Sonntagsbrief zum 2. Sonntag in der Fastenzeit 25. Februar 2018

23. Februar 2018 von Georg Mollberg

Widerstand gegen die Unmenschlichkeit - Blinder Gehorsam ist nichts Göttliches

Weiße-Rose-Mahnmal München

Es ereignete sich nach diesen Begebenheiten: Die Gottheit prüfte Abraham und sprach zu ihm: „Abraham!“ Er sagte: „Hier bin ich.“ Sie sprach: „Nimm doch deinen Sohn, deinen einzigen, den, den du liebst, den Isaak, und geh los in das Land Morija und führe ihn dort hinauf für ein Brandopfer auf einem der Berge, den ich dir sagen werde.“ Da machte sich Abraham früh am Morgen auf, sattelte seinen Esel, nahm seine zwei Burschen mit sich und Isaak, seinen Sohn. Er spaltete Holzscheite für das Brandopfer, machte sich auf und ging zu dem Ort, den ihm die Gottheit gesagt hatte. Am dritten Tag hob Abraham seine Augen und sah den Ort von ferne. Da sprach Abraham zu seinen Burschen: „Lasst ihr euch hier mit dem Esel nieder, ich aber und der Bursche da wollen dort hingehen, uns anbetend niederwerfen und dann zu euch zurückkehren.“

Da nahm Abraham die Holzstücke des Brandopfers und gab sie seinem Sohn Isaak zu tragen, in seine Hand nahm er das Feuer und das Messer. So gingen die beiden zusammen. Da sprach Isaak zu Abraham, seinem Vater, und sagte: „Mein Vater!“ Der sagte: „Sieh mich an, mein Sohn.“ Und der sprach: „Sieh da, das Feuer und die Holzstücke. Doch wo ist das Tier für ein Brandopfer?“ Da sprach Abraham: „Gott wird sich das Schaf zum Brandopfer ausgucken, mein Sohn.“ So gingen die beiden zusammen. Und sie erreichten den Ort, den ihm die Gottheit gesagt hatte. Abraham baute dort den Altar auf, legte die Holzstücke ordentlich darauf, band seinen Sohn Isaak und legte ihn auf den Altar, oben auf die Holzstücke. Dann streckte Abraham seine Hand aus und ergriff das Messer, um seinen Sohn zu schlachten.

Doch ADONAJS Engel rief ihn vom Himmel her an und sagte: „Abraham, Abraham!“ Der sagte: „Hier bin ich.“ „Strecke deine Hand nicht aus gegen den Burschen und tu ihm nicht das Geringste an. Ja, jetzt weiß ich, dass du einer bist, der Gott fürchtet, denn du hast deinen Sohn, deinen einzigen, mir nicht vorenthalten.“ Da hob Abraham seine Augen, schaute hin, und siehe: ein Widder, hinten, verfangen im Gestrüpp mit seinen Hörnern. Da ging Abraham hin, nahm den Widder und ließ ihn als Brandopfer aufsteigen anstelle seines Sohnes. Abraham gab dem Ort den Namen: `ADONAJ sieht´; doch heute wird gesagt „Auf dem Berg ADONAJS wird gesehen.“

Da rief ADONAJS Engel den Abraham zum zweiten Mal vom Himmel her an: „Bei mir selbst habe ich geschworen, – Spruch ADONAJS – weil du das getan und deinen einzigen Sohn nicht geschont hast, deshalb will ich dich über die Maßen segnen und deine Nachkommen über die Maßen vermehren – zahlreich wie die Sterne am Himmel und wie der Sand am Ufer des Meeres. Und deine Nachkommen werden die Tore ihrer Feinde einnehmen. Und es werden sich mit Verweis auf deine Nachkommen alle Völker der Erde Segen zusprechen, weil du auf meine Stimme gehört hast.“

Gen 22, 1-18 Bibel in gerechter Sprache 

 

„Nimm Isaak, den du liebst, und opfere ihn mir!“ Ohne Widerspruch und ohne zu zögern greift Abraham zum Messer und setzt an, um seinen Sohn zu schlachten.

