh 6, 51 - 58 Bibel in gerechter Sprache
... eine Scheibe abschneiden ...
Die heutige Stelle im Johannesevangelium beendet die sogenannte Brotrede. Ein verstörender Text, besonders auch in dieser Übersetzung. Wir sind das Wort „Leib“ gewohnt, ein Wort, das in der Alltagssprache wenig vorkommt. „Körper“ - das verdeutlicht die drastischen Worte Jesu noch mehr. So reagierten auch Jünger und Jüngerinnen: „Brutal ist diese Rede; wer kann sie anhören?“ (Joh 6,66)
Brutal war die Rede also sowieso schon, anstößig, weil Jesus ja auch etwas anstoßen wollte. Verschärft wurde diese Brutalität der heutigen Perikope wurde, laut Kommentar des Bibelwerks, zusätzlich erst später von einem anderen Autoren, um einen Zusammenhang herzustellen zum Abendmahl und schon praktizierten Eucharistiefeiern. Vorher spielt Blut in der Rede keine Rolle.
Jesus wird nach der Speisung der 5.000 von den Menschen bedrängt, die ihm auf die andere Seite des Sees gefolgt waren, weil sie mehr von ihm wollten. Er entgegnet ihrem Drängen: „Wirkt nicht auf vergängliche Nahrung hin, sondern auf die Nahrung, die bis ins ewige Leben bleibt, die der erwählte Mensch euch geben wird – denn ihn hat Gott bevollmächtigt.“ (Joh 6,27) - Er greift den Zusammenhang auf zum Brot, das Gott in der Wüste vom Himmel herab gesandt hat und stößt sie mit seiner Neuinterpretation vor den Kopf, als er ihnen erklärt: „Gott ernährt euch und gibt euch das wahre Brot vom Himmel. Denn das Brot Gottes ist der, der vom Himmel herabsteigt und der Welt Leben gibt. … Ich bin das Brot des Lebens; alle, die zu mir kommen, werden nie mehr hungrig sein, und alle, die an mich glauben, werden niemals mehr durstig sein.“ (Joh 6, 33-35)
Bei mir ist diese Rede u.a. mit zwei Assoziationen verknüpft. Ich denke an das Brot meiner Kindheit. Einmal in der Woche brachte der Landbäcker meiner Mutter einen frischen runden Sechspfünder, noch etwas warm, hoher Roggenanteil, gewürzt mit Kümmel, Anis und Koriander. Der Duft verbreitete sich im ganzen Haus und die erste Scheibe am Abend, nur mit Butter, war ein Fest. Das Brot schmeckte eine ganze Woche lang, und wenn es schon etwas trocken war fast noch besser, wenn ich es ganz fest kaute. - Sollte etwas übrig geblieben sein, wanderte es in eine Brotsuppe. Ich empfand dieses Brot immer als ein ganz besonderes Lebens-Mittel.
Die andere Assoziation ist die Redewendung: „sich eine Scheibe abschneiden“. Nie würden wir auf die Idee kommen, tatsächlich eine Scheibe von einer als Vorbild genannten Person abzuschneiden. Trotzdem wissen wir ganz genau, was uns gesagt wird, wenn wir das hören. Wir sollen uns ein Beispiel nehmen, am Handeln oder an der Haltung dieser Person. Und wir sollen uns das zu Herzen nehmen, in uns aufnehmen, nachahmen.
Vor diesem Hintergrund verstehe ich den Satz „Ich bin das Brot des Lebens“ so: Ihr habt von mir gehört und ich habe es euch vorgelebt, wie ihr ein Leben führen könnt, das Gott gefällt, ein Leben, das lebendig macht. Schneidet euch eine Scheibe ab von mir, nehmt mich zum Vorbild. Seid dankbar, geht gut miteinander um, kümmert euch um die Armen und Schwachen und nehmt das, was ich erzählt habe von der Liebe Gottes zu den Menschen, wie Brot in euch auf. Das soll Euer Lebens-Mittel sein, nicht das Streben nach Besitz, Gewinn und Vorteil. Lasst es euch schmecken, denn es ist köstlich und es stärkt euch. Kaut dieses Brot, denn es lässt sich nicht einfach hinunter schlucken, aber ihr werdet merken, wie gut es euch tut. Euer Hunger nach Gerechtigkeit, nach Barmherzigkeit, nach Liebe und Frieden: setzt euch selbst ein dafür, so wie ich es tue. Wenn ihr euch meine Botschaft zu Herzen nehmt, wird euer Leben Bestand haben. Wenn ihr euch meine Botschaft zu Herzen nehmt, kann das Reich Gotte zu euch kommen.
Brot, eine alltägliche Speise, Brot schneiden, eine profane Handlung. Und doch kann uns das – täglich – an diese drängende und anschauliche Einladung Jesu erinnern. Unser tägliches Brot gib uns heute.
Sigrid Grabmeier
Bildnachweis: Scheibe Brot © Sigrid Grabmeier