Hätte der weise Patriarch nicht zuerst hartnäckig nachfragen müs­sen, ob er Gott richtig verstanden habe? Hätte er nicht Widerstand leisten müssen gegen eine so ungeheure Forderung? „Herr, das kannst du doch nicht von mir verlangen! Du selbst hast mir doch diesen Sohn verheißen, und er kam zur Welt, als Sarah und ich schon alt waren. Jetzt willst du mir befehlen, ihn zu töten?“ Stattdessen folgt er dem göttlichen, unmenschlichen Befehl ohne Gegenwehr. 

Die Fortsetzung stelle ich mir so vor, abweichend vom biblischen Text:

Gott ist entsetzt: „Wie kannst du nur! Du hättest ihn beinahe umgebracht, Abraham!“ „Ich wollte dir doch nur gehorsam sein!“ „Was wäre denn dann aus meiner Verheißung an dich und deine Nachkommen geworden? Zugegeben, meine Probe war nicht fair,“ lenkt Gott ein, „aber so konnte ich dir und allen, die von dieser Geschichte erfahren, zeigen, dass es Menschen gibt, die jedem Befehl unkritisch folgen, egal wie verrückt und unmenschlich er auch ist.“
Wie oft haben Menschen nicht nur Leiden ertragen, sondern sogar Schmer­zen gesucht, weil sie meinten, darin Gott zu gefallen? Und wie oft haben sie anderen Menschen Leid zugefügt in dem Glauben, damit den Willen Gottes zu erfüllen? Nicht nur islamistische Selbstmordattentäter sind hier gemeint, auch in unserer eigenen Kirchengeschichte gibt es dafür verheerende Beispiele.

Schauen wir auf Jesus. Wie hat er es mit dem Gehorsam gehalten? Der Rabbi aus Nazareth, dem die Tora, wie jedem Juden, das heilige Buch war, heilte selbst am Sabbat, an dem jedwedes Arbeiten verboten war. Das brachte die Paragraphenreiter zur Weißglut. „Der Sabbat ist für den Menschen da und nicht der Mensch für den Sabbat“, war seine Antwort. Sich um Arme, Kranke und Unterdrückte kümmern, bedeutete wohl oder übel jüdische Gesetze zu übertreten.

Wer sich für Menschenwürde und Wahrheit einsetzt, wird mit den Mächtigen und deren egoistischer Auslegung von Gesetzen in Konflikt kommen.

Unzählige Menschen bis hin zu Maximilian Kolbe, Dietrich Bonhoeffer, und in diesen Tagen den vielen verfolgten Mitschwestern und Mitbrüdern weltweit sind Jesus bis in den Tod gefolgt. Aber nicht aus blindem Gehorsam, sondern um Widerstand zu leisten gegen die Unmenschlichkeit. Sie haben kein unschuldiges Blut vergossen, sondern andere Menschen gerettet. Sie haben sich nicht willenlos unterworfen, sondern mit ihrem Leben bezeugt, dass sie auf den rettenden Gott vertrauen.

Wie halten wir‘s mit vorauseilendem Gehorsam? Fragen wir nach oder reagieren wir kritiklos gehorchend, wie der Urvater Abraham? Wie selbstbewusst widerstehen wir Unwürdigem, Unmenschlichem, Illegalem oder Unchristlichem?

Schaffen wir es, den blinden Gehorsam gegenüber kirchlichen und weltlichen Vorgesetzten zu überwinden? Aufmerksames Hinhören auf unser Gewissen und die Orientierung an Jesu Liebesbotschaft können uns helfen, uns angstfrei Repressalien zu widersetzen und den Gehorsam dort zu verweigern, wo es notwendig ist.

Amen

Georg Mollberg

 Bildnachweis; Mahnmal für die „Weiße Rose“ auf dem Geschwister-Scholl-Platzin München. Das steinerne Bodendenkmal von Robert Schmidt-Matt vor dem Hauteingang der Universität zeigt Flugblätter, Porträtfotos und einen Abschiedsbrief von Willi Graf.

